DataDrivenDJ von Brian Foo

Wie Flüchtlingsdaten zu Musik werden

Ein Soundkünstler improvisiert Klangskulpturen mit Mischpult und Computer.
Brian Foo hat aus den Daten über die globalen Flüchtlingsbewegungen der vergangenen vier Jahrzehnte Musik komponiert. © picture alliance / dpa / Maximilian Schönherr
Von Christian Grasse · 13.08.2015
In Tabellen oder Grafiken werden Daten normalerweise anschaulich gemacht. Der New Yorker Künstler Brian Foo versucht, einen emotionaleren Zugang - indem er Datenbanken vertont. Sein aktuelles Projekt übersetzt Flüchtlingsströme in Musik.
Daten sind abstrakt und in der Regel nur in verarbeiteter Form verständlich. Texte und Visualierungen in Form von Tabellen oder Infografiken helfen bei der Komplexitätsreduktion. Der New Yorker Künstler Brian Foo geht aber noch einen Schritt weiter. Er beschäftigt sich mit der Sonifikation - mit der Vertonung - von Datenbanken. Aus ihnen programmiert bzw. komponiert er Musik. Damit schafft er hörbare, emotionale Zugänge zu komplexen gesellschaftlichen Themen.
Mit seinem Projekt DataDrivenDJ verbindet er das erzählerische Potenzial von Daten mit der emotionalen Kraft von Sound. Sein neuestes Stück übersetzt internationale Flüchtlingsbewegungen der vergangenen vier Jahrzehnte in Musik.
Brian Foo erklärt, wofür die Klänge stehen
Christian Grasse hat sich von Brian Foo erklären lassen, was hinter den Klängen steckt und wofür sie stehen:
"Es geht mir nicht nur darum, das Flüchtlingsthema zu transportieren, Das Stück 'Distance From Home' soll Empathie auslösen, für all die Menschen, deren Geschichte normalerweise in einem Datensatz endet."
"Zuerst schaue ich mir die Daten an. In diesem Fall ist es ein Datensatz der Vereinten Nationen, internationale Flüchtlingsbewegungen von 1975 bis 2012. Ich visualisiere die Tabellen und verschaffe mir einen Überblick. Wenn man aus Zahlen Musik machen will, ist es wichtig, mit Datensätzen zu arbeiten, die im Zeitverlauf variieren, sonst klingt der Song am Ende monoton und langweilig. Deshalb schaue ich mir die Daten sehr genau an. Im zweiten Schritt überlege ich dann, welcher Klang die Zahlen am besten repräsentiert. Dabei stelle ich mir natürlich auch die Frage, welche Emotionen das Stück beim Hören auslösen soll."
"In diesem Fall habe ich mich für den Klang amerikanischer Country-Musik entschieden. Ein typisches Instrument dieses Genres ist die Steal-Gitarre. Die fand ich besonders passend, denn sie klingt manchmal wie ein Schrei oder ein Mensch, der weint. Inhaltlich passt die Musik meiner Meinung nach auch, denn sie verarbeitete schon immer Themen wie Migration, Einsamkeit, Sehnsucht oder Nostalgie. Diese emotionale Bedeutung wollte ich auf die Daten projizieren, und die Flüchtlingsbewegungen hörbar machen."
"Die Herausforderung bestand darin, die Informationen im Datensatz mit Sound hörbar zu machen. Jedes Jahr seit 1975 entspricht im Song ein viersekündiges Segment. Je mehr Menschen zu in einem Jahr weltweit auf der Flucht waren, umso mehr Instrumente erklingen in dem Song. Das heißt mit jeder Zunahme der Flüchtlinge, wird das Stück in seinem Verlauf immer lauter."
Tabellen vermitteln keine Emotion
"Die durchschnittliche Entfernung, die Flüchtlinge in einem Jahr zurückgelegt haben, wird mit einer entsprechenden Tonlänge und Höhe wiedergegeben. Das heißt in einem Jahr, in dem Menschen sehr lange auf der Flucht waren und weit gereist sind klingt erst tief, hallt dann lange nach und endet mit einem hohen Ton."
"Was ich auch noch in dem Song umgesetzt habe, ist, dass die Anzahl der Länder aus denen mehr als 1000 Menschen im Jahr flüchten, die Summe verschiedener Instrumente bestimmt. Je mehr Krisenherde es auf der Welt gibt, desto chaotischer klingt mein Stück also. Das sind im großen und ganzen die Ansätze des Songs."
"Ich sehe vor allem zwei Vorteile darin, Musik zu nutzen, anstatt Daten einfach nur zu visualisieren. Zuerst einmal kann ich eine Erfahrung kreieren. Und die ist nicht beliebig, sondern ganz konkret, denn ich zapfe die Emotion der Hörer an. Wenn man eine Grafik oder eine Tabelle anschaut, fühlt man gar nichts. Meine Musik fördert das intuitive Verständnis dieser abstrakten Zahlen. Der zweite Vorteil liegt meiner Meinung nach in der Art und Weise wie wir Musik verarbeiten. Sie kann zum Ohrwurm werden und einen den ganzen Tag lang beschäftigen. Ich habe die Hoffnung, dass meine Musik dabei helfen kann, das Flüchtlingsthema zu einem täglichen Begleiter zu machen. Vielleicht manifestieren sich die Zahlen so in unserem Bewusstsein, in unseren Gedanken und in unserem Gedächtnis. Letztendlich geht es mit um Empathie. Die will ich mit meiner Musik erzeugen."
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