Das Theaterjahr 2018

Wie sich Politik und Soziales auf den Bühnen spiegelt

"Tchüss, Chris"-Plakate kommentieren den Rückzug des Belgiers Chris Dercon als Intendant der Berliner Volksbühne am 13.4.2018.
Chris Dercons Rückzug als Chef der Berliner Volksbühne beschäftigte die Theaterkritiker. © Deutschlandradio / Karoline Scheer
Susanne Burkhart und Elena Philipp im Gespräch mit André Mumot · 29.12.2018
Ein bewegtes Theaterjahr geht seinem Ende entgegen: "Rang 1" schaut zurück auf zwölf Monate voller Debatten, Bühnenwunder und Bühnenärgernisse. Wichtige Themen dabei: die #MeToo-Debatte und der Rückzug Chris Dercons als Volksbühnen-Chef in Berlin.
Deutschlandfunk Kultur-Redakteurin Susanne Burkhardt und Elena Philipp von nachtkritik.de haben das Jahr mit ihrem Theaterpodcast begleitet und sprechen noch einmal über die wichtigsten Themen, über die Volksbühne nach Chris Dercon, über den Gender Pay Gap und vieles mehr. Eines der wichtigsten Thema dabei jedoch ist noch immer die #MeToo-Bewegung, eine Struktur- und Machtmissbrauchsdebatte, die unter anderem durch den offenen Brief der Burgtheater-Schauspielerinnen und -Schauspieler angestoßen wurde. Sie hatten sich im Februar 2018 mit den problematischen Arbeitsbedingungen unter Ex-Intendant Matthias Hartmann auseinandergesetzt.

Schnell wurde aus #MeToo mehr

Elena Philipp ist erfreut darüber, dass daraus am Theater recht schnell eine andere Diskussion geworden und andere Fragen gestellt worden seien – nämlich: "Wie sieht’s denn aus mit den Geschlechterverhältnissen, dem Gebrauch der qua Amt verliehen Macht bei Regisseuren und Intendanten? Und ich finde, das ist durchaus recht fruchtbar verlaufen."
Auffällig auch, wie die Bühnen 2018 vor Ort auf aktuelle soziale und politische Entwicklungen reagiert hätten, besonders deutlich nach den Ausschreitungen in Chemnitz. "Da hat man angefangen, dass die Bühnen in Sachsen sich vernetzt haben und sich gegenseitig unterstützen", wie Susanne Burkhardt berichtet. "Und wir haben auch in diesem November die 'Erklärung der Vielen' gehabt, wo einhundertvierzig Kulturinstitutionen sich zusammenschließen, um für die Freiheit der Kunst gegen rechte Einflussnahme und für Solidarität einzustehen."
Bestimmte Leute erreiche man möglicherweise mit Theaterproduktionen nicht – "aber so kleine Gesten wie Ulrich Matthes fährt nach Chemnitz und liest da Schiller-Balladen, das besagt: Wir stehen für moralische Aufklärung, wir stehen für eine offene Gesellschaft. Das finde ich auch für die Leute, die beispielsweise in Chemnitz eben nicht braunen Ideologien folgen, ein wichtiges Zeichen."

Nicht nur auf der Bühne eine moralische Anstalt

Entscheidend sei aber, so Elena Philipp, dass sich das Theater dabei selbst hinterfragt: "Aber das ist auch eine Sache, die bei der Debatte immer wieder angesprochen wurde: Auf der Bühne seid ihr die moralische Anstalt und tretet ein für Menschenwürde, außerdem hat jedes Theater eine Geflüchteten-Inszenierung in seinem Programm … aber wie ist es denn dann, wenn man 'mal hinter den eisernen Vorhang guckt? Wer spricht denn da wie mit wem? Ist da ein respektvolles Miteinander und wie sind denn die Arbeitsbedingungen für Schauspielerinnen und Schauspieler, die befristete Arbeitsverträge haben und bangen müssen, ob diese verlängert werden?"
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