Das Steak aus dem Bioreaktor: Kunstfleisch

04.02.2006
Im Fleisch, das nicht vom Schlachttier kommt, sondern aus der Petrischale, schlummert der ultimative Kompromiss zwischen Tierschützern und Wurstessern. Aber nicht nur das, auch Weltraumfahrer könnten ihre Nahrung auf langen Reisen frisch produzieren und den Landwirten blühte eine neue Perspektive, falls dem Verbraucher das alles auch noch schmeckt.
Die Fleischproduktion im Bioreaktor als Alternative zur Tierhaltung nimmt immer konkretere Formen an. Inzwischen wurden geeignete Basiszellen aus Huhn, Pute, Schwein, Lamm und Kalb isoliert, um daraus unter Laborbedingungen essbares Gewebe zu züchten. Bei der bisher üblichen Gerüstmethode reifen auf Kollagengewebe embryonische oder regenerative Muskelzellen zu Fasern heran, die sich zu einer Fleischmasse für Hamburger oder Würste verarbeiten lassen. Da die Zellen auf der Grundlage jedoch nur zweidimensional wachsen, ergeben sie keine richtigen Fleischstücke wie zum Beispiel ein Steak (vgl. EU.L.E.n-Spiegel 2003/H.2/S.16).

Für ein dreidimensionales Wachstum wäre eine zusätzliche Nährstoffversorgung der inneren Zellen nötig, etwa durch ein essbares Gerüst aus elastischem und porösem Material, das die Nährlösung verteilt. Es könnte aus einer Gussform entstehen, die mit Kollagen besprüht wird. Nach Aushärtung des Kollagens würde das Trägermaterial aufgelöst und zurück bliebe ein beliebig erweiterbares Röhrensytem. Bislang scheint dieses Vorhaben für die Massenfertigung jedoch zu aufwändig. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Kulturzellen zur Neubildung von Blutgefäßen anzuregen und damit ein eigenes Versorgungssystem zu entwickeln.

Auch die Entwicklung eines geeigneten Nährmediums macht Fortschritte. Während ursprünglich noch Rinderserum zum Einsatz kam, das für eine Massenproduktion nicht nur zu teuer sondern auch für Vegetarier indiskutabel ist, experimentiert man inzwischen mit serumfreien Lösungen wie zum Beispiel mit Maitake-Pilz-Extrakt oder mit Lipiden, die teilweise höhere Wachstumsraten der Zellkultur bewirken. Zusätzlich zur Nährstoffversorgung ist die Beigabe von Wachstumsfaktoren erforderlich. Weil Leberzellen den nötigen Insulinähnlichen Wachstumsfaktor 1 produzieren, dürften sie sich als "Co-Kultur" eignen. Die Zellteilung wiederum könnte durch einen mechanischen Trick angeregt werden. Dazu reicht es aus, das Trägermaterial in zehnminütigem Abstand in die Länge zu ziehen und wieder zu entspannen. Auch magnetische oder elektrische Felder fördern die Teilung der Zellen. Obwohl man die Teilungshäufigkeit der meisten für die Fleischzucht verwendbaren Zellarten noch nicht kennt, ist davon auszugehen, dass schon wenige Zellen ausreichen, um riesige Fleischmengen herzustellen.

Quelle: Edelmann PD et al: In vitro-cultured meat production. Tissue Engineering 2005/11/S. 659-662
Entnommen aus: EU.L.E.n-Spiegel 2005/H.5-6/S.34f
EU.L.E.n-Spiegel