Das wird kosten!
Das Klima ändert sich in Bayern: Der letzte Sommer war zu heiß, dieser Winter will selbst im Januar nicht kommen, und Jahrhunderthochwasser finden seit neuestem in Bayern alle sechs Jahre statt. Landwirte beklagen Ernteausfälle, Skiliftbetreiber weinen auf blühenden Wiesen. Der Rückzug der Gletscher wird dazu beitragen, dass die bayerischen Sommer in den nächsten Jahrzehnten zunehmend trockener werden, die Niederschläge im Winter gleichzeitig zunehmen. Die Gefahr von Hochwasserschäden und Ernteausfällen für die Landwirtschaft wird steigen. Wie stellen sich Politik und Wirtschaft im Freistaat heute schon darauf ein? Und mit welchen Kosten ist zu rechnen?
Werner Schnappauf: "Der Klimaschutz muss zum roten Faden künftigen Wirtschaftens und Lebens gemacht werden, das heißt in allen Bereichen unserer Wirtschaft, der Energieversorgung, des Verkehrs muss die Klimaverträglichkeit die Richtschnur künftiger Investitionen gemacht werden."
Das Klima ist ein Patient mit erhöhten Temperaturen: Um der Krankheit zu begegnen, sind jedoch mehr Anstrengungen notwenig als reines Gottvertrauen - das weiß auch die bayerische Staatregierung und Umweltminister Werner Schnappauf.
Milliarden Kosten: Doch wie viel kostet der Klimawandel genau? In einem gewaltigen Gebäudekomplex an Münchens Flaniermeile, der Leopoldstraße, sucht Peter Höppe nach Antworten auf diese Frage. Der Meteorologe ist Leiter der Georisikoforschungsabteilung der Münchner Rückversicherungsgesellschaft. An den Börsen-Kursen der Aktiengesellschaft lassen sich auch extreme Klimaereignisse ablesen. Die Münchner Rück versichert andere Versicherungen gegen extreme Schäden. Sie besitzt eine der größten Datenbanken der Welt für Naturkatastrophen, rechnet Schadensprognosen in Bargeld um. Der Klimawandel ist dabei seit Anfang der siebziger Jahre ein Thema, aber erst seit etwa drei Jahren werden die Klimamodelle der Forscher auch verstärkt von den Kunden, von der Öffentlichkeit wahrgenommen.
Peter Höppe: "In Bayern sind es eher die Überschwemmungen, die zugenommen haben und für größere Schäden sorgen. Es sind die heißeren, trockneren Sommer, 2003 zum Beispiel, die wir in Zukunft häufiger erleben werden und die dazu führen, dass in der Landwirtschaft mehr bewässert werden muss oder die Ernten zurückgehen, dass die Flusspegel sinken und das Flusswasser so warm wird, dass es als Kühlwasser nicht mehr taugt, dass Kraftwerke ihren Betrieb unterbrechen müssen, dass Schäden entstehen wie jetzt in diesem Winter in der Skiindustrie, dass Lifte nicht in Betrieb genommen werden können, dass die Skiurlauber ausbleiben - das sind als Wirkungen, die jetzt speziell in Bayern festzustellen sind."
Das Klima ist träge: Was heute an Veränderungen sichtbar wird, sind die Folgen der 60er, 70er Jahre. Damals war der CO² Ausstoß in Bayern halb so hoch wie heute. Der Klimawandel ist nicht aufzuhalten, da sind sich Forscher einig. Aber um Schadensbegrenzung zu betreiben, muss heute investiert werden. Peter Höppe rechnet damit, dass sich die Kosten durch Unwetter in Bayern bis zum Jahr 2030 verzehnfachen werden:
"Bei den Überschwemmungen, die wir in der letzten Zeit in Bayern hatten, ist vor allem das Hochwasser 2005 im August zu nennen, als Eschenlohe ja wieder mal unter Wasser war. Die Schäden, die da entstanden sind, liegen etwa bei 200 Millionen Euro und die Versichertenschäden bei etwa 40 Millionen Euro. Auf der Versichertenseite haben wir natürlich auch höhere Versicherungsschäden, wenn sich mehr Menschen gegen solche Risiken sichern, aber es sollte der Schadensanfall proportional mit dem Prämieneinkommen steigen. Und in den letzten Jahrzehnten hat sich da eine Schere geöffnet, das heißt die Schäden sind schneller gestiegen als die Prämie."
Der bayerische Sommer wird in Zukunft heißer und trockener, der Winter feuchter und er kommt später. Niederschläge verteilen sich nicht mehr gleichmäßig über das ganze Jahr. Dadurch steigt die Gefahr von Unwettern, die zu Erdrutschen, Murenabgängen und Hochwasser führen. Der Hochwasserschutz ist deshalb ein Thema Nummer Eins im Flussreichen Bayern.
Wolfgang Seiler: "Global gesehen müssen wir rechnen, dass die Temperatur in den nächsten 30 Jahren noch einmal um etwa 1 Grad Celsius zunehmen wird, hier in Bayern wird die Klimaänderung etwa doppelt so schnell sein. Das ist auch das, was wir in der Vergangenheit beobachtet haben. Wir rechnen in den nächsten 30 Jahren im bayerischen Alpengebiet, im Voralpengebiet mit einem Temperaturzuwachs von zwei Grad Celsius. Und das ist genauso viel, wie in den letzten 120 Jahren beobachtet worden ist. Sie sehen daran, dass die Klimaerwärmung immer schneller erfolgt, sie läuft uns quasi weg. Und dementsprechend werden natürlich auch die Folgen immer umfangreicher."
Professor Wolfgang Seiler gilt als der Klimapapst in Bayern. Der Direktor des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung des Forschungszentrums Karlsruhe arbeitet in Garmisch-Partenkirchen, beobachtet seit Jahren die Temperaturschwankungen und das Wetter im Freistaat. Entscheidend ist dabei allerdings nicht allein der Temperaturanstieg, sondern die Veränderung der Niederschlagsmenge.
Wolfgang Seiler: "Wir hier in Bayern gehören eigentlich zu den Vorreitern, gerade was die Anpassungsstrategie angeht. Man ist sich schon bewusst, dass da in der Zukunft die Hochwassersituationen umfangreicher werden, intensiver werden und man versucht das jetzt abzufangen, indem man sagt: Alle Baumaßnahmen werden jetzt um 15 Prozent erhöht, erweitert, um diese zukünftigen Entwicklungen abfangen zu können."
Beispiel Eschenlohe: In dem kleinen Ort am Fuße der Zugspitze gab es in den letzten sechs Jahren ein Jahrhunderthochwasser und ein Jahrtausendhochwasser. Die Loisach verwandelte sich nach starken Regenfällen in einen reißenden Strom, der Millionenschäden verursachte. Dabei richtete die Jahrtausendflut 2005 weniger an als das Jahrhunderthochwasser, weil bereits in den Hochwasserschutz investiert wurde. Die bayerische Staatregierung hat daraus gelernt: Hochwasserschutz in Bayern wird mittlerweile staatlich aufgestockt - bis zum Jahr 2020 will der Freistaat 2,3 Milliarden Euro investieren. Umweltminister Werner Schappauf.
"Es gibt ja seit kurzem von Nikolas Stern die globale Einschätzung. Wir teilen diese, das jede Verzögerung im Klimaschutz teurer wird als heutiges Handeln. Wir haben deshalb unsere Hochwasserschutzanstrengungen nochmals forciert und geben allein in den drei Jahren von 2006 bis 2008 jetzt 450 Millionen Euro in den Hochwasserschutz, wobei ein Schwerpunkt liegt bei dem Hochwasserschutz der Wildbäche. Es ist unvorstellbar, wie aus einem 60 Zentimeter breiten Gewässer ein 60 Meter breiter Strom wird und alles vernichtet, was in seinem Einzugsbereich liegt. Deshalb wird der Schwerpunkt dieses Hochwasserschutzes auch und gerade im Alpenraum liegen."
Das sich Bayern so großzügig im Bezug auf Klimaschutz zeigt, hat vor allem etwas mit wirtschaftlichen Überlegungen zu tun. Nach Schätzungen des Deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts in Berlin werden die Kosten durch den Klimawandel in den nächsten 50 Jahren bis zu 800 Milliarden Euro betragen. Claudia Kemfert hat am Report des britischen Ökonomen Nicolas Stern mitgearbeitet. Die Kernaussage der Studie: Der Klimawandel kann langfristig zu einem Zusammenbruch der Weltwirtschaftssysteme führen. Auch unter gemäßigten Annahmen leitet die Professorin für Umweltökonomie hohe volkswirtschaftliche Schäden für Bayern daraus ab, nicht zuletzt weil die Temperaturerwärmung durch Treibhausgase wichtige Kernsektoren der Bayerischen Wirtschaft betrifft.
"Also es wird auf jeden Fall mehr Dürren geben, es wird Wasserknappheiten geben, es wird auch eine Veränderung in der Energieversorgung geben, gerade Bayern ist auch dadurch gekennzeichnet, das viele Kernkraftwerke am Netz sind, die werden in der Zukunft im Sommer Probleme bekommen, weil nicht genügend Kühlwasser vorhanden ist, so dass man hier auch eher die Solarenergie nutzen wird als die Kernenergie."
Hochwasser und Dürreperioden führen dazu, dass auch Wasserkraftwerke nicht mehr gleichmäßig über Jahr verteilt Energie gewinnen können. Kernkraftwerke und andere Industrieanlagen, die auf Kühlwasser angewiesen sind, haben bei einem Temperaturanstieg um zwei Grad ein ganz anderes Problem: Sie können ihre Kühlsysteme nicht mehr nutzen. Schon im Sommer 2003 und im vergangenen Jahr musste aus diesem Grund in Bayern die Leistung von Kernkraftwerken heruntergefahren werden.
Claudia Kemfert: "Politiker müssen es schaffen, eine Klimapolitik zu betreiben, die auch Emissionsminderung bedeutet, dass heißt, dass man in dem Bereich Energieversorgung, wo auch sehr viele Emissionen entstehen, diese ersetzt und innovative Technologien entwickelt. Auf der anderen Seite muss es auch darum gehen andere Bereiche mit einzubeziehen, wie zum Beispiel der Verkehrssektor, wo auch sehr viel große Emissionen auftreten. Dort müssen abgasarme Fahrzeuge entwickelt werden."
Wie in der gesamten Bundesrepublik ist der Ausstoß von CO²-Gasen, die als Verursacher für den Treibhauseffekt gelten, in den letzten Jahren auch im bayerischen Straßenverkehr eher gewachsen. Zwar ist der Ausstoß in Bayern mit 6,8 Tonnen pro Kopf und Jahr im Vergleich zu anderen Bundesländer noch mit am niedrigsten, allerdings ist das nicht unbedingt auf die Bemühungen der Industrie zurückzuführen, das bestätigt auch der Minister.
Werner Schnappauf: "Das bayerische Automobilunternehmen Audi beispielsweise setzt auf Sandfuel, einen synthetischen Kraftstoff. Der bayerische Automobilbauer BMW wird in diesem Jahr ein Wasserstoffhybridfahrzeug auf den Markt bringen. Wir sehen in diesen Ansätzen zukunftsweisende Wege, aber es muss mehr getan werden, es muss schneller und intensiver an dieses Thema heran, denn die Klimaerwärmung galoppiert im Moment schneller als die Anstrengungen in der Wirtschaft, auch im Verkehrsbereich, sind dem zu begegnen."
Geht es nach dem Willen des Bayerischen Umweltministers, soll der Schadstoffausstoß bis zum Jahr 2010 noch einmal um etwa ein Prozent gesenkt werden. Ein Umweltpakt der Staatsregierung mit der Bayrischen Wirtschaft soll in Zukunft einen Beimischungszwang für Biokraftstoffe erwirken, durch den sich der Kohlendioxidausstoß reduziert. Die Münchner Schickeria steuert hybriden Zeiten entgegen.
Werner Schnappauf: "Es muss schick werden, über die Münchner Leopoldstraße mit einem Hybridfahrzeug zu flanieren, anstatt mit einem schweren allradbetrieben Geländewagen mitten in der Stadt. Wir brauchen Meinungsführer, die deutlich machen, dass es zum Lifestyle des 21 Jahrhunderts gehört, sich klimaverträglich zu verhalten."
Auf den landwirtschaftlichen Versuchflächen der Agrar-Meteorologen im bayerischen Weihenstephan regnet es nicht richtig: Mal zuviel, mal zuwenig und nicht immer zur erforderlichen Zeit. Die Witterung, das Wachstum landwirtschaftlicher Nutzpflanzen, die Ausbreitung von Schädlingen, oder Pilzkrankheiten und vor allem die Bodenfeuchtigkeit - das alles sind Themen, die hier seit Jahren zum Wohle der starken bayerischen Landwirtschaft untersucht werden. Harald Maier ist Leiter der Agrarmeteorologischen Niederlassung des deutschen Wetterdienstes in Weihenstephaner Wissenschaftszentrum.
"Das ist absolut so, dass man jetzt gegensteuern muss. Es ist höchste Zeit, denn Temperaturanstiege von 1 bis maximal 2 Grad kann man vielleicht noch ertragen, aber Temperaturen über 2 Grad führen zu starken Konsequenzen für die Landwirtschaft, führen nicht nur zu Schäden an den Pflanzen, sondern auch dazu, dass sehr viel Kohlenstoff am Boden aufgebaut wird und sich damit die Erwärmung noch mal verstärkt."
Gerade Standorte in Bayern, die heute schon unter Trockenheit leiden, werden in Zukunft stärker betroffen. Während die Ober- und Niederbayerischen Landwirte dank ihrer Feuchtigkeitsspeichernden Lösböden auch in Zukunft noch hoffen dürfen, müssen sich die Franken auf große Dürreperioden einstellen. Schon im vergangenen Jahr hatten bayerische Landwirte Ernteausfälle in Höhe von 10 bis 15 Prozent.
Harald Maier: "Die Landwirte werden sich daran gewöhnen müssen, dass Aussaattermine, die bisher als normal gegolten haben, in Zukunft nicht mehr so ohne weiteres angewendet werden können. Man wird nachdenken müssen über wassersparende, erosionsmindernde Verfahren, man wird einen höheren Aufwand betreiben müssen für die Schädlingsbekämpfung, dagegen wird der Aufwand für die Bekämpfung pilzlicher Schaderreger zurück gehen, denn die fühlen sich bei hoher Temperatur und geringer Luftfeuchtigkeit nicht so wohl. Die Unkrautbekämpfung wird auch schwieriger werden, weil Bodenwirkstoffe auf trockenem Boden nicht wirken."
Die Landwirtschaft hat - neben vielen Nachteilen - aber grundsätzlich einen großen Vorteil - weshalb Klimaforscher wie Wolfgang Seiler reformfreudige, flexible Landwirte auch auf der Gewinnerseite sehen.
"Ich bin der felsenfesten Meinung, dass in der Zukunft immer mehr Landwirte eben nicht mehr Nahrungsmittel produzieren, sondern Biomasse produzieren, um daraus Energie zu gewinnen."
In den Bergen gibt es ganz andere Chancen: Da Kunstschnee auch für hohe Lagen über tausend Meter aufgrund von mangelnden Niederschlägen ein Thema wird, gehört der Wintertourismus in Bayern zwar auf lange Sicht sicher zu den Verlieren der Klimabilanz. Aber kürzere Winter bedeuten auch längere Sommer. Und wenn die Temperaturen im Mittelmeerraum zu hoch werden, was schon heute manchmal der Fall ist, dann werden kühlere bayerische Urlaubsorte vielleicht interessanter - sogar für Reisende aus südlichen Ländern, wie Wolfgang Seiler heute schon in Garmisch-Partenkirchen beobachtet.
"Also die Vorstellung von manchen Journalisten, dass da am Starnberger See die Palmen aus dem Boden wachsen und aus dem Boden sprießen, ist absolut hirnrissig, weil es im Winter immer noch so kalt sein wird, das solche Mittelmeervegetation keine Rolle spielt. Aber es wird sich sehr vieles verändern. Unsere Ökosysteme werden sich verändern und die landwirtschaftlichen Systeme werden sich verändern. Aber ich bin überzeugt, dass wir hier keine Katastrophe erleben werden - Klimaänderung ist keine Katastrophe, es ist eine Veränderung. Und wenn wir uns dementsprechend anpassen, dann ist das kein Problem. Nur: Ich bin der Auffassung, wir sollten unseren Nachkommen eine Welt hinterlassen, die wir genossen haben, die wir lieben, das wäre eigentlich mein großes Ziel."
Das Klima ist ein Patient mit erhöhten Temperaturen: Um der Krankheit zu begegnen, sind jedoch mehr Anstrengungen notwenig als reines Gottvertrauen - das weiß auch die bayerische Staatregierung und Umweltminister Werner Schnappauf.
Milliarden Kosten: Doch wie viel kostet der Klimawandel genau? In einem gewaltigen Gebäudekomplex an Münchens Flaniermeile, der Leopoldstraße, sucht Peter Höppe nach Antworten auf diese Frage. Der Meteorologe ist Leiter der Georisikoforschungsabteilung der Münchner Rückversicherungsgesellschaft. An den Börsen-Kursen der Aktiengesellschaft lassen sich auch extreme Klimaereignisse ablesen. Die Münchner Rück versichert andere Versicherungen gegen extreme Schäden. Sie besitzt eine der größten Datenbanken der Welt für Naturkatastrophen, rechnet Schadensprognosen in Bargeld um. Der Klimawandel ist dabei seit Anfang der siebziger Jahre ein Thema, aber erst seit etwa drei Jahren werden die Klimamodelle der Forscher auch verstärkt von den Kunden, von der Öffentlichkeit wahrgenommen.
Peter Höppe: "In Bayern sind es eher die Überschwemmungen, die zugenommen haben und für größere Schäden sorgen. Es sind die heißeren, trockneren Sommer, 2003 zum Beispiel, die wir in Zukunft häufiger erleben werden und die dazu führen, dass in der Landwirtschaft mehr bewässert werden muss oder die Ernten zurückgehen, dass die Flusspegel sinken und das Flusswasser so warm wird, dass es als Kühlwasser nicht mehr taugt, dass Kraftwerke ihren Betrieb unterbrechen müssen, dass Schäden entstehen wie jetzt in diesem Winter in der Skiindustrie, dass Lifte nicht in Betrieb genommen werden können, dass die Skiurlauber ausbleiben - das sind als Wirkungen, die jetzt speziell in Bayern festzustellen sind."
Das Klima ist träge: Was heute an Veränderungen sichtbar wird, sind die Folgen der 60er, 70er Jahre. Damals war der CO² Ausstoß in Bayern halb so hoch wie heute. Der Klimawandel ist nicht aufzuhalten, da sind sich Forscher einig. Aber um Schadensbegrenzung zu betreiben, muss heute investiert werden. Peter Höppe rechnet damit, dass sich die Kosten durch Unwetter in Bayern bis zum Jahr 2030 verzehnfachen werden:
"Bei den Überschwemmungen, die wir in der letzten Zeit in Bayern hatten, ist vor allem das Hochwasser 2005 im August zu nennen, als Eschenlohe ja wieder mal unter Wasser war. Die Schäden, die da entstanden sind, liegen etwa bei 200 Millionen Euro und die Versichertenschäden bei etwa 40 Millionen Euro. Auf der Versichertenseite haben wir natürlich auch höhere Versicherungsschäden, wenn sich mehr Menschen gegen solche Risiken sichern, aber es sollte der Schadensanfall proportional mit dem Prämieneinkommen steigen. Und in den letzten Jahrzehnten hat sich da eine Schere geöffnet, das heißt die Schäden sind schneller gestiegen als die Prämie."
Der bayerische Sommer wird in Zukunft heißer und trockener, der Winter feuchter und er kommt später. Niederschläge verteilen sich nicht mehr gleichmäßig über das ganze Jahr. Dadurch steigt die Gefahr von Unwettern, die zu Erdrutschen, Murenabgängen und Hochwasser führen. Der Hochwasserschutz ist deshalb ein Thema Nummer Eins im Flussreichen Bayern.
Wolfgang Seiler: "Global gesehen müssen wir rechnen, dass die Temperatur in den nächsten 30 Jahren noch einmal um etwa 1 Grad Celsius zunehmen wird, hier in Bayern wird die Klimaänderung etwa doppelt so schnell sein. Das ist auch das, was wir in der Vergangenheit beobachtet haben. Wir rechnen in den nächsten 30 Jahren im bayerischen Alpengebiet, im Voralpengebiet mit einem Temperaturzuwachs von zwei Grad Celsius. Und das ist genauso viel, wie in den letzten 120 Jahren beobachtet worden ist. Sie sehen daran, dass die Klimaerwärmung immer schneller erfolgt, sie läuft uns quasi weg. Und dementsprechend werden natürlich auch die Folgen immer umfangreicher."
Professor Wolfgang Seiler gilt als der Klimapapst in Bayern. Der Direktor des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung des Forschungszentrums Karlsruhe arbeitet in Garmisch-Partenkirchen, beobachtet seit Jahren die Temperaturschwankungen und das Wetter im Freistaat. Entscheidend ist dabei allerdings nicht allein der Temperaturanstieg, sondern die Veränderung der Niederschlagsmenge.
Wolfgang Seiler: "Wir hier in Bayern gehören eigentlich zu den Vorreitern, gerade was die Anpassungsstrategie angeht. Man ist sich schon bewusst, dass da in der Zukunft die Hochwassersituationen umfangreicher werden, intensiver werden und man versucht das jetzt abzufangen, indem man sagt: Alle Baumaßnahmen werden jetzt um 15 Prozent erhöht, erweitert, um diese zukünftigen Entwicklungen abfangen zu können."
Beispiel Eschenlohe: In dem kleinen Ort am Fuße der Zugspitze gab es in den letzten sechs Jahren ein Jahrhunderthochwasser und ein Jahrtausendhochwasser. Die Loisach verwandelte sich nach starken Regenfällen in einen reißenden Strom, der Millionenschäden verursachte. Dabei richtete die Jahrtausendflut 2005 weniger an als das Jahrhunderthochwasser, weil bereits in den Hochwasserschutz investiert wurde. Die bayerische Staatregierung hat daraus gelernt: Hochwasserschutz in Bayern wird mittlerweile staatlich aufgestockt - bis zum Jahr 2020 will der Freistaat 2,3 Milliarden Euro investieren. Umweltminister Werner Schappauf.
"Es gibt ja seit kurzem von Nikolas Stern die globale Einschätzung. Wir teilen diese, das jede Verzögerung im Klimaschutz teurer wird als heutiges Handeln. Wir haben deshalb unsere Hochwasserschutzanstrengungen nochmals forciert und geben allein in den drei Jahren von 2006 bis 2008 jetzt 450 Millionen Euro in den Hochwasserschutz, wobei ein Schwerpunkt liegt bei dem Hochwasserschutz der Wildbäche. Es ist unvorstellbar, wie aus einem 60 Zentimeter breiten Gewässer ein 60 Meter breiter Strom wird und alles vernichtet, was in seinem Einzugsbereich liegt. Deshalb wird der Schwerpunkt dieses Hochwasserschutzes auch und gerade im Alpenraum liegen."
Das sich Bayern so großzügig im Bezug auf Klimaschutz zeigt, hat vor allem etwas mit wirtschaftlichen Überlegungen zu tun. Nach Schätzungen des Deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts in Berlin werden die Kosten durch den Klimawandel in den nächsten 50 Jahren bis zu 800 Milliarden Euro betragen. Claudia Kemfert hat am Report des britischen Ökonomen Nicolas Stern mitgearbeitet. Die Kernaussage der Studie: Der Klimawandel kann langfristig zu einem Zusammenbruch der Weltwirtschaftssysteme führen. Auch unter gemäßigten Annahmen leitet die Professorin für Umweltökonomie hohe volkswirtschaftliche Schäden für Bayern daraus ab, nicht zuletzt weil die Temperaturerwärmung durch Treibhausgase wichtige Kernsektoren der Bayerischen Wirtschaft betrifft.
"Also es wird auf jeden Fall mehr Dürren geben, es wird Wasserknappheiten geben, es wird auch eine Veränderung in der Energieversorgung geben, gerade Bayern ist auch dadurch gekennzeichnet, das viele Kernkraftwerke am Netz sind, die werden in der Zukunft im Sommer Probleme bekommen, weil nicht genügend Kühlwasser vorhanden ist, so dass man hier auch eher die Solarenergie nutzen wird als die Kernenergie."
Hochwasser und Dürreperioden führen dazu, dass auch Wasserkraftwerke nicht mehr gleichmäßig über Jahr verteilt Energie gewinnen können. Kernkraftwerke und andere Industrieanlagen, die auf Kühlwasser angewiesen sind, haben bei einem Temperaturanstieg um zwei Grad ein ganz anderes Problem: Sie können ihre Kühlsysteme nicht mehr nutzen. Schon im Sommer 2003 und im vergangenen Jahr musste aus diesem Grund in Bayern die Leistung von Kernkraftwerken heruntergefahren werden.
Claudia Kemfert: "Politiker müssen es schaffen, eine Klimapolitik zu betreiben, die auch Emissionsminderung bedeutet, dass heißt, dass man in dem Bereich Energieversorgung, wo auch sehr viele Emissionen entstehen, diese ersetzt und innovative Technologien entwickelt. Auf der anderen Seite muss es auch darum gehen andere Bereiche mit einzubeziehen, wie zum Beispiel der Verkehrssektor, wo auch sehr viel große Emissionen auftreten. Dort müssen abgasarme Fahrzeuge entwickelt werden."
Wie in der gesamten Bundesrepublik ist der Ausstoß von CO²-Gasen, die als Verursacher für den Treibhauseffekt gelten, in den letzten Jahren auch im bayerischen Straßenverkehr eher gewachsen. Zwar ist der Ausstoß in Bayern mit 6,8 Tonnen pro Kopf und Jahr im Vergleich zu anderen Bundesländer noch mit am niedrigsten, allerdings ist das nicht unbedingt auf die Bemühungen der Industrie zurückzuführen, das bestätigt auch der Minister.
Werner Schnappauf: "Das bayerische Automobilunternehmen Audi beispielsweise setzt auf Sandfuel, einen synthetischen Kraftstoff. Der bayerische Automobilbauer BMW wird in diesem Jahr ein Wasserstoffhybridfahrzeug auf den Markt bringen. Wir sehen in diesen Ansätzen zukunftsweisende Wege, aber es muss mehr getan werden, es muss schneller und intensiver an dieses Thema heran, denn die Klimaerwärmung galoppiert im Moment schneller als die Anstrengungen in der Wirtschaft, auch im Verkehrsbereich, sind dem zu begegnen."
Geht es nach dem Willen des Bayerischen Umweltministers, soll der Schadstoffausstoß bis zum Jahr 2010 noch einmal um etwa ein Prozent gesenkt werden. Ein Umweltpakt der Staatsregierung mit der Bayrischen Wirtschaft soll in Zukunft einen Beimischungszwang für Biokraftstoffe erwirken, durch den sich der Kohlendioxidausstoß reduziert. Die Münchner Schickeria steuert hybriden Zeiten entgegen.
Werner Schnappauf: "Es muss schick werden, über die Münchner Leopoldstraße mit einem Hybridfahrzeug zu flanieren, anstatt mit einem schweren allradbetrieben Geländewagen mitten in der Stadt. Wir brauchen Meinungsführer, die deutlich machen, dass es zum Lifestyle des 21 Jahrhunderts gehört, sich klimaverträglich zu verhalten."
Auf den landwirtschaftlichen Versuchflächen der Agrar-Meteorologen im bayerischen Weihenstephan regnet es nicht richtig: Mal zuviel, mal zuwenig und nicht immer zur erforderlichen Zeit. Die Witterung, das Wachstum landwirtschaftlicher Nutzpflanzen, die Ausbreitung von Schädlingen, oder Pilzkrankheiten und vor allem die Bodenfeuchtigkeit - das alles sind Themen, die hier seit Jahren zum Wohle der starken bayerischen Landwirtschaft untersucht werden. Harald Maier ist Leiter der Agrarmeteorologischen Niederlassung des deutschen Wetterdienstes in Weihenstephaner Wissenschaftszentrum.
"Das ist absolut so, dass man jetzt gegensteuern muss. Es ist höchste Zeit, denn Temperaturanstiege von 1 bis maximal 2 Grad kann man vielleicht noch ertragen, aber Temperaturen über 2 Grad führen zu starken Konsequenzen für die Landwirtschaft, führen nicht nur zu Schäden an den Pflanzen, sondern auch dazu, dass sehr viel Kohlenstoff am Boden aufgebaut wird und sich damit die Erwärmung noch mal verstärkt."
Gerade Standorte in Bayern, die heute schon unter Trockenheit leiden, werden in Zukunft stärker betroffen. Während die Ober- und Niederbayerischen Landwirte dank ihrer Feuchtigkeitsspeichernden Lösböden auch in Zukunft noch hoffen dürfen, müssen sich die Franken auf große Dürreperioden einstellen. Schon im vergangenen Jahr hatten bayerische Landwirte Ernteausfälle in Höhe von 10 bis 15 Prozent.
Harald Maier: "Die Landwirte werden sich daran gewöhnen müssen, dass Aussaattermine, die bisher als normal gegolten haben, in Zukunft nicht mehr so ohne weiteres angewendet werden können. Man wird nachdenken müssen über wassersparende, erosionsmindernde Verfahren, man wird einen höheren Aufwand betreiben müssen für die Schädlingsbekämpfung, dagegen wird der Aufwand für die Bekämpfung pilzlicher Schaderreger zurück gehen, denn die fühlen sich bei hoher Temperatur und geringer Luftfeuchtigkeit nicht so wohl. Die Unkrautbekämpfung wird auch schwieriger werden, weil Bodenwirkstoffe auf trockenem Boden nicht wirken."
Die Landwirtschaft hat - neben vielen Nachteilen - aber grundsätzlich einen großen Vorteil - weshalb Klimaforscher wie Wolfgang Seiler reformfreudige, flexible Landwirte auch auf der Gewinnerseite sehen.
"Ich bin der felsenfesten Meinung, dass in der Zukunft immer mehr Landwirte eben nicht mehr Nahrungsmittel produzieren, sondern Biomasse produzieren, um daraus Energie zu gewinnen."
In den Bergen gibt es ganz andere Chancen: Da Kunstschnee auch für hohe Lagen über tausend Meter aufgrund von mangelnden Niederschlägen ein Thema wird, gehört der Wintertourismus in Bayern zwar auf lange Sicht sicher zu den Verlieren der Klimabilanz. Aber kürzere Winter bedeuten auch längere Sommer. Und wenn die Temperaturen im Mittelmeerraum zu hoch werden, was schon heute manchmal der Fall ist, dann werden kühlere bayerische Urlaubsorte vielleicht interessanter - sogar für Reisende aus südlichen Ländern, wie Wolfgang Seiler heute schon in Garmisch-Partenkirchen beobachtet.
"Also die Vorstellung von manchen Journalisten, dass da am Starnberger See die Palmen aus dem Boden wachsen und aus dem Boden sprießen, ist absolut hirnrissig, weil es im Winter immer noch so kalt sein wird, das solche Mittelmeervegetation keine Rolle spielt. Aber es wird sich sehr vieles verändern. Unsere Ökosysteme werden sich verändern und die landwirtschaftlichen Systeme werden sich verändern. Aber ich bin überzeugt, dass wir hier keine Katastrophe erleben werden - Klimaänderung ist keine Katastrophe, es ist eine Veränderung. Und wenn wir uns dementsprechend anpassen, dann ist das kein Problem. Nur: Ich bin der Auffassung, wir sollten unseren Nachkommen eine Welt hinterlassen, die wir genossen haben, die wir lieben, das wäre eigentlich mein großes Ziel."

August 2005: Das Donauhochwasser schlängelt sich am Kloster Weltenburg in Bayern vorbei.© AP

Auspuffabgase eines PKW© AP