Das Spiel mit den menschlichen Genen

Welche Möglichkeiten und Gefahren im Spiel mit den menschlichen Genen stecken, zeigt dieses außergewöhnliche Sachbuch in Reportagen und Zukunftsgeschichten. Charlotte Kerner erläutert in "Die nächste GENeration" auch den aktuellen Stand der Genforschung.
Auf dem Buchcover erkennt man das Porträt einer jungen Frau, doch irgendetwas stimmt mit ihr nicht. Ihre normale Augenfarbe wurde durch ein milchiges Grau ersetzt, was aus ihr ein kühles, entseeltes Geschöpf macht.

Ihr Name: Dana_2.0, sie ist 25 Jahre alt, und ihr Neuroimplantationsdatum war im Jahr 2019. Die Kurzbeschreibung weist Dana als Kreatur aus, die mithilfe von Programmiertechnik und genetischer Manipulation erzeugt worden ist. Spannender kann man ins Thema Genetik kaum einsteigen.

Das Sachbuch "Die nächste GENeration" informiert Jugendliche und Erwachsene äußerst spannend über den aktuellen Stand des komplexen Themas Genforschung. Die Autorinnen haben dabei einen höchst experimentellen Weg eingeschlagen. Sachtexte zum augenblicklichen Forschungsstand und Gespräche mit Wissenschaftlern und Ethikern werden ergänzt durch Kommentare aus der Zukunft und Science-Fiction-Geschichten, die dazu bestimmt sind, das heute schon Mach- und Denkbare noch weiterzudenken.

Das sind spannende Aufhänger, die jugendliche Leser sicher ermuntern werden, sich mit dem Thema Genforschung näher zu befassen. Die Gentechnik wird weder verdammt noch glorifiziert, und nirgendwo liegen Chancen und Risiken dichter beisammen als hier. Die Autorinnen machen keinen Hehl aus der begründeten Furcht, man könne schon bald Kinder auf Bestellung züchten, Menschen klonen und die Grenzen zwischen Mensch und Tier würden bald verschwimmen.

Andererseits erklären sie, dass Gentechnik durchaus ihre guten Seiten hat: Wenn es zum Beispiel gelingt, Krankheiten auszurotten, Hunger zu bekämpfen und das Altern hinauszuzögern. Entsprechend wertfrei geht das Buch in die Einzelheiten. Die Kapitel behandeln u. a. Genmanipulationen, Krankheiten, das Klonen und auch Chimären, Organismen mit Erbinformationen verschiedener Lebewesen. Ein wissenschaftlicher Anhang, der die Gesetzeslage in Deutschland zeigt, rundet das Buch als zwar poppig aufgemachtes, aber trotzdem absolut ernst zu nehmendes wissenschaftliches Werk ab.

Die Leserinnen und Leser sollten nicht jünger als 14 Jahre sein. Immerhin werden existentielle Fragen an die Zukunft gestellt, und weder paradiesische noch Horror-Szenarien werden ausgespart. Durch die Kommentare aus der Zukunft wird stets betont, wie sehr die Genforschung noch in den Anfängen steckt. Potentielle Leser sollten sich für Biologie interessieren, aber unbedingt auch ein Interesse an ethisch-philosophischen Gedanken mitbringen sowie die Fähigkeit zur Abstraktion. Das Buch ist auch für Erwachsene gut geeignet.

"Die nächste GENeration" muss man nicht unbedingt chronologisch lesen, aber man sollte es tun, um sich nicht den Genuss eines gut inszenierten Spannungsbogens entgehen zu lassen. Die Kapitel bauen aufeinander auf, und am Ende hat man viel über den aktuellen Stand der Genforschung erfahren und erst recht über ihre Bedeutung. "Die nächste Generation wird mehr denn je auch eine GEN-Generation sein", schließt das Vorwort, es ist also besonders für junge Leute wichtig, sich dem Thema zu stellen.

An manchen Stellen schießt das Buch über sein Ziel hinaus. Kommentare und Fotos aus der Zukunft wechseln so schnell mit Sachtexten und tatsächlich geführten, wissenschaftlichen Gesprächen ab, dass man hin und wieder die Orientierung verlieren kann. Zwar hilft einem das Verzeichnis immer schnell, den Pfad wieder aufzunehmen, aber für den einen oder anderen Geschmack haben es die Autorinnen eine Idee zu weit getrieben.

Rezensiert von Roland Krüger

Charlotte Kerner:
Die nächste GENeration: Science + Fiction

Beltz & Gelberg, Weinheim Basel, 2009
256 Seiten, 19,95 Euro