Das unheilige Experiment

Der Autor Rolf Hosfeld geht in seinem Buch "Was war die DDR?" anders an die ostdeutsche Geschichte heran als heute üblich. Er rechnet nicht mit dem Unrechtsstaat oder der Diktatur ab, sondern fragt danach, was die DDR sein wollte und warum der Staat einen so tragischen Verlauf nahm.
Rolf Hosfeld geht anders an die DDR-Geschichte heran als heute üblich. Er rechnet nicht mit dem Unrechtsstaat oder der Diktatur ab, sondern fragt danach, was die DDR sein wollte und warum der Staat, der das bessere Deutschland verkörpern wollte, einen so tragischen Verlauf nahm.

Dabei war die DDR von Anfang an weder geplant noch gewollt. Hosfeld erinnert an die Überlegungen insbesondere Stalins nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs für ein einiges Deutschland, das sich deutlich von den Strukturen der Weimarer Republik und der Nazi-Zeit unterscheiden sollte. Gleichzeitig sollten die Kommunisten wesentlichen Einfluss auf die Zukunft Deutschlands bekommen.

Der Einfluss der KPD, ab 1946 SED, konnte auf demokratischem Weg nicht erreicht werden. Mit der Orientierung der drei westlichen Besatzungszonen zum Westen hin vollzog sich zwischen den Westzonen und der sowjetischen Besatzungszone jener Entfremdungsprozess, der schließlich zum Bruch durch die Staatswerdung beider Gebilde führte, und zu der Grenzziehung, die im Mauerbau gipfelte.

Schon in den Anfängen zeigen sich all die verhängnisvollen Fehler und Entwicklungen, unter denen der Staat jahrzehntelang leiden wird: da ist schon früh die kommunistische Paranoia, die hinter jeder abweichenden Meinung Agenten des Feindes wittert, keine Diskussionen zulässt und Kritiker in den eigenen Reihen ausschaltet, statt ihnen zuzuhören. Da ist die spezielle Auffassung der Sowjets von Demokratie, die nichts mit jener des Westens zu tun hat. Das völlige Unverständnis der Sowjetunion für demokratische Prozesse verhindert Vertrauen in die eigene Mission.

Und da ist die Einführung des Sozialismus mit der Brechstange: Die stalinistischen Methoden schrecken auch jene ab, die dem neuen System zunächst wohlwollend gegenüber stehen. Denn - das beschreibt der Autor genau - nach dem Krieg gab es große Sympathien für sozialistische Ideen, bis weit hinein ins Bürgertum. Viele hatten in russischer Gefangenschaft ihre Überzeugung geändert und waren als glühende Kommunisten zurückgekommen. Doch vermochten die Machthaber nicht, diese Gelegenheit zu nutzen. Im Gegenteil: In ihrem Sendungsbewusstsein, in ihrer Unfähigkeit und ihrem Unwillen zu Kompromissen entfernten sie sich immer weiter vom Volk.

Darin zeigt sich eine überraschende Parallele zum Ende der DDR: Auch da war die Opposition durchaus für die Entwicklung eines reformierten Sozialismus. Doch auch diesmal war es der SED-Führung nicht möglich, auf die Wünsche aus dem Volk einzugehen: Über Jahrzehnte erstarrt konnte sie keinen glaubwürdigen Kurswechsel vollziehen, sondern raffte sich nur zu marginalen Korrekturen auf oder veränderte, als es bereits zu spät war.

So verlor sie auch am Ende ihrer Herrschaft auch die Unterstützung der einstigen Anhänger. Rolf Hosfeld hat einen guten, angenehm lesbaren Überblick über die Geschichte der DDR verfasst. Ohne Gehässigkeit beschreibt er die tragische Entwicklung eines Gesellschaftsentwurfs, der von großen Hoffnungen getragen war und in einer großen Ernüchterung endete.

Rezensiert von Stefan May

Rolf Hosfeld: Was war die DDR? – die Geschichte eines anderen Deutschland Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008, 304 Seiten, 19,95 Euro