Das Universum im Blick

Die Fragen, die Claus Kiefer in "Der Quantenkosmos" über Entstehung und Entwicklung des Universums aufwirft, dürften an sich viele Leser interessieren. Allerdings setzt der Autor mindestens gute Grundkenntnisse in Physik voraus und so ist sein Werk alles andere als ein leicht verständliches, populäres Sachbuch.
Lässt sich das Universum begreifen? Lassen sich seine Entstehung und Entwicklung erklären? Kann man verlässliche Aussagen über seine Zukunft treffen? Diese Fragen sind so alt wie die Menschheit - und doch bis heute ungelöst. Noch immer grübeln die Physiker an der Lösung der fundmentalen Fragen über Aufbau und Entwicklung der Welt.

Für die Beschreibung des Kosmos nutzen die Wissenschaftler zwei Theorien: Die Relativitätstheorie beschreibt die Welt des ganz Großen, die Quantentheorie die Welt des ganz Kleinen. Beide Theorien funktionieren in ihren Bereichen exzellent - und lassen sich durch vielerlei Experimente überprüfen. Doch die Physiker wissen, dass beide Theorien nicht gleichzeitig stimmen können.

Claus Kiefer will die Leser aus diesem Dilemma in den Quantenkosmos führen: in eine Welt, die von der Quantengravitation beschrieben wird - der Vereinheitlichung der beiden großen heute genutzten Theorien. Von der zeitlosen Welt zum expandierenden Universum lautet der Untertitel des Buches. Kiefer, Professor für theoretische Physik an der Universität Köln, schildert sehr eindringlich, wie sich das antike Weltbild eines vermeintlich ewig unveränderlichen Kosmos durch viele Entdeckungen und neue Theorien zum heutigen Modell einer hoch dynamischen Welt gewandelt hat, in der praktisch alles auseinander fliegt.

Claus Kiefer warnt gleich im Vorwort, er habe Einsteins Rat beherzigt, die Diskussion so einfach wie möglich zu gestalten, aber nicht einfacher. Da bei diesem Thema fast nichts einfach ist, musste der Versuch misslingen, ein populäres Sachbuch über den Quantenkosmos zu schreiben, das auch Nicht-Physiker komplett verstehen. Der Autor setzt bei den Lesern mindestens gute Grundkenntnisse in Physik voraus. Wer die nicht hat, muss sich damit begnügen, in den sieben Kapiteln des Buches jeweils etliche Seiten einfach zu überschlagen.

Beim Lesen muss man sich die faszinierenden Themen herauspicken, etwa die Frage, ob das Universum einst in einem "großen Riss" unendlich groß wird und dabei gleichsam "auseinanderreißt" oder ob es eine "große Bremse" gibt, die das Universum schlagartig zum Stillstand bringt.

Oder man folgt Kiefers Schilderungen über schwarze Löcher, die eben doch keine Einbahnstraßen sind, sondern über extrem lange Zeiten "verdampfen" oder über die elf Dimensionen der String-Theorie, die manchen Physikern als rettender Ausweg erscheint. Über all dies kann man staunen, auch wenn sich einem die konkreten mathematischen Hintergründe nicht erschließen.

Ein echtes Ärgernis sind die Abbildungen und Diagramme, die der Verlag im Briefmarkenformat abgedruckt hat. Manche Grafik soll einen komplexen physikalischen Zusammenhang erläutern, ist aber kaum zu entziffern. Zumindest bei den Grafiken hätte man dieses Buch deutlich einfacher und damit verständlicher gestalten können, ohne dass es im Einsteinschen Sinne zu einfach geworden wäre.

Fazit: Kaum jemand wird alles verstehen, aber die meisten Leser werden nach der Lektüre zumindest ahnen, was heute die großen Herausforderungen der modernen Physik sind.

Rezensiert von Dirk Lorenzen

Claus Kiefer: "Der Quantenkosmos. Von der zeitlosen Welt zum expandierenden Universum"
S. Fischer 2008
342 Seiten, 22,90 Euro