"Das war schon der Abgesang auf die Hippiewelle"
Im August 1969 zog eine halbe Million junger Menschen in einen kleinen Ort im Bundesstaat New York, um drei Tage lang "love, peace and understanding" zu zelebrieren: Woodstock. Der Höhepunkt der Hippie-Bewegung war da schon längst vorbei, meint der Journalist Uwe Wohlmacher.
Von Billerbeck: Unverkennbar war das Jimi Hendrix mit "Star Spangled Banner", gespielt und zerstört von ihm, Woodstock, vor 40 Jahren hat es stattgefunden. Darüber wollen wir hier in einer zehnteiligen Serie im Radiofeuilleton sprechen. Uwe Wohlmacher ist mein Kollege, der in die Tiefen von Woodstock eingetaucht ist, zuerst: Woodstock war gar nicht ein Woodstock - wie das?
Uwe Wohlmacher: Ja, ganz interessant, es sollte ja in Woodstock stattfinden, dieser berühmten und landesweit bekannten Künstlerkolonie im US-Bundesstaat New York. Man hatte dann auch schon einen Vertrag mit einem Bauern abgehandelt, der einen Acker zur Verfügung stellte und dann gab es riesige Proteste aus der Gemeinde, die wollten nicht, dass nun das kleine Kaff da von Hippies überflutet wird, und man musste dann einfach nach einem neuen Platz suchen. Den fand man dann auch, in Wallkill, das ist ungefähr 30 Kilometer unterhalb von Woodstock, und da war gleich das gleiche Spiel, wieder Vertrag, wieder der Ärger, sogar der damalige Gouverneur des Bundesstaates, Rockefeller, schaltete sich ein, rief den Bauern persönlich an und drohte ihm, er sagte, du musst unbedingt diesen Vertrag lösen, das kommt überhaupt nicht in Frage. Und dann musste man wieder weiterziehen und fand dann 75 Kilometer von Woodstock entfernt, mehr in westliche Richtung, wieder einen Bauern und der ließ sich da auch das nicht nehmen. Das war eine winzige Gemeinde, 2500 Einwohner, Bethel, und da fand es dann endgültig statt.
Von Billerbeck: Warum blieb aber nun der Name Woodstock erhalten?
Wohlmacher: Wallkill, muss man dazwischen sagen, da hatte man sich eigentlich auch mit dem Namen angefreundet, das stand auch dann wohl ein paar Wochen lang, da hatte man sogar ein Plakat schon entwerfen lassen, man hatte Eintrittskarten drucken lassen mit dem Namen des Veranstaltungsortes, hatte 70.000 Karten verkauft und dann musste man das erst lösen. Man hatte also zudem auch noch das Problem, dass man sozusagen die 70.000, die ersten, die diese Karten hatten, wieder umleiten musste, also ein Chaos hoch drei. Aber, wichtig, dass diese Umzüge insgesamt ungefähr 500.000 Dollar alleine kosteten schon.
Von Billerbeck: Also, man ist dann bei dem Namen geblieben, ...
Wohlmacher: ... weil diese Stadt Woodstock oder dieses kleine Städtchen, muss man sagen, ziemlich bekannt war, landesweit, und damit wollte man werben, da lebte damals Bob Dylan, Grateful Dead, Tim Hardin, ganz große Legenden schon zu der Zeit, und das wollte man nutzen.
Von Billerbeck: Wer hatte denn nun eigentlich die Idee für dieses Festival?
Wohlmacher: Das waren zwei junge, ja, relativ unerfahrene Manager, das war Michael Lang und Artie Kornfeld, 26 Jahre alt, die hatten die Idee, nach Woodstock zu gehen, weil eben dort so berühmte Musiker lebten, um ein Studio aufzumachen und damit richtig Kohle zu machen.
Von Billerbeck: Aber das Geld hatten sie nicht, das brauchten sie von anderen?
Wohlmacher: Ganz genau. Wie kommt man an Geld? Sie hatten keins und überlegten sich, ach, lass uns einfach ein paar Konzerte machen oder besser gleich ein ganzes Festival. Und genau in dieser Situation lasen sie eine Anzeige im Wall Street Journal, wo zwei relativ bekannte, relativ reiche Jungunternehmer Investitionsmöglichkeiten suchten, und da fand man sich zusammen. Die hatten 500.000 Dollar dann eingebracht, man hatte eine Firma gegründet und dann ging es los.
Von Billerbeck: Wir werden hören, ob sich deren Renditewunsch dann am Ende erfüllt hat, aber Woodstock gilt ja als das große Festival von love, peace and understanding. Stimmt das, wenn Sie das mal kurz zusammenfassen würden?
Wohlmacher: Das würde ich schon so nicht mehr sehen, denn die wirkliche Hippiezeit, der Höhepunkt war 1967, da fand ja auch schon ein Festival statt, das relativ bekannt ist, in Monterey in der Nähe von San Francisco und Los Angeles und eigentlich unter gleichen Verhältnissen. Da war Sonnenschein, da war kein Regen, das ist eigentlich ganz wunderbar abgelaufen, ohne Probleme, es gab auch einen Film, aber der hat damals relativ wenig ausgelöst und es gab auch einen Mitschnitt, das hat auch nicht viel verkauft, also insofern ist das ein bisschen blass geblieben.
Von Billerbeck: Trotzdem sind ja in Woodstock eine Menge Größen aufgetreten, Carlos Santana beispielsweise.
Wohlmacher: Stimmt, ja, Carlos Santana war sicherlich musikalisch einer der Höhepunkte, es gab auch ein paar Flops, aber der war einer, der die Chance genutzt hat. Der war total unbekannt vorher, hat auch nur 2200 Dollar bekommen für seinen Auftritt, aber einen Tag später war er im Grunde weltbekannt, und den hören wir jetzt einfach mal.
(Musikeinspielung)
Von Billerbeck: "Soul sacrifice" war das, Carlos Santana. Um zu verstehen, wie es eigentlich zu diesem Festival kam und warum das so eine Sogwirkung entfaltet hat, da müssen wir eigentlich noch ein bisschen zurückgehen und uns erinnern, in welchem gesellschaftlichen Umfeld Woodstock eigentlich damals stattfand, Ende der 60er Jahre.
Wohlmacher: Na ja, wie gesagt, es gab ja die Hippiebewegung, die haben wir ja schon erwähnt, die ja eigentlich '67 mit Height Ashbury ihren Höhepunkt fand in San Francisco, galt so in der Zeit noch so als das ganz große Mekka der Bewegung. Damals war das alles noch ziemlich friedlich, mit Blümchen, man wollte love, peace und Frieden und so weiter, und das politisierte sich ja langsam auch, lag natürlich auch an den gesellschaftlichen Entwicklungen: Wir hatten Vietnam, das wurde ja immer desaströser für Amerika, es gab immer noch schwere Rassenkrawalle in den USA, die ersten Studentenunruhen, also man politisierte sich in der Jugendbewegung.
Es gab ja neben den Hippies noch eine andere große Bewegung, die sich politisiert hatte mit dem Sprecher Abbie Hoffman, der ja auch in Woodstock eine etwas unrühmliche Rolle spielte und dort unbedingt seinen Auftritt haben wollte, mitten im kleinen Auftritt von den "Who" wollte er unbedingt auf die Bühne und erzählen, wie wichtig ihm Politik ist und so was, wollte aber zu der Zeit eben keiner hören. Das war eigentlich schon der Abgesang auf die Hippiewelle.
Wir erinnern uns noch, dass der Film "Easy Rider" in die Kinos kam '69, der ja eigentlich auch schon sehr, sehr, sehr bitter war für Amerika auch eigentlich in der Aussage, der Film von Peter Fonda und Dennis Hopper. Und in diesem ganzen Umfeld wollte man noch mal wahrscheinlich so diese ganze Hippiebewegung nutzen und ein ganz großes Festival veranstalten, denn die Veranstalter waren ja relativ, ja, naive Jungs eigentlich, die auch wenig Erfahrung hatten mit Konzerten, aber eigentlich war diese ganze Veranstaltung schon zu spät, wenn man so will. Ein halbes Jahr später fand Altamont statt, das ist ja auch ziemlich bekannt so als Abgesang einer ganzen Generation, eines Jahrzehnts, das berühmte Konzert in Kalifornien der Rolling Stones, wo dann ja auch Leute zu Tode gekommen sind.
Aber wie gesagt, man wollte einfach noch mal wahrscheinlich sich als große Hippiebewegung feiern und so fing es ja auch musikalisch an, mit Richie Havens und "Freedom", also eine akustische, folkloristische Hippiehymne, die Hendrix - und das ist ja eigentlich auch ein ganz tolles Bild - am Ende dann ja zerschredderte mit seiner hochelektrifizierten Version der amerikanischen Nationalhymne. Insofern ist das ganze Festival in sich auch einfach mit dem Anfang der Hippiebewegung und dem Ende eigentlich auch musikalisch zu sehen und den Richie Havens hören wir uns an.
(Musikeinspielung)
Von Billerbeck: Richie Havens war das mit "Freedom", sozusagen die Hymne von Woodstock. Nun war ja Woodstock nicht das erste Festival in dieser Zeit, das es gegeben hat, also großes Festival, es gab Monterey, hatten sie erwähnt, 67, und Altamont.
Wohlmacher: ... war danach, aber dazwischen gab es vorher noch eine ganze Kette von, interessanterweise, von denen eigentlich nichts mehr bekannt ist, also insofern, viele Leute denken, Woodstock war vielleicht sogar das erste, wenn sie vielleicht noch Monterey kennen und denken, na ja, gut, das war dann das zweite große. Weit gefehlt, es gab nach '67 vier große Festivals, in Miami zwei, Atlanta und noch eins, nein, zwei Mal Miami, in Altanta und in Texas gab es noch eins, wie gesagt, noch ein weiteres, wo zum Teil die gleichen Bands spielten, wo bis zu 100.000 Zuschauer waren, aber da regnete es eben nicht. Es gab keine Mitschnitte, also insofern weiß da auch niemand groß was von vielleicht außerhalb von den USA, und die wurden nicht groß beworben, das ist auch ein ganz wichtiger Punkt, sondern eher nur so lokal in den jeweiligen Bundesstaaten.
Von Billerbeck: Was machte denn die Sogwirkung von Woodstock aus und welche Bedeutung hatte das musikalisch, das ist ja auch mal entscheidend?
Wohlmacher: Na, einmal wurden die Zuschauerzahlen immer größer von Festival zu Festival, das ist wie bei der Loveparade sozusagen in neuerer Zeit, wo sich das einfach immer weiter gesteigert hat. Und wie gesagt, der Unterschied ist, die ersten Festivals wurden nicht landesweit beworben, anders bei Woodstock, die haben wirklich so das erste Mal richtig wirklich landesweit geworben. Die haben auch die Underground-Zeitungen, die damals eine wichtige Rolle spielten rund um die Universitäten, ins Boot bekommen, also eigentlich schon da, quer durch die USA, wurde geworben für dieses Festival, und dann bekam man ja Warner mit ins Boot, ganz wichtig. Man bot denen an, dass sie doch endlich da mal irgendwie auch einsteigen sollten in dieses große Hippiegeschäft, wo viel Geld zu machen war, um einen Mitschnitt zu machen und vielleicht ja auch einen Film, das allerdings erst drei Tage vorher. Aber als Warner eingestiegen war für 100.000 Dollar, klägliche, die haben natürlich dann danach noch große Gewinne eingestrichen, haben die natürlich dann auch noch angefangen mit Werbung. Und als dann so die ersten 50.000, 100.000 kamen stiegen auch die Medien groß ein, das heißt, im Fernsehen wurde landesweit berichtet, also insofern hat sich das immer weiter hochgeschaukelt, insofern liefen immer mehr Leute los von irgendwoher.
Von Billerbeck: Wie haben die Medien eigentlich reagiert auf diese Idee des Festivals, also, welche Rolle spielten die als Begleitmusik?
Wohlmacher: Damals war das natürlich alles noch sehr strange für die Leute, ganz klar, das war noch irgendwie weit außerhalb vom Mainstream. Das waren die langhaarigen Hippies und man wunderte sich einfach irgendwie, dass die da überhaupt irgendwas zustande brachten, und anfangs war man da sehr skeptisch über das Ganze, vor allem natürlich auch in den Gegenden, wo das stattfand, wo man dann ratlos sah, dass da plötzlich zig Zehntausende, Hunderttausende Hippies, ungewaschene, ankamen, die hatten natürlich Angst, verbarrikadierten sich zum Teil, andere waren cleverer und haben angefangen, da Dinge zu verkaufen, weil sie auch merkten, dass das alles völlig unvorbereitet war. Es gab ja kaum was zu Essen da auf dem Gelände, und wenn es was zu essen gab, dann wurden die Hamburger für 20 Dollar verkauft und wenn man weiß, dass damals der Dollar noch vier D-Mark wert war, ...
Von Billerbeck: ... dann war das ein teurer Spaß.
Wohlmacher: ... dann ist das schon ganz kritisch zu sehen, weil es aus der eigenen Szene kam, also, es ging im Grunde wirklich nur um Geldverdienen und nicht, um da ein friedliches, schönes Fest zu feiern.
Von Billerbeck: Wer hat denn eigentlich an Woodstock verdient und wer hat verloren?
Wohlmacher: Die Veranstalter haben damit kein großes Geld gemacht, die sind dann plus minus null endlich raus, nachdem sie Warner mehr oder weniger ausgezahlt hat, die hatten 2,7 Millionen Dollar Ausgaben bei 1,4 Millionen Einnahmen nur. Also, insofern weiß man da ungefähr, was passiert ist. Ich hatte ja vorhin schon erwähnt, 500.000 Dollar sind allein wegen der Umzüge draufgegangen und jede Menge Geld, also, an irgendwelche Leute ... Der Max Yasgur, der das Feld zur Verfügung stellte, bekam 125.000 Dollar, Abbie Hoffman, der die Veranstalter erpresst hat, der hat einfach 10.000 Dollar verlangt, Stillhaltegeld, sonst würde er das Festival mit seinen politisierten Jungs irgendwie auch unterbrechen und zerstören. Es gab einen Spion der Gemeindeverwaltung in Bethel, der einfach mal 8000 Dollar irgendwie bekam, um mal zu hören, ob irgendwas vorgeht in der Gemeindeverwaltung, ob das alles klar geht, also, die haben einfach mit Geld um sich geschmissen, weil sie auch keinen großen Überblick hatten.
Die Musiker wurden allerdings zum Teil sehr gering bezahlt. Melanie bekam, glaube ich, irgendwie 750 Dollar überhaupt nur, die große Ikone, die auch meiner Ansicht nach einen schlechten Auftritt hatte, davon mal abgesehen, Santana, den kein Mensch kannte, 2250 Dollar, am nächsten Tag war er natürlich das Zehnfache wert, Jimi Hendrix hat am meisten bekommen mit 18.000 Dollar, obwohl der auch schon deutlich wertvoller war. Warner hat das große Geld gemacht, denn sie haben dann die Veranstalter ausgezahlt, haben alle Reche am Film und an den Platten, ...
Von Billerbeck: ... und das konnte man ja vermarkten über die Jahre.
Wohlmacher: Und man rechnet hoch ungefähr, dass die 500, 600 Millionen Dollar gemacht haben seitdem. Also insofern, für die war das einträglich und ich denke mal, die werden den Mythos auch weiter hochhalten, indem sie sagen, das große Hippiefestival und das war doch eine dolle Veranstaltung und dass da groß geregnet hat, drei Tote gab, über 6000 Leute, die mit Drogen große Probleme hatten, zum Teil ausgeflogen werden mussten, also darüber redet ja kaum noch jemand.
Von Billerbeck: Über all das und was musikalisch in Woodstock passiert, werden wir in den nächsten zehn Tagen sprechen. Kurze Frage noch: Wer hat denn trotz Angebot nicht gespielt?
Wohlmacher: Oh, da gab es eine Menge. Die Beatles hatten das Angebot, aber die waren schon in der Auflösung begriffen, da hat man dann gesagt, na gut, Lennon hat gesagt, wenn Yoko Ono mit auftreten darf, ja, dann hat man das abgelehnt. Die Doors sollten spielen, der Veranstalter wollte nicht, Jim Morrison wollte nicht vor so vielen Menschen auftreten, Led Zeppelin sollten spielen, da sagte der Veranstalter auch, meine Band als einzige, ansonsten, das geht gar nicht. Es gab viele Bands, die sollten, aber nicht wollten.
Von Billerbeck: Und eine, die auch nicht gespielt hat, aber deren Song dort gelaufen ist, ...
Wohlmacher: Richtig, interessanterweise, die saßen in New York im Hotel, hat das am Fernsehen beobachtet, ihr Manager David Geffen, die große Geschäftsikone, der hat es verhindert und gesagt, nein, nein, meine Joni, die spielt nicht bei diesen ungewaschenen Hippies, das wollen wir nicht, aber ...
Von Billerbeck: Joni Mitchell ist gemeint.
Wohlmacher: Joni Mitchell, aber sie komponierte einen Song, den dann Crosby, Stills and Nash dann vertonten und damit einen großen Hit hatten und die spielten immerhin in Woodstock.
((Musikeinspielung))
Uwe Wohlmacher: Ja, ganz interessant, es sollte ja in Woodstock stattfinden, dieser berühmten und landesweit bekannten Künstlerkolonie im US-Bundesstaat New York. Man hatte dann auch schon einen Vertrag mit einem Bauern abgehandelt, der einen Acker zur Verfügung stellte und dann gab es riesige Proteste aus der Gemeinde, die wollten nicht, dass nun das kleine Kaff da von Hippies überflutet wird, und man musste dann einfach nach einem neuen Platz suchen. Den fand man dann auch, in Wallkill, das ist ungefähr 30 Kilometer unterhalb von Woodstock, und da war gleich das gleiche Spiel, wieder Vertrag, wieder der Ärger, sogar der damalige Gouverneur des Bundesstaates, Rockefeller, schaltete sich ein, rief den Bauern persönlich an und drohte ihm, er sagte, du musst unbedingt diesen Vertrag lösen, das kommt überhaupt nicht in Frage. Und dann musste man wieder weiterziehen und fand dann 75 Kilometer von Woodstock entfernt, mehr in westliche Richtung, wieder einen Bauern und der ließ sich da auch das nicht nehmen. Das war eine winzige Gemeinde, 2500 Einwohner, Bethel, und da fand es dann endgültig statt.
Von Billerbeck: Warum blieb aber nun der Name Woodstock erhalten?
Wohlmacher: Wallkill, muss man dazwischen sagen, da hatte man sich eigentlich auch mit dem Namen angefreundet, das stand auch dann wohl ein paar Wochen lang, da hatte man sogar ein Plakat schon entwerfen lassen, man hatte Eintrittskarten drucken lassen mit dem Namen des Veranstaltungsortes, hatte 70.000 Karten verkauft und dann musste man das erst lösen. Man hatte also zudem auch noch das Problem, dass man sozusagen die 70.000, die ersten, die diese Karten hatten, wieder umleiten musste, also ein Chaos hoch drei. Aber, wichtig, dass diese Umzüge insgesamt ungefähr 500.000 Dollar alleine kosteten schon.
Von Billerbeck: Also, man ist dann bei dem Namen geblieben, ...
Wohlmacher: ... weil diese Stadt Woodstock oder dieses kleine Städtchen, muss man sagen, ziemlich bekannt war, landesweit, und damit wollte man werben, da lebte damals Bob Dylan, Grateful Dead, Tim Hardin, ganz große Legenden schon zu der Zeit, und das wollte man nutzen.
Von Billerbeck: Wer hatte denn nun eigentlich die Idee für dieses Festival?
Wohlmacher: Das waren zwei junge, ja, relativ unerfahrene Manager, das war Michael Lang und Artie Kornfeld, 26 Jahre alt, die hatten die Idee, nach Woodstock zu gehen, weil eben dort so berühmte Musiker lebten, um ein Studio aufzumachen und damit richtig Kohle zu machen.
Von Billerbeck: Aber das Geld hatten sie nicht, das brauchten sie von anderen?
Wohlmacher: Ganz genau. Wie kommt man an Geld? Sie hatten keins und überlegten sich, ach, lass uns einfach ein paar Konzerte machen oder besser gleich ein ganzes Festival. Und genau in dieser Situation lasen sie eine Anzeige im Wall Street Journal, wo zwei relativ bekannte, relativ reiche Jungunternehmer Investitionsmöglichkeiten suchten, und da fand man sich zusammen. Die hatten 500.000 Dollar dann eingebracht, man hatte eine Firma gegründet und dann ging es los.
Von Billerbeck: Wir werden hören, ob sich deren Renditewunsch dann am Ende erfüllt hat, aber Woodstock gilt ja als das große Festival von love, peace and understanding. Stimmt das, wenn Sie das mal kurz zusammenfassen würden?
Wohlmacher: Das würde ich schon so nicht mehr sehen, denn die wirkliche Hippiezeit, der Höhepunkt war 1967, da fand ja auch schon ein Festival statt, das relativ bekannt ist, in Monterey in der Nähe von San Francisco und Los Angeles und eigentlich unter gleichen Verhältnissen. Da war Sonnenschein, da war kein Regen, das ist eigentlich ganz wunderbar abgelaufen, ohne Probleme, es gab auch einen Film, aber der hat damals relativ wenig ausgelöst und es gab auch einen Mitschnitt, das hat auch nicht viel verkauft, also insofern ist das ein bisschen blass geblieben.
Von Billerbeck: Trotzdem sind ja in Woodstock eine Menge Größen aufgetreten, Carlos Santana beispielsweise.
Wohlmacher: Stimmt, ja, Carlos Santana war sicherlich musikalisch einer der Höhepunkte, es gab auch ein paar Flops, aber der war einer, der die Chance genutzt hat. Der war total unbekannt vorher, hat auch nur 2200 Dollar bekommen für seinen Auftritt, aber einen Tag später war er im Grunde weltbekannt, und den hören wir jetzt einfach mal.
(Musikeinspielung)
Von Billerbeck: "Soul sacrifice" war das, Carlos Santana. Um zu verstehen, wie es eigentlich zu diesem Festival kam und warum das so eine Sogwirkung entfaltet hat, da müssen wir eigentlich noch ein bisschen zurückgehen und uns erinnern, in welchem gesellschaftlichen Umfeld Woodstock eigentlich damals stattfand, Ende der 60er Jahre.
Wohlmacher: Na ja, wie gesagt, es gab ja die Hippiebewegung, die haben wir ja schon erwähnt, die ja eigentlich '67 mit Height Ashbury ihren Höhepunkt fand in San Francisco, galt so in der Zeit noch so als das ganz große Mekka der Bewegung. Damals war das alles noch ziemlich friedlich, mit Blümchen, man wollte love, peace und Frieden und so weiter, und das politisierte sich ja langsam auch, lag natürlich auch an den gesellschaftlichen Entwicklungen: Wir hatten Vietnam, das wurde ja immer desaströser für Amerika, es gab immer noch schwere Rassenkrawalle in den USA, die ersten Studentenunruhen, also man politisierte sich in der Jugendbewegung.
Es gab ja neben den Hippies noch eine andere große Bewegung, die sich politisiert hatte mit dem Sprecher Abbie Hoffman, der ja auch in Woodstock eine etwas unrühmliche Rolle spielte und dort unbedingt seinen Auftritt haben wollte, mitten im kleinen Auftritt von den "Who" wollte er unbedingt auf die Bühne und erzählen, wie wichtig ihm Politik ist und so was, wollte aber zu der Zeit eben keiner hören. Das war eigentlich schon der Abgesang auf die Hippiewelle.
Wir erinnern uns noch, dass der Film "Easy Rider" in die Kinos kam '69, der ja eigentlich auch schon sehr, sehr, sehr bitter war für Amerika auch eigentlich in der Aussage, der Film von Peter Fonda und Dennis Hopper. Und in diesem ganzen Umfeld wollte man noch mal wahrscheinlich so diese ganze Hippiebewegung nutzen und ein ganz großes Festival veranstalten, denn die Veranstalter waren ja relativ, ja, naive Jungs eigentlich, die auch wenig Erfahrung hatten mit Konzerten, aber eigentlich war diese ganze Veranstaltung schon zu spät, wenn man so will. Ein halbes Jahr später fand Altamont statt, das ist ja auch ziemlich bekannt so als Abgesang einer ganzen Generation, eines Jahrzehnts, das berühmte Konzert in Kalifornien der Rolling Stones, wo dann ja auch Leute zu Tode gekommen sind.
Aber wie gesagt, man wollte einfach noch mal wahrscheinlich sich als große Hippiebewegung feiern und so fing es ja auch musikalisch an, mit Richie Havens und "Freedom", also eine akustische, folkloristische Hippiehymne, die Hendrix - und das ist ja eigentlich auch ein ganz tolles Bild - am Ende dann ja zerschredderte mit seiner hochelektrifizierten Version der amerikanischen Nationalhymne. Insofern ist das ganze Festival in sich auch einfach mit dem Anfang der Hippiebewegung und dem Ende eigentlich auch musikalisch zu sehen und den Richie Havens hören wir uns an.
(Musikeinspielung)
Von Billerbeck: Richie Havens war das mit "Freedom", sozusagen die Hymne von Woodstock. Nun war ja Woodstock nicht das erste Festival in dieser Zeit, das es gegeben hat, also großes Festival, es gab Monterey, hatten sie erwähnt, 67, und Altamont.
Wohlmacher: ... war danach, aber dazwischen gab es vorher noch eine ganze Kette von, interessanterweise, von denen eigentlich nichts mehr bekannt ist, also insofern, viele Leute denken, Woodstock war vielleicht sogar das erste, wenn sie vielleicht noch Monterey kennen und denken, na ja, gut, das war dann das zweite große. Weit gefehlt, es gab nach '67 vier große Festivals, in Miami zwei, Atlanta und noch eins, nein, zwei Mal Miami, in Altanta und in Texas gab es noch eins, wie gesagt, noch ein weiteres, wo zum Teil die gleichen Bands spielten, wo bis zu 100.000 Zuschauer waren, aber da regnete es eben nicht. Es gab keine Mitschnitte, also insofern weiß da auch niemand groß was von vielleicht außerhalb von den USA, und die wurden nicht groß beworben, das ist auch ein ganz wichtiger Punkt, sondern eher nur so lokal in den jeweiligen Bundesstaaten.
Von Billerbeck: Was machte denn die Sogwirkung von Woodstock aus und welche Bedeutung hatte das musikalisch, das ist ja auch mal entscheidend?
Wohlmacher: Na, einmal wurden die Zuschauerzahlen immer größer von Festival zu Festival, das ist wie bei der Loveparade sozusagen in neuerer Zeit, wo sich das einfach immer weiter gesteigert hat. Und wie gesagt, der Unterschied ist, die ersten Festivals wurden nicht landesweit beworben, anders bei Woodstock, die haben wirklich so das erste Mal richtig wirklich landesweit geworben. Die haben auch die Underground-Zeitungen, die damals eine wichtige Rolle spielten rund um die Universitäten, ins Boot bekommen, also eigentlich schon da, quer durch die USA, wurde geworben für dieses Festival, und dann bekam man ja Warner mit ins Boot, ganz wichtig. Man bot denen an, dass sie doch endlich da mal irgendwie auch einsteigen sollten in dieses große Hippiegeschäft, wo viel Geld zu machen war, um einen Mitschnitt zu machen und vielleicht ja auch einen Film, das allerdings erst drei Tage vorher. Aber als Warner eingestiegen war für 100.000 Dollar, klägliche, die haben natürlich dann danach noch große Gewinne eingestrichen, haben die natürlich dann auch noch angefangen mit Werbung. Und als dann so die ersten 50.000, 100.000 kamen stiegen auch die Medien groß ein, das heißt, im Fernsehen wurde landesweit berichtet, also insofern hat sich das immer weiter hochgeschaukelt, insofern liefen immer mehr Leute los von irgendwoher.
Von Billerbeck: Wie haben die Medien eigentlich reagiert auf diese Idee des Festivals, also, welche Rolle spielten die als Begleitmusik?
Wohlmacher: Damals war das natürlich alles noch sehr strange für die Leute, ganz klar, das war noch irgendwie weit außerhalb vom Mainstream. Das waren die langhaarigen Hippies und man wunderte sich einfach irgendwie, dass die da überhaupt irgendwas zustande brachten, und anfangs war man da sehr skeptisch über das Ganze, vor allem natürlich auch in den Gegenden, wo das stattfand, wo man dann ratlos sah, dass da plötzlich zig Zehntausende, Hunderttausende Hippies, ungewaschene, ankamen, die hatten natürlich Angst, verbarrikadierten sich zum Teil, andere waren cleverer und haben angefangen, da Dinge zu verkaufen, weil sie auch merkten, dass das alles völlig unvorbereitet war. Es gab ja kaum was zu Essen da auf dem Gelände, und wenn es was zu essen gab, dann wurden die Hamburger für 20 Dollar verkauft und wenn man weiß, dass damals der Dollar noch vier D-Mark wert war, ...
Von Billerbeck: ... dann war das ein teurer Spaß.
Wohlmacher: ... dann ist das schon ganz kritisch zu sehen, weil es aus der eigenen Szene kam, also, es ging im Grunde wirklich nur um Geldverdienen und nicht, um da ein friedliches, schönes Fest zu feiern.
Von Billerbeck: Wer hat denn eigentlich an Woodstock verdient und wer hat verloren?
Wohlmacher: Die Veranstalter haben damit kein großes Geld gemacht, die sind dann plus minus null endlich raus, nachdem sie Warner mehr oder weniger ausgezahlt hat, die hatten 2,7 Millionen Dollar Ausgaben bei 1,4 Millionen Einnahmen nur. Also, insofern weiß man da ungefähr, was passiert ist. Ich hatte ja vorhin schon erwähnt, 500.000 Dollar sind allein wegen der Umzüge draufgegangen und jede Menge Geld, also, an irgendwelche Leute ... Der Max Yasgur, der das Feld zur Verfügung stellte, bekam 125.000 Dollar, Abbie Hoffman, der die Veranstalter erpresst hat, der hat einfach 10.000 Dollar verlangt, Stillhaltegeld, sonst würde er das Festival mit seinen politisierten Jungs irgendwie auch unterbrechen und zerstören. Es gab einen Spion der Gemeindeverwaltung in Bethel, der einfach mal 8000 Dollar irgendwie bekam, um mal zu hören, ob irgendwas vorgeht in der Gemeindeverwaltung, ob das alles klar geht, also, die haben einfach mit Geld um sich geschmissen, weil sie auch keinen großen Überblick hatten.
Die Musiker wurden allerdings zum Teil sehr gering bezahlt. Melanie bekam, glaube ich, irgendwie 750 Dollar überhaupt nur, die große Ikone, die auch meiner Ansicht nach einen schlechten Auftritt hatte, davon mal abgesehen, Santana, den kein Mensch kannte, 2250 Dollar, am nächsten Tag war er natürlich das Zehnfache wert, Jimi Hendrix hat am meisten bekommen mit 18.000 Dollar, obwohl der auch schon deutlich wertvoller war. Warner hat das große Geld gemacht, denn sie haben dann die Veranstalter ausgezahlt, haben alle Reche am Film und an den Platten, ...
Von Billerbeck: ... und das konnte man ja vermarkten über die Jahre.
Wohlmacher: Und man rechnet hoch ungefähr, dass die 500, 600 Millionen Dollar gemacht haben seitdem. Also insofern, für die war das einträglich und ich denke mal, die werden den Mythos auch weiter hochhalten, indem sie sagen, das große Hippiefestival und das war doch eine dolle Veranstaltung und dass da groß geregnet hat, drei Tote gab, über 6000 Leute, die mit Drogen große Probleme hatten, zum Teil ausgeflogen werden mussten, also darüber redet ja kaum noch jemand.
Von Billerbeck: Über all das und was musikalisch in Woodstock passiert, werden wir in den nächsten zehn Tagen sprechen. Kurze Frage noch: Wer hat denn trotz Angebot nicht gespielt?
Wohlmacher: Oh, da gab es eine Menge. Die Beatles hatten das Angebot, aber die waren schon in der Auflösung begriffen, da hat man dann gesagt, na gut, Lennon hat gesagt, wenn Yoko Ono mit auftreten darf, ja, dann hat man das abgelehnt. Die Doors sollten spielen, der Veranstalter wollte nicht, Jim Morrison wollte nicht vor so vielen Menschen auftreten, Led Zeppelin sollten spielen, da sagte der Veranstalter auch, meine Band als einzige, ansonsten, das geht gar nicht. Es gab viele Bands, die sollten, aber nicht wollten.
Von Billerbeck: Und eine, die auch nicht gespielt hat, aber deren Song dort gelaufen ist, ...
Wohlmacher: Richtig, interessanterweise, die saßen in New York im Hotel, hat das am Fernsehen beobachtet, ihr Manager David Geffen, die große Geschäftsikone, der hat es verhindert und gesagt, nein, nein, meine Joni, die spielt nicht bei diesen ungewaschenen Hippies, das wollen wir nicht, aber ...
Von Billerbeck: Joni Mitchell ist gemeint.
Wohlmacher: Joni Mitchell, aber sie komponierte einen Song, den dann Crosby, Stills and Nash dann vertonten und damit einen großen Hit hatten und die spielten immerhin in Woodstock.
((Musikeinspielung))