Das Verlangen nach Glück
Wie erzählt man von der Liebe, ohne in Klischees zu verfallen und sentimentale Rührstücke zu produzieren? Wie macht man Glückserfahrungen deutlich in einer Zeit, da es intellektuell als nicht satisfaktionsfähig gilt, wenn man – zumindest in der Kunst – dem Verfall nicht das letzte Wort gibt?
Sibylle Berg hat sich in ihrem sechsten Roman genau dies vorgenommen: "Der Mann schläft" erzählt, zumindest in der Erinnerung, von einer geglückten Liebesbeziehung, von einer Zweisamkeit, die der Ich-Erzählerin noch im Nachhinein wie ein Wunder erscheint. Bergs nicht mehr ganz junge Hauptfigur lebt auf einer Insel vor Hongkong und berichtet – in Kapitelfolgen, die zwischen einem "Damals" und einem "Heute" changieren – davon, wie sie vor vier Jahren einen Mann kennen lernte, der ihr auf verblüffende Weise vollkommenes "Aufgehobensein" vermittelte. Jener Gefährte erweist sich als erstaunlicher Vertreter der männlichen Spezies: Nichts Herausragendes ist an ihm; er weiß nicht mit Heldentaten aufzuwarten, schafft es aber zum erträglichen, nicht störenden Partner zu werden, der der Erzählerin ein Gefühl von Glück gibt: "Ich fühlte mich nicht."
Was wie ein wohltuender Lebenstraum wirkt, ist nicht von Dauer. Beide verlassen ihren Wohnort im Tessin und brechen nach Asien auf. Eines Tages macht sich der Mann nach Hongkong auf, um Zeitungen zu besorgen – und kehrt nicht wieder. Die Erzählerin bleibt verlassen im "Heute" zurück, ohne zu erfahren, welches Schicksal den geliebten Mann ereilt hat.
Sibylle Berg hat sich mit ihren ersten Büchern den Ruf einer bitterbösen Zeitdiagnostikerin erschrieben. Mit ätzendem Blick auf die Gesellschaft und mit viel Sinn für die Komik des Elends erzählte sie vom Misslingen und von fehlgeleiteten Menschen, die sich beim Suchen nach Liebe oder Sex zumeist lächerlich machen.
Wer freilich genau hinsah, konnte schon damals hinter diesem lauten Auftritt einen moralischen Impetus spüren, den Wunsch, die Schlechtigkeit der Welt nicht als letzte Antwort zuzulassen. Mit "Der Mann schläft" setzt sie dieses Verlangen nach Glück erzählerisch erstmals auf einer längeren Strecke um – im gewohnt flapsigen Berg-Sound, der sich nun aber Auszeiten des Beschreibens und der Ruhe gönnt.
Gegen überkommene Vorstellungen des "Marketinginstruments" Liebe und des "Theaters", das um die Sexualität gemacht werde, versucht Sibylle Berg eine Liebe zu schildern, "die ruhig und still verlief, die freundschaftlich war und eine gewisse Niedlichkeit ausstrahlte". Natürlich verliert der Roman dadurch manches vom beißenden Tonfall, der die Autorin bekannt machte, doch allemal ist ihr Mut zu bestaunen, nicht mehr ausschließlich auf der Klaviatur des Scheiterns zu spielen und leise Hoffnungssignale auszusenden. Und wer weiß, vielleicht ja traut es sich Sibylle im nächsten Roman sogar zu, auf ein Happy End zu setzen.
Besprochen von Rainer Moritz
Sibylle Berg: Der Mann schläft
Roman
Carl Hanser Verlag, München 2009
309 Seiten, 19,90 Euro
Was wie ein wohltuender Lebenstraum wirkt, ist nicht von Dauer. Beide verlassen ihren Wohnort im Tessin und brechen nach Asien auf. Eines Tages macht sich der Mann nach Hongkong auf, um Zeitungen zu besorgen – und kehrt nicht wieder. Die Erzählerin bleibt verlassen im "Heute" zurück, ohne zu erfahren, welches Schicksal den geliebten Mann ereilt hat.
Sibylle Berg hat sich mit ihren ersten Büchern den Ruf einer bitterbösen Zeitdiagnostikerin erschrieben. Mit ätzendem Blick auf die Gesellschaft und mit viel Sinn für die Komik des Elends erzählte sie vom Misslingen und von fehlgeleiteten Menschen, die sich beim Suchen nach Liebe oder Sex zumeist lächerlich machen.
Wer freilich genau hinsah, konnte schon damals hinter diesem lauten Auftritt einen moralischen Impetus spüren, den Wunsch, die Schlechtigkeit der Welt nicht als letzte Antwort zuzulassen. Mit "Der Mann schläft" setzt sie dieses Verlangen nach Glück erzählerisch erstmals auf einer längeren Strecke um – im gewohnt flapsigen Berg-Sound, der sich nun aber Auszeiten des Beschreibens und der Ruhe gönnt.
Gegen überkommene Vorstellungen des "Marketinginstruments" Liebe und des "Theaters", das um die Sexualität gemacht werde, versucht Sibylle Berg eine Liebe zu schildern, "die ruhig und still verlief, die freundschaftlich war und eine gewisse Niedlichkeit ausstrahlte". Natürlich verliert der Roman dadurch manches vom beißenden Tonfall, der die Autorin bekannt machte, doch allemal ist ihr Mut zu bestaunen, nicht mehr ausschließlich auf der Klaviatur des Scheiterns zu spielen und leise Hoffnungssignale auszusenden. Und wer weiß, vielleicht ja traut es sich Sibylle im nächsten Roman sogar zu, auf ein Happy End zu setzen.
Besprochen von Rainer Moritz
Sibylle Berg: Der Mann schläft
Roman
Carl Hanser Verlag, München 2009
309 Seiten, 19,90 Euro