Das Umweltbewusstsein der Verbraucher hat Folgen
09.08.2007
Ist der globalisierte Kapitalismus wirklich ein Nest von Raubtieren und Heuschrecken, denen man nicht entkommen kann? Führt die zunehmende Ökonomisierung aller Lebensbereiche zu einer moralischen Verwahrlosung? Dem widerspricht die These von der "Moralisierung der Märkte", die der Friedrichshafener Soziologe Nico Stehr ausführlich und überzeugend begründet. Dabei ist ein Buch entstanden, dass über die Fachgrenzen hinaus von Interesse ist.
"In der gegenwärtigen Welt sind Konsumenten sowohl als Individuen als auch als organisierte Akteure eine deutlich wahrnehmbare und fordernde Macht"."
Der intelligente Verbraucher bestimmt, wie Stehr zeigt, die Wirtschaft in zunehmendem Maße. Stehr erklärt das als Ergebnis des wachsenden Wohlstands (in unseren Breiten) einerseits, sowie des gestiegenen Wissensstandards andererseits.
Seine Paradebeispiele sind der Boykott der Gentechnik-Produkte und das stetig wachsende Umweltbewusstsein. Die gentechnisch veränderten Lebensmittel werden vom Markt zunächst nicht oder nur teilweise akzeptiert. Das Umweltbewusstsein der Konsumenten aber hat eine nachhaltige Etablierung der Angebote von ökologisch korrekten Konsumgütern produziert. In beiden Bereichen zeigt sich somit, dass sich das gewandelte Verhalten der Konsumenten direkt auf die produzierenden Unternehmen auswirkt.
Stehr analysiert zunächst den Marktbegriff der traditionellen Wirtschaftswissenschaften. Dabei berühren sich seine Grundüberzeugungen gewissermaßen mit Adam Smith, dem großen Ökonomen und Moralphilosophen des 18. Jahrhunderts. Smith glaubte, dass die Entwicklung des freien Marktes mit einem fortschreitenden Vernunftgebrauchs einhergeht.
Dieser Optimismus wurde im 19. Jahrhundert durch Marx und Engels zutiefst erschüttert. Schließlich gehört die Annahme einer gegen die humanen Bedürfnisse gerichtete Amoralität der Märkte im 20. Jahrhundert zu den Grundüberzeugungen linker Gesellschaftstheorie. Sie erlebt heute eine Renaissance im kapitalismuskritischen Jargon der Globalisierungskritiker.
Dagegen zeigt Stehr eine andere Entwicklung auf: zumindest für die Wohlstandssphären der westlichen Welt gilt heute zunehmend, dass der Konsument sich - gerade indem er konsumiert - als Staatsbürger verhält. Dadurch, dass er auswählt oder unterlässt, kann er im Kleinen Marktpolitik betreiben.
Diese Form der Moralisierung der Märkte wirkt sich wiederum im Großen auf die Unternehmen aus; in Konzernen werden Stabsstellen geschaffen, die sich mit "corporate citizenship" befassen, also mit der moralischen Ausrichtung der Unternehmensstrategie. "Grüne" Konzerne haben inzwischen deutlich mehr Chancen am Markt.
Die These von der Moralisierung der Märkte verweist auf einen "gemeinsamen Tanz der Produzenten und Konsumenten". Damit ist aber keineswegs ist ein revolutionärer Bruch mit dem Kapitalismus gemeint, im Gegenteil: die Koordinaten des Systems werden allenfalls "modifiziert und temperiert". Was die Zukunft angeht, will Stehr auch deshalb keine weitreichenden Prognosen wagen. Die positive Tendenz könne durch eine starke Rezession umgekehrt werden.
Stehr bleibt in seinem Fazit betont nüchtern:
""Ich nehme eine agnostische Stellung ein und betone nur, dass die Moralstruktur der Menschen aufgrund gesamtgesellschaftlicher Transformationen das Marktverhalten in seiner Vielfalt zunehmend tangiert. Ich halte diese Entwicklung für gut. Dass es Verlierer und Gewinner der Moralisierung der Märkte geben wird, ist klar."
Rezensiert von Marius Meller
Nico Stehr: Die Moralisierung der Märkte. Eine Gesellschaftstheorie Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007, 379 Seiten, 14 Euro
Der intelligente Verbraucher bestimmt, wie Stehr zeigt, die Wirtschaft in zunehmendem Maße. Stehr erklärt das als Ergebnis des wachsenden Wohlstands (in unseren Breiten) einerseits, sowie des gestiegenen Wissensstandards andererseits.
Seine Paradebeispiele sind der Boykott der Gentechnik-Produkte und das stetig wachsende Umweltbewusstsein. Die gentechnisch veränderten Lebensmittel werden vom Markt zunächst nicht oder nur teilweise akzeptiert. Das Umweltbewusstsein der Konsumenten aber hat eine nachhaltige Etablierung der Angebote von ökologisch korrekten Konsumgütern produziert. In beiden Bereichen zeigt sich somit, dass sich das gewandelte Verhalten der Konsumenten direkt auf die produzierenden Unternehmen auswirkt.
Stehr analysiert zunächst den Marktbegriff der traditionellen Wirtschaftswissenschaften. Dabei berühren sich seine Grundüberzeugungen gewissermaßen mit Adam Smith, dem großen Ökonomen und Moralphilosophen des 18. Jahrhunderts. Smith glaubte, dass die Entwicklung des freien Marktes mit einem fortschreitenden Vernunftgebrauchs einhergeht.
Dieser Optimismus wurde im 19. Jahrhundert durch Marx und Engels zutiefst erschüttert. Schließlich gehört die Annahme einer gegen die humanen Bedürfnisse gerichtete Amoralität der Märkte im 20. Jahrhundert zu den Grundüberzeugungen linker Gesellschaftstheorie. Sie erlebt heute eine Renaissance im kapitalismuskritischen Jargon der Globalisierungskritiker.
Dagegen zeigt Stehr eine andere Entwicklung auf: zumindest für die Wohlstandssphären der westlichen Welt gilt heute zunehmend, dass der Konsument sich - gerade indem er konsumiert - als Staatsbürger verhält. Dadurch, dass er auswählt oder unterlässt, kann er im Kleinen Marktpolitik betreiben.
Diese Form der Moralisierung der Märkte wirkt sich wiederum im Großen auf die Unternehmen aus; in Konzernen werden Stabsstellen geschaffen, die sich mit "corporate citizenship" befassen, also mit der moralischen Ausrichtung der Unternehmensstrategie. "Grüne" Konzerne haben inzwischen deutlich mehr Chancen am Markt.
Die These von der Moralisierung der Märkte verweist auf einen "gemeinsamen Tanz der Produzenten und Konsumenten". Damit ist aber keineswegs ist ein revolutionärer Bruch mit dem Kapitalismus gemeint, im Gegenteil: die Koordinaten des Systems werden allenfalls "modifiziert und temperiert". Was die Zukunft angeht, will Stehr auch deshalb keine weitreichenden Prognosen wagen. Die positive Tendenz könne durch eine starke Rezession umgekehrt werden.
Stehr bleibt in seinem Fazit betont nüchtern:
""Ich nehme eine agnostische Stellung ein und betone nur, dass die Moralstruktur der Menschen aufgrund gesamtgesellschaftlicher Transformationen das Marktverhalten in seiner Vielfalt zunehmend tangiert. Ich halte diese Entwicklung für gut. Dass es Verlierer und Gewinner der Moralisierung der Märkte geben wird, ist klar."
Rezensiert von Marius Meller
Nico Stehr: Die Moralisierung der Märkte. Eine Gesellschaftstheorie Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007, 379 Seiten, 14 Euro