Das Streichquartett Nr. 4 von Béla Bartók

Klangekstase und Klarheit der Form

Der ungarische Komponist und Pianist Béla Bartók, aufgenommen in New York am Klavier in einer undatierten Aufnahme.
Der ungarische Komponist und Pianist Béla Bartók (undatierte Aufnahme) © picture-alliance / dpa / epa MTI
Moderation: Michael Dasche · 16.11.2014
Zwischen dem dritten Streichquartett Bartóks und seinem viertem, das nach Angabe des Komponisten von Juli bis September 1928 entstand, liegt nur ein Jahr. Das legt die Frage nahe, ob er beide Quartette ganz bewusst als Werk-Paar konzipiert hat - womöglich als doppelte Antwort auf Alban Bergs "Lyrische Suite", die er 1927 beim Musikfest Baden-Baden kennengelernt und die ihn tief beeindruckt hatte.
In der Tat weist das Werk technisch eine gewisse Nähe zur Wiener Schule auf, doch verstärkt sich zugleich der vollkommen ins Artifizielle verwandelte "ungarische Ton". In den Dienst dieses Idioms stellt Bartók grundlegende Kompositionstechniken, die bereits im dritten Quartett angelegt sind: Mikromotivik, permanente Variation, intensive Kontrapunktik sowie die Wechselspannung zwischen Chromatik und Diatonik. Vor allem die Idee der "Recapitulationi" wird weiterentwickelt zu origineller Formanlage - zur axial-symmetrischen "Brückenform". Das besagt, in den nüchternen Worten des Komponisten ausgedrückt: "Der langsame Satz bildet den Kern des Werks, die übrigen Sätze schichten sich um diesen. Und zwar ist der IV. Satz eine freie Variation des II., die Sätze I und V wiederum haben gleiches thematisches Material, d. h.: um den Kern (Satz III) bilden die Sätze I und V die äußere, II und IV die innere Schicht." (aus: Taschenpartitur der Universal Edition 1930)
Die zentrale Funktion des langsamen Satzes bedenkend, könnte man zu allegorischer Deutung, zu inhaltlichen Lesarten außermusikalischer Art veranlasst werden: "Während sich die ersten beiden Sätze im Zeichen ‚negativer' Befindlichkeiten, einer mit der Welt unzufriedenen Subjektivität bewegen, bringt der mittlere Satz die Begegnung des Menschen mit der ‚Natur' (oder ‚seiner' Natur?), die zu Umdenken und Verwandlung durch dialogische Kommunikation führt. Die beiden letzten Sätze atmen Entspannung und Gelöstheit, sogar (im vierten Satze) gepaart mit Humor, und führen im Finale zur Bejahung einer Kollektivität im Zeichen tänzerischer Bewegung, die sich lebendiger Tradition noch gewiss ist." (Frank Schneider)