Das Wissen der Heiler und die Pharma-Industrie
Pharmakonzerne schicken ihre Forscher in den Urwald, um traditionelle Heiler zu befragen, mit welchen Mitteln sie Krankheiten bekämpfen. Mitunter werden dann Pflanzen exportiert und zu teuren Medikamenten verarbeitet, an denen nur der Konzern verdient. Die Autoren des Buches nennen das "Biopiraterie" und erläutern die komplizierten Zusammenhänge.
Seit man in den Industrienationen begriffen hat, dass die Natur ein reichhaltiges Reservoir an Heilpflanzen birgt, häufen sich die Berichte über Pharmakonzerne, die sich diese Pflanzen angeeignet haben. Sie schicken Forscher in tropische Urwälder, afrikanische Savannen, australische Wüsten, um traditionelle Heiler zu befragen, mit welchen Blättern, Blüten, Wurzeln oder Früchten sie Krankheiten kurieren. Man erhofft sich von unbekannten Wirkstoffen eine wirksamere Bekämpfung der Volkskrankheiten der Zivilisation: von Übergewicht angefangen über Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis zu Krebs.
Gelingt es, aus den Pflanzenbestandteilen ein Medikament zu entwickeln, winken Millionengewinne. Das Geschäft ist bislang allerdings sehr einseitig. Diejenigen, die die Pflanzen entdeckt haben und oftmals seit Jahrhunderten anwenden, gehen leer aus. Die Konzerne sichern sich über Patente die alleinige Verfügung über die Wirkstoffe. Die beiden Autoren Michael Frein und Hartmut Meyer nennen das Biopiraterie.
Ihr Buch "Die Biopiraten" listet viele Beispiele solchen Raubs auf. Das Madagaskar-Immergrün zum Beispiel verwendet man in tropischen Ländern seit Jahrhunderten zur Herstellung traditioneller Heilmittel. Als in den 50er Jahren einige Blätter nach Kanada geschmuggelt wurden, entdeckte man dort in Laborversuchen, dass Extrakte aus den Blättern weiße Blutkörperchen vernichteten, also schnell wachsende Körperzellen angriffen. Die Idee lag nahe, sie zur Krebsbekämpfung zu nutzen. Aus dem Rohmaterial extrahierte man hochwirksame Krebsmedikamente. Bis heute verdient ein namhaftes Pharmaunternehmen an ihnen jährlich rund 100 Millionen Dollar.
Seit die Entwicklungsländer, die eine besonders große, noch unerforschte Artenvielfalt aufweisen, begriffen haben, auf welchem möglichen Schatz sie sitzen, verlangen sie eine Beteiligung an der kommerziellen Verwertung ihrer biologischen Ressourcen. Seitdem wogt ein zäher Streit um Nutzungsrechte und Patente zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungsländern. Und der ist, wie das Buch beweist, nicht einfach zu verstehen.
Sehr detailliert zeichnen die Autoren die mühsamen Verhandlungen in den verschiedenen internationalen Gremien spätestens seit der Rio Konferenz 1992 nach, die den Schutz der Artenvielfalt festschrieb. Zur Debatte stehen neue Rechtsnormen, die denjenigen, die über das traditionelle Wissen verfügen, Mitsprache und Gewinnbeteiligung sichern sollen. Die Industriestaaten versuchen dabei, so die Autoren, ihren Unternehmen möglichst freie Hand bei der kommerziellen Ausbeutung der genetischen und biochemischen Ressourcen zu sichern. Die Entwicklungsländer möchten die Verfügungsgewalt darüber nur gegen angemessene Beteiligung aus der Hand geben und die indigenen Völker verlangen Mitsprache bei jeglicher Nutzung.
Es ist nicht immer leicht, der juristischen Debatte um die Auslegung einzelner Begriffe zu folgen, denn hier wird wirklich jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Immerhin steht viel Geld auf dem Spiel. Es gelingt den Autoren allerdings, die komplizierten Sachverhalte auch Nichtjuristen verständlich zu machen.
Es geht vor allem um zwei Bereiche: Einmal um das Nutzungsrecht, demzufolge die biologische Vielfalt dem Staat gehört, auf dessen Gebiet sie vorkommt. Und auf der anderen Seite geht um das Patentrecht, wie es die Welthandelsorganisation weltweit durchsetzen möchte, und das scharfe Sanktionen gegen Verletzungen vorsieht. Danach darf alles, was patentiert wurde, nur noch gegen Lizenz von anderen benutzt werden. Beide Rechte lassen sich nur schwer miteinander vereinen.
Dabei geht es um die Grundfrage, ob man Leben patentieren kann und darf. Wem gehören die Gene oder biochemischen Wirkstoffe einer Pflanze? Demjenigen, der sie im Labor extrahiert und dann als Erfindung patentieren lässt oder demjenigen, auf dessen Boden die Pflanzen wachsen, der sie seit Ewigkeiten kennt und anwendet?
Michael Frein und Hartmut Meyer lassen keinen Zweifel aufkommen, auf wessen Seite sie stehen: Sie fordern umfassende Nutzungsrechte an den Pflanzen für die indigenen Völker. Doch sie machen auch deutlich, dass der Weg bis zu einer gerechten Lösung noch voller Stolpersteine ist.
Rezensiert von Johannes Kaiser
Michael Frein, Hartmut Meyer: Die Biopiraten - Milliardengeschäfte der Pharmaindustrie mit dem Bauplan der Natur,
Econ Verlag Berlin 2008, 251 Seiten, 16.90 Euro
Gelingt es, aus den Pflanzenbestandteilen ein Medikament zu entwickeln, winken Millionengewinne. Das Geschäft ist bislang allerdings sehr einseitig. Diejenigen, die die Pflanzen entdeckt haben und oftmals seit Jahrhunderten anwenden, gehen leer aus. Die Konzerne sichern sich über Patente die alleinige Verfügung über die Wirkstoffe. Die beiden Autoren Michael Frein und Hartmut Meyer nennen das Biopiraterie.
Ihr Buch "Die Biopiraten" listet viele Beispiele solchen Raubs auf. Das Madagaskar-Immergrün zum Beispiel verwendet man in tropischen Ländern seit Jahrhunderten zur Herstellung traditioneller Heilmittel. Als in den 50er Jahren einige Blätter nach Kanada geschmuggelt wurden, entdeckte man dort in Laborversuchen, dass Extrakte aus den Blättern weiße Blutkörperchen vernichteten, also schnell wachsende Körperzellen angriffen. Die Idee lag nahe, sie zur Krebsbekämpfung zu nutzen. Aus dem Rohmaterial extrahierte man hochwirksame Krebsmedikamente. Bis heute verdient ein namhaftes Pharmaunternehmen an ihnen jährlich rund 100 Millionen Dollar.
Seit die Entwicklungsländer, die eine besonders große, noch unerforschte Artenvielfalt aufweisen, begriffen haben, auf welchem möglichen Schatz sie sitzen, verlangen sie eine Beteiligung an der kommerziellen Verwertung ihrer biologischen Ressourcen. Seitdem wogt ein zäher Streit um Nutzungsrechte und Patente zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungsländern. Und der ist, wie das Buch beweist, nicht einfach zu verstehen.
Sehr detailliert zeichnen die Autoren die mühsamen Verhandlungen in den verschiedenen internationalen Gremien spätestens seit der Rio Konferenz 1992 nach, die den Schutz der Artenvielfalt festschrieb. Zur Debatte stehen neue Rechtsnormen, die denjenigen, die über das traditionelle Wissen verfügen, Mitsprache und Gewinnbeteiligung sichern sollen. Die Industriestaaten versuchen dabei, so die Autoren, ihren Unternehmen möglichst freie Hand bei der kommerziellen Ausbeutung der genetischen und biochemischen Ressourcen zu sichern. Die Entwicklungsländer möchten die Verfügungsgewalt darüber nur gegen angemessene Beteiligung aus der Hand geben und die indigenen Völker verlangen Mitsprache bei jeglicher Nutzung.
Es ist nicht immer leicht, der juristischen Debatte um die Auslegung einzelner Begriffe zu folgen, denn hier wird wirklich jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Immerhin steht viel Geld auf dem Spiel. Es gelingt den Autoren allerdings, die komplizierten Sachverhalte auch Nichtjuristen verständlich zu machen.
Es geht vor allem um zwei Bereiche: Einmal um das Nutzungsrecht, demzufolge die biologische Vielfalt dem Staat gehört, auf dessen Gebiet sie vorkommt. Und auf der anderen Seite geht um das Patentrecht, wie es die Welthandelsorganisation weltweit durchsetzen möchte, und das scharfe Sanktionen gegen Verletzungen vorsieht. Danach darf alles, was patentiert wurde, nur noch gegen Lizenz von anderen benutzt werden. Beide Rechte lassen sich nur schwer miteinander vereinen.
Dabei geht es um die Grundfrage, ob man Leben patentieren kann und darf. Wem gehören die Gene oder biochemischen Wirkstoffe einer Pflanze? Demjenigen, der sie im Labor extrahiert und dann als Erfindung patentieren lässt oder demjenigen, auf dessen Boden die Pflanzen wachsen, der sie seit Ewigkeiten kennt und anwendet?
Michael Frein und Hartmut Meyer lassen keinen Zweifel aufkommen, auf wessen Seite sie stehen: Sie fordern umfassende Nutzungsrechte an den Pflanzen für die indigenen Völker. Doch sie machen auch deutlich, dass der Weg bis zu einer gerechten Lösung noch voller Stolpersteine ist.
Rezensiert von Johannes Kaiser
Michael Frein, Hartmut Meyer: Die Biopiraten - Milliardengeschäfte der Pharmaindustrie mit dem Bauplan der Natur,
Econ Verlag Berlin 2008, 251 Seiten, 16.90 Euro