Das Unvorstellbare denken
Rudolf Kippenhahn führt uns an die Grenzen des Vorstellbaren: Am Beispiel der Unendlichkeit und an anderen Phänomenen zeigt er die Möglichkeiten mathematischen Denkens auf. Der Autor bemüht sich um Verständlichkeit, die von ihm gewählte Dialogform wirkt oft aber erzwungen. Und weil der Text gespickt ist mit mathematischem Fachjargon und Formeln, fällt dem Laien das Weiterlesen schwer.
"Unendlich" ist ein Wort voller Rätsel, findet Rudolf Kippenhahn. Der Autor staunt, wie leicht es uns von den Lippen geht: Wir geben uns unendliche Mühe, jemand hat unendliche Geduld. Wir wissen, dass wir unendlich lange immer weiter zählen können, ohne dass uns die Zahlen ausgehen. Doch je mehr man sich mit dem Unendlichen beschäftigt, desto rätselhafter wird dieser Begriff - oder sollte man sagen, dieses Phänomen? Denn "unendlich" ist nicht zu fassen. Auch nicht von Rudolf Kippenhahn, der sich tatsächlich schier unendlich bemüht, in seinem neuesten Buch das Unendliche dem Laien zu vermitteln - mit nur endlichem Erfolg.
Kippenhahn beginnt sein Buch mit der Beschreibung einer alten Haarwasserflasche. Auf dem Etikett der Flasche ist ein Zwerg mit Zipfelmütze abgebildet, der auf eine Flasche blickt. Auf dem Etikett dieser Flasche ist wiederum ein Zwerg abgebildet, der auf eine Flasche blickt. So ginge das noch lange weiter, wäre die Druckqualität gut genug, um auf den immer kleiner werdenden Flaschen noch Details des Etiketts zu erkennen. Es gibt keine kleinste Flasche, auf deren Etikett man nicht wieder eine Flasche mit einem Etikett malen könnte.
Über diese Flasche entspinnt sich ein fiktives Gespräch des Autors mit seinem knapp 15-jährigen Enkel Alex. Fast das ganze Buch ist in Form dieser Gespräche geschrieben. Das liest sich oft sehr heiter und einfach - wirkt aber gerade an den sachlich etwas komplizierteren Stellen häufig etwas gezwungen. Hin und wieder weicht Rudolf Kippenhahn von der Dialogform ab: Einige mathematische Beweise, Lebensläufe von Mathematikern oder Anekdoten präsentiert der Autor in grau hinterlegten Textkästen.
Im ersten Teil des Buches geht es mathematisch zu, sehr mathematisch. Der Autor beschreibt die Welt der Zahlen, die Welt der Bruchzahlen - also ein Siebtel, drei Achtel usw. - führt ein paar mathematische Beweise und kommt schließlich über die Geometrie zu mathematischen Kurven, die ins Unendliche streben. Auch die legendäre Mengenlehre kommt im Buch vor - in Form eines lustigen Beispiels, dass sich mathematische Mengen nicht immer präzise beschreiben lassen: In einem Dorf hat der Barbier die Aufgabe, alle Männer zu rasieren, die sich nicht selbst rasieren. Die Männer, die sich selbst rasieren, rasiert er nicht. So weit, so klar. Aber zu welcher Menge gehört der Barbier selbst? Wenn er sich selbst rasiert, gehört er zu der Menge Männer, die sich selbst rasieren und er darf sich nicht selbst rasieren. Rasiert er sich nicht, gehört er zur Menge der Männer, die nicht selbst rasieren und er muss sich rasieren. Dann entwickelt Kippenhahn mit dem Begriff der mathematischen Mengen einige Überlegungen zum Thema unendlich.
Ein paar Cartoons sollen in dem rein schwarz-weiß gedruckten Buch den Inhalt auflockern. Das gelingt nur bedingt, denn vor allem gibt es viele mathematische Zeichnungen von Kurven, Flächen und geometrischen Figuren - und viele Formeln! Im Gespräch zwischen Großvater und Enkel lässt sich nicht alles klären. So wird, wohl auch wegen der mathematischen Korrektheit, oft noch eine Reihe von Formeln angegeben, die das Gesagte belegen sollen. Spätestens hier wird das Buch dann für Laien, die mit Mathematik nicht so sehr viel zu tun haben möchten, kein Genuss mehr sein.
Nach gut drei Fünfteln hat das Buch einen gewissen Bruch. Dann ist die rein mathematische Sichtweise des Unendlichen im wesentlichen abgearbeitet - und Kippenhahn unternimmt Ausflüge in den unendlichen Kosmos, aber auch in das unendlich Kleine, in die Musik und sogar in die Quantentheorie. Der Autor zeigt, wo überall "unendlich" eine Rolle spielt. Dieser Teil liest sich ganz flott, hat aber wenig mit dem Anfang des Buches zu tun.
Rudolf Kippenhahn, inzwischen 80 Jahre alt, ist einer der erfolgreichsten Sachbuchautoren in Deutschland - er hat mehr als ein Dutzend Bücher über viele Themen aus Astronomie, Physik und Mathematik geschrieben. Er war lange Zeit Direktor am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München. Von Hause aus ist Kippenhahn aber Mathematiker, was die Freude für mathematische Beweise in diesem Buch erklärt. Allerdings werden die Leser nicht bei allen Erklärungsschritten so einfach mitkommen, wie der Autor es sich erhofft. Kippenhahn hatte bei zwei Kinderbüchern schon einmal die Form des Dialogs gewählt - da hat es gut funktioniert, in "Eins, zwei, drei ... unendlich" eher nicht.
Das Buch soll laut Untertitel eine Reisen an die Grenzen der Mathematik sein. Allerdings betont Rudolf Kippenhahn im Vorwort sogleich, das Buch führe den Leser eben nicht an die Grenzen der mathematischen Forschung. Doch wer mit einigen mathematischen Vorwissen über ein paar Phänomene staunen will, wer seine Gedanken mal ins Unendliche abschweifen lassen will, für den ist "Eins, zwei, drei ... unendlich" sicher ein ganz launiges Lesevergnügen. Wer von Mathematik und ihren Begriffen nichts weiß, für den wird das Lesen dieses Buch schnell zur fast unendlichen Mühe.
Rezensiert von Dirk Lorenzen
Rudolf Kippenhahn: Eins, zwei, drei... unendlich. Eine Reise an die Grenzen der Mathematik
Piper 2007
243 Seiten, Preis: 18,- Euro
Kippenhahn beginnt sein Buch mit der Beschreibung einer alten Haarwasserflasche. Auf dem Etikett der Flasche ist ein Zwerg mit Zipfelmütze abgebildet, der auf eine Flasche blickt. Auf dem Etikett dieser Flasche ist wiederum ein Zwerg abgebildet, der auf eine Flasche blickt. So ginge das noch lange weiter, wäre die Druckqualität gut genug, um auf den immer kleiner werdenden Flaschen noch Details des Etiketts zu erkennen. Es gibt keine kleinste Flasche, auf deren Etikett man nicht wieder eine Flasche mit einem Etikett malen könnte.
Über diese Flasche entspinnt sich ein fiktives Gespräch des Autors mit seinem knapp 15-jährigen Enkel Alex. Fast das ganze Buch ist in Form dieser Gespräche geschrieben. Das liest sich oft sehr heiter und einfach - wirkt aber gerade an den sachlich etwas komplizierteren Stellen häufig etwas gezwungen. Hin und wieder weicht Rudolf Kippenhahn von der Dialogform ab: Einige mathematische Beweise, Lebensläufe von Mathematikern oder Anekdoten präsentiert der Autor in grau hinterlegten Textkästen.
Im ersten Teil des Buches geht es mathematisch zu, sehr mathematisch. Der Autor beschreibt die Welt der Zahlen, die Welt der Bruchzahlen - also ein Siebtel, drei Achtel usw. - führt ein paar mathematische Beweise und kommt schließlich über die Geometrie zu mathematischen Kurven, die ins Unendliche streben. Auch die legendäre Mengenlehre kommt im Buch vor - in Form eines lustigen Beispiels, dass sich mathematische Mengen nicht immer präzise beschreiben lassen: In einem Dorf hat der Barbier die Aufgabe, alle Männer zu rasieren, die sich nicht selbst rasieren. Die Männer, die sich selbst rasieren, rasiert er nicht. So weit, so klar. Aber zu welcher Menge gehört der Barbier selbst? Wenn er sich selbst rasiert, gehört er zu der Menge Männer, die sich selbst rasieren und er darf sich nicht selbst rasieren. Rasiert er sich nicht, gehört er zur Menge der Männer, die nicht selbst rasieren und er muss sich rasieren. Dann entwickelt Kippenhahn mit dem Begriff der mathematischen Mengen einige Überlegungen zum Thema unendlich.
Ein paar Cartoons sollen in dem rein schwarz-weiß gedruckten Buch den Inhalt auflockern. Das gelingt nur bedingt, denn vor allem gibt es viele mathematische Zeichnungen von Kurven, Flächen und geometrischen Figuren - und viele Formeln! Im Gespräch zwischen Großvater und Enkel lässt sich nicht alles klären. So wird, wohl auch wegen der mathematischen Korrektheit, oft noch eine Reihe von Formeln angegeben, die das Gesagte belegen sollen. Spätestens hier wird das Buch dann für Laien, die mit Mathematik nicht so sehr viel zu tun haben möchten, kein Genuss mehr sein.
Nach gut drei Fünfteln hat das Buch einen gewissen Bruch. Dann ist die rein mathematische Sichtweise des Unendlichen im wesentlichen abgearbeitet - und Kippenhahn unternimmt Ausflüge in den unendlichen Kosmos, aber auch in das unendlich Kleine, in die Musik und sogar in die Quantentheorie. Der Autor zeigt, wo überall "unendlich" eine Rolle spielt. Dieser Teil liest sich ganz flott, hat aber wenig mit dem Anfang des Buches zu tun.
Rudolf Kippenhahn, inzwischen 80 Jahre alt, ist einer der erfolgreichsten Sachbuchautoren in Deutschland - er hat mehr als ein Dutzend Bücher über viele Themen aus Astronomie, Physik und Mathematik geschrieben. Er war lange Zeit Direktor am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München. Von Hause aus ist Kippenhahn aber Mathematiker, was die Freude für mathematische Beweise in diesem Buch erklärt. Allerdings werden die Leser nicht bei allen Erklärungsschritten so einfach mitkommen, wie der Autor es sich erhofft. Kippenhahn hatte bei zwei Kinderbüchern schon einmal die Form des Dialogs gewählt - da hat es gut funktioniert, in "Eins, zwei, drei ... unendlich" eher nicht.
Das Buch soll laut Untertitel eine Reisen an die Grenzen der Mathematik sein. Allerdings betont Rudolf Kippenhahn im Vorwort sogleich, das Buch führe den Leser eben nicht an die Grenzen der mathematischen Forschung. Doch wer mit einigen mathematischen Vorwissen über ein paar Phänomene staunen will, wer seine Gedanken mal ins Unendliche abschweifen lassen will, für den ist "Eins, zwei, drei ... unendlich" sicher ein ganz launiges Lesevergnügen. Wer von Mathematik und ihren Begriffen nichts weiß, für den wird das Lesen dieses Buch schnell zur fast unendlichen Mühe.
Rezensiert von Dirk Lorenzen
Rudolf Kippenhahn: Eins, zwei, drei... unendlich. Eine Reise an die Grenzen der Mathematik
Piper 2007
243 Seiten, Preis: 18,- Euro