Das Schweigen der Männer
Männer beherrschen die politische Debatte mit lauten Reden - Frauen wie Angela Merkel sind Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Schade nur, dass Männer nicht auch den Mund aufmachen, wenn es um Elternzeit, Kitaplätze und Betreuungsgeld geht, meint Susanne Mayer.
Sie heißen Paul oder Wolfgang, Thomas oder Jochen, sie werden vielleicht Schnucki oder Bärchen genannt, wenn ihre Partnerinnen gute Laune haben, oder Papa! wenn ihre Kinder sie rufen – und haben eines gemeinsam: Sie sind moderne Väter.
Sie windeln, sie stehen nachts auf, sie rasen morgens zum Kindergarten, um Mariechen abzuliefern, und rasen nach dem Job zurück, um sie auszulösen, bevor die Türen zu sind. Sie haben ihren Job eine Zeitlang an den Nagel gehängt, um bei ihren Kindern sein zu können.
Sie tun alles, was eine Frau von einem modernen Mann erwartet – nur eines tun sie nicht. Darüber reden. Sie schweigen über ihre Heldentaten. Sie geben damit nicht an, was schön ist, sie wagen sich nicht vor, was merkwürdig ist, sie sagen nichts, selbst wenn es angebracht wäre, etwa in den leidigen, nervtötenden Debatten über Erziehungszeiten oder Kitaplätze, Betreuungsgeld oder Ehegattensplitting.
Sie mischen sich nicht ein. Sie verteidigen ihr Lebensmodell nicht. Sie lassen das Gezänk an sich vorbeiwehen. Schweigen der Lämmer. Männer schweigen beim Angeln, im Bett manchmal, auf der öffentlichen Bühne – so gut wie nie.
Die öffentliche Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland ist fast eine reine Männerangelegenheit. Ob es um den Krieg in Afghanistan, die Chancen für Obama, die Milliarden Euro für Griechenland oder Spanien geht – Männer führen das Wort, abgesehen von eingestreuten Zitaten von Merkel oder Christine Lagarde. Die Debattenkultur in Deutschland ist zu beinahe hundert Prozent eine Männerkultur, nur auf diesem einem Feld ist das Verhältnis umgekehrt: Wenn es um die Kinderfrage geht. Um Familie. Partnerschaft. Da verstummen Männer.
Und wenn sich Männer zu Wort melden, sind es interessanterweise die Traditionalisten, gerade die, denen es schön vorkommt, wenn 100 Euro dafür geboten werden, wenn - na wer wohl, Mutti, zu Hause bleibt, beim Kind, so wie früher. Das hat Konsequenzen. Solange nur Frauen bei diesem Thema etwas fordern, wird das so ernst genommen, wie Frauen ernst genommen werden - mal so oder so. Motto: Sieht sie gut aus oder nicht?
Nur so lässt es sich erklären, dass ein Krippenplatz für jedes Kind versprochen, dann aber vergessen wird, den Beschluss umzusetzen, und plötzlich, nach Jahren des Verdrängens, 120.000 Plätze fehlen. Oder sind es etwa 240.000 Plätze? Noch nicht mal das ist klar, so viel Kindsvergessenheit herrscht hierzulande, so viel Dilettantismus wäre undenkbar etwa bei Planung, wieviele Jungs die Truppe in Afghanistan braucht und wieviel Feldbetten.
Fortschritte bei den Themen Krippenplätze, Ganztagsschulen, kindersichere Wege, partnerschaftliche Elternzeit, Ehegattensplitting, all das kommt nicht voran, wenn nicht auch mal fortschrittliche Männer ihre Interessen artikulieren. Wie? Sie könnten darauf verweisen, wie schwer die Last auf ihren Schultern wiegt, wenn sie den Unterhalt für alle allein verdienen sollen, in Zeiten unsicherer Arbeitsplätze.
Dass sie es ungemütlich finden, wenn ihre Partnerin den Job aufgibt, und sie dann, auch für ihn, ihre berufliche Zukunft geopfert hat. Dass er sich Partnerschaft nicht mit Ehegattensplitting abkaufen lassen will, 8.000 Euro Steuernachlass. Dass auch er es schön fände, Zeit für die Familie zu haben. Wie traurig es ist, wenn das Kind zu Hause sitzt, bei Mama, statt mit anderen in der Kita zu spielen. Dass der Staat für seine Kinder erstklassige Kindergärten einrichten soll, statt eine gute Milliarde Euro in ein Betreuungsgeld zu stecken, und 20 Milliarden in Steuervergünstigung von Hausfrauenehen.
So oder so ähnlich könnten Männer ihren Standpunkt einbringen. Warum sie es nicht tun? Der französische Soziologe Bourdieu hätte gesagt, dass es sich womöglich unmännlich anfühlt, auf ein Feld hinauszugehen, das als weiblich definiert ist. Dass sowas unter Männern weich-eiig wirkt. Wo doch die neue Form des Heldentums die 24-Stunden-Arbeitskultur ist. Für das Coming-out der Väter braucht es also ein bisschen Mut - aber wirklich nur ein bisschen, denn kaum fängt jemand damit an, wird es ganz selbstverständlich sein.
Susanne Mayer ist Kulturreporterin und Literatur-Redakteurin im Feuilleton der Wochenzeitung DIE ZEIT. Für ihre Sozial-Reportagen erhielt sie den Theodor-Wolff-Förderpreis und zweimal den Emma-Journalistinnenpreis. Sie ist Verfasserin vieler großer Autorenportraits etwa über John Berger, Michael Ondaatje, PO Enquist oder Joan Didion und EL Doctorow, von ihr stammt auch das Buch "Deutschland Armes Kinderland", ein Plädoyer für eine neue Familienkultur. Susanne Mayer hat zwei Söhne und lebt in Hamburg.
Sie windeln, sie stehen nachts auf, sie rasen morgens zum Kindergarten, um Mariechen abzuliefern, und rasen nach dem Job zurück, um sie auszulösen, bevor die Türen zu sind. Sie haben ihren Job eine Zeitlang an den Nagel gehängt, um bei ihren Kindern sein zu können.
Sie tun alles, was eine Frau von einem modernen Mann erwartet – nur eines tun sie nicht. Darüber reden. Sie schweigen über ihre Heldentaten. Sie geben damit nicht an, was schön ist, sie wagen sich nicht vor, was merkwürdig ist, sie sagen nichts, selbst wenn es angebracht wäre, etwa in den leidigen, nervtötenden Debatten über Erziehungszeiten oder Kitaplätze, Betreuungsgeld oder Ehegattensplitting.
Sie mischen sich nicht ein. Sie verteidigen ihr Lebensmodell nicht. Sie lassen das Gezänk an sich vorbeiwehen. Schweigen der Lämmer. Männer schweigen beim Angeln, im Bett manchmal, auf der öffentlichen Bühne – so gut wie nie.
Die öffentliche Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland ist fast eine reine Männerangelegenheit. Ob es um den Krieg in Afghanistan, die Chancen für Obama, die Milliarden Euro für Griechenland oder Spanien geht – Männer führen das Wort, abgesehen von eingestreuten Zitaten von Merkel oder Christine Lagarde. Die Debattenkultur in Deutschland ist zu beinahe hundert Prozent eine Männerkultur, nur auf diesem einem Feld ist das Verhältnis umgekehrt: Wenn es um die Kinderfrage geht. Um Familie. Partnerschaft. Da verstummen Männer.
Und wenn sich Männer zu Wort melden, sind es interessanterweise die Traditionalisten, gerade die, denen es schön vorkommt, wenn 100 Euro dafür geboten werden, wenn - na wer wohl, Mutti, zu Hause bleibt, beim Kind, so wie früher. Das hat Konsequenzen. Solange nur Frauen bei diesem Thema etwas fordern, wird das so ernst genommen, wie Frauen ernst genommen werden - mal so oder so. Motto: Sieht sie gut aus oder nicht?
Nur so lässt es sich erklären, dass ein Krippenplatz für jedes Kind versprochen, dann aber vergessen wird, den Beschluss umzusetzen, und plötzlich, nach Jahren des Verdrängens, 120.000 Plätze fehlen. Oder sind es etwa 240.000 Plätze? Noch nicht mal das ist klar, so viel Kindsvergessenheit herrscht hierzulande, so viel Dilettantismus wäre undenkbar etwa bei Planung, wieviele Jungs die Truppe in Afghanistan braucht und wieviel Feldbetten.
Fortschritte bei den Themen Krippenplätze, Ganztagsschulen, kindersichere Wege, partnerschaftliche Elternzeit, Ehegattensplitting, all das kommt nicht voran, wenn nicht auch mal fortschrittliche Männer ihre Interessen artikulieren. Wie? Sie könnten darauf verweisen, wie schwer die Last auf ihren Schultern wiegt, wenn sie den Unterhalt für alle allein verdienen sollen, in Zeiten unsicherer Arbeitsplätze.
Dass sie es ungemütlich finden, wenn ihre Partnerin den Job aufgibt, und sie dann, auch für ihn, ihre berufliche Zukunft geopfert hat. Dass er sich Partnerschaft nicht mit Ehegattensplitting abkaufen lassen will, 8.000 Euro Steuernachlass. Dass auch er es schön fände, Zeit für die Familie zu haben. Wie traurig es ist, wenn das Kind zu Hause sitzt, bei Mama, statt mit anderen in der Kita zu spielen. Dass der Staat für seine Kinder erstklassige Kindergärten einrichten soll, statt eine gute Milliarde Euro in ein Betreuungsgeld zu stecken, und 20 Milliarden in Steuervergünstigung von Hausfrauenehen.
So oder so ähnlich könnten Männer ihren Standpunkt einbringen. Warum sie es nicht tun? Der französische Soziologe Bourdieu hätte gesagt, dass es sich womöglich unmännlich anfühlt, auf ein Feld hinauszugehen, das als weiblich definiert ist. Dass sowas unter Männern weich-eiig wirkt. Wo doch die neue Form des Heldentums die 24-Stunden-Arbeitskultur ist. Für das Coming-out der Väter braucht es also ein bisschen Mut - aber wirklich nur ein bisschen, denn kaum fängt jemand damit an, wird es ganz selbstverständlich sein.
Susanne Mayer ist Kulturreporterin und Literatur-Redakteurin im Feuilleton der Wochenzeitung DIE ZEIT. Für ihre Sozial-Reportagen erhielt sie den Theodor-Wolff-Förderpreis und zweimal den Emma-Journalistinnenpreis. Sie ist Verfasserin vieler großer Autorenportraits etwa über John Berger, Michael Ondaatje, PO Enquist oder Joan Didion und EL Doctorow, von ihr stammt auch das Buch "Deutschland Armes Kinderland", ein Plädoyer für eine neue Familienkultur. Susanne Mayer hat zwei Söhne und lebt in Hamburg.

Susanne Mayer, Autorin und Publizistin © Die Zeit, Vera Tammen