Das schnelle Geld aus dem Leihhaus

Jochen Brauers im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 13.01.2009
Gerade in diesem Monat, wo viele Gebühren für das neue Jahr anstehen, haben Pfandleiher trotz Krise Hochkonjunktur. Uhren und Schmuck, aber auch Autos und technische Geräte können für einen kurzfristigen Kredit versetzt werden. Im Unterschied zu einem Kredit bei der Bank hafte der Kunde nur mit dem verliehenen Gegenstand, betont Jochen Brauers vom Zentralverband des Deutschen Pfandkreditgewerbes.
Liane von Billerbeck: Pfandleihe. Schon das Wort klingt dermaßen altmodisch, dass mancher sich von Ihnen wahrscheinlich jetzt fragt, ja, gibt es denn so was überhaupt noch? Ja, gibt es. Und die Pfandleiher haben gerade jetzt Hochbetrieb. Nach dem Jahreswechsel, wenn allerlei Gebühren gezahlt werden müssen und das Geld dafür in vielen Familien fehlt. Den Pfandleihern beschert aber nun die Krise ein zusätzliches Umsatzplus. Ob sie auch Krisengewinner sind, das wollen wir jetzt von Jochen Brauers wissen, der ist Pfandleiher und zudem stellvertretender Vorsitzender des Zentralverbandes des Deutschen Pfandkreditgewerbes. Da habe ich aber jetzt geübt. Herr Brauers, ich grüße Sie!

Jochen Brauers: Guten Tag!

Von Billerbeck: Januar, das ist ja traditionell der Monat, wo meist schon am Anfang zu wenig Geld für zu viele Tage da ist. Viele Menschen haben sich zu Weihnachten finanziell übernommen. Müssen die Pfandleiher derzeit besonders viel arbeiten?

Brauers: Besonders viel arbeiten, kann man vielleicht nicht sagen, aber wir haben natürlich im Moment ein gutes Geschäft. Im Dezember ist es so, dass viele Leute die Dinge eher abholen, als vermehrt Neues zu bringen, damit man es Weihnachten tragen kann oder auch zum Jahreswechsel. Im Januar wird dann vieles gebracht aus den genannten Gründen – es kommen viele Rechnungen fürs Jahr, man hat sich vielleicht zum Teil mit den Geschenken etwas übernommen. Und im Moment kommt natürlich dazu, dass der Goldpreis sehr, sehr hoch ist und wir auch sehr hoch ausleihen können, gerade für Gold.

Von Billerbeck: Das heißt, es ist traditionell immer noch so, dass man Schmuck und Uhren bei Ihnen verpfändet, oder?

Brauers: Ja, es ist noch mehr der Fall, als das noch vor zehn Jahren war. Wir haben im Moment 90 bis 95 Prozent dessen, was man zu uns bringt, das sind Uhren und Schmuck, weil man da relativ schnell ein relativ hohes Darlehen bekommen kann, was man bei technischen Artikeln natürlich nicht sagen kann. Gerade technische Artikel sind in den letzten Jahren vom Preis her günstiger geworden im Schnitt, sodass man auch nicht mehr so viel Geld dafür ausleihen kann als Pfand.

Von Billerbeck: Relativ hohe Summen bekommen, wie viel zahlen Sie denn beispielsweise für eine Uhr oder den Schmuck der Großmutter?

Brauers: Das kann man pauschal natürlich nicht sagen. Es geht bei einer Uhr danach, was ist es für eine Uhr. Ist es eine Uhr sagen wir mal von Omega, kann man natürlich mehr dafür geben, als wenn es eine Uhr mit No Name wäre und mit einem Namen, der eben nicht so bekannt ist. Was natürlich bleibt, ist der Metallwert bezüglich des Goldes. Da kann man immer etwas für bekommen.

Von Billerbeck: Also bringen Sie Ihre goldene Uhr zur Pfandleihe, dann kriegen Sie am meisten.

Brauers: Kann man so sagen, ja, ganz genau. Die goldene Uhr ist natürlich nach 20 Jahren immer noch was wert, im Moment besonders viel. Vor drei, vier Jahren war es nicht mal die Hälfte von dem, was wir heute dafür ausleihen können.

Von Billerbeck: Gibt es eigentlich so was wie den typischen Leihhausgänger, und wenn ja, wie sieht der aus?

Brauers: Im Grunde genommen nicht. Wir haben zwei Gruppen nicht: Das sind die ganz Armen, die haben nämlich nichts, was sie uns bringen können, und das sind die ganz Reichen, die haben uns nicht nötig. Und dazwischen ist doch die Klientel oder sind die Kunden sehr breit gestreut, die etwas zu uns bringen. Es gibt ja unterschiedliche Gründe. Es gibt sagen wir mal die Versicherung, die jetzt kommt, es gibt die Steuernachzahlung für den Handwerksbetrieb, es gibt eine ganze Reihe von Gründen, warum man kurzfristig liquide Mittel braucht. Und genau dafür sind wir da.

Von Billerbeck: Haben denn die Leute eigentlich noch so viel Schmuck, dass der ihnen jetzt, wie Sie sagen bei einem Handwerksbetrieb, über wirtschaftlich schwache Zeiten helfen kann?

Brauers: Doch, ich denke mal, es ist recht viel Schmuck noch vorhanden, gerade im Goldbereich ist noch sehr viel, sodass das für uns nach wie vor ein äußerst interessantes Pfand ist.

Von Billerbeck: Bekommen die Leute eigentlich die Summe, die sie erwarten oder sich erhoffen, oder gibt es denn da auch ab und zu mal Enttäuschungen, wenn Sie als Pfandleiher beispielsweise die Echtheit des Schmuckes prüfen?

Brauers: Es gibt natürlich auch die eine oder andere Enttäuschung. Gerade Schmuckstücke, die über mehrere Generationen vererbt wurden, sind hin und wieder nicht das wert, was man vermutet hat. Das, nehme ich mal an, hängt auch ein bisschen mit der Überlieferung zusammen. Es wird immer von Mal zu Mal etwas mehr wert, und wir müssen dann schon mal die Dinge richtigstellen. Aber viele Menschen wissen doch sehr wohl um den Wert der Dinge, die sie zu uns bringen, und da ist man sich auch ganz schnell einig.

Von Billerbeck: Woran verdienen die Pfandleiher eigentlich?

Brauers: Es ist so, dass wir ein Darlehen vergeben. Für dieses Darlehen muss der Kunde Zinsen zahlen, ein Prozent Zinsen pro Monat, und eine Unkostengebühr. Und diese Pfandleihgebühr oder diese Zinsen und Gebühren, da gibt es eine Verordnung des Staates, eine Pfandleihverordnung, und genau da ist festgelegt, was wir an Zinsen und Gebühren nehmen dürfen. Nehmen Sie mal das Pfand von 300 Euro, dann dürfen wir ein Prozent Zinsen, also 3 Euro nehmen pro Monat, und eine Unkostengebühr von 6,50 Euro.

Von Billerbeck: Kann man sich also ausrechnen, was das kostet.

Brauers: Das ist im Grunde genommen ganz klar gegliedert, es ist gesetzlich festgelegt, und das schon seit 1963 so gut wie ohne Änderungen, diese Pfandleihverordnung, und da weiß man ganz schnell, was auf einen zukommt. Und vielleicht ganz wichtig noch: Bei uns haftet man ausschließlich mit dem Pfandgegenstand. Wenn Sie sonst bei einer Bank einen Kredit aufnehmen, dann haften Sie nicht nur mit dem Pfandgegenstand oder sagen wir mal mit dem Haus, sondern im Grunde genommen mit Ihrem gesamten Privatvermögen. Das ist bei uns nicht der Fall. Kommt der Kunde nicht mehr wieder, dann dürfen wir uns ausschließlich aus diesem Pfand befriedigen. Das heißt, wir werden nicht auf den Kunden zutreten und sagen, da ist noch irgendwas offen, sollten wir mal zu hoch beliehen haben. Das ist bei uns nicht der Fall.

Von Billerbeck: Wie lange muss so ein Pfandleiher eigentlich die Gegenstände aufbewahren, bis er sie versteigern lassen kann?

Brauers: Es ist so, dass ein Pfandvertrag eine Laufzeit von drei Monaten hat in der Regel. Nach Ablauf von vier Monaten dürfen wir versteigern, und nach Ablauf von zehn Monaten müssen wir versteigern. Und dazwischen ist die Zeit, die etwas variabel für uns ist. Es muss eine gewisse Menge zusammenkommen, damit sich eine Versteigerung überhaupt erst lohnt. Sodass es sein kann, dass der eine nach vier Monaten versteigert und der andere erst nach neun, aber nach zehn muss es eben passiert sein. Dafür ist der Pfandkredit eben ein typischer kurzfristiger Kredit. Und vielleicht sollte man noch anmerken: Sollte auf einer Versteigerung einmal mehr herauskommen, als uns als Pfandleiher oder als Leihhausbetrieb an Zinsen und Gebühren zusteht, aber sollte mehr rauskommen, als die Unkosten, dann steht das dem Verpfänder zu.

Von Billerbeck: Passiert das öfter, so was?

Brauers: Ja, das passiert bei jeder Versteigerung. Man weiß ja vorher nicht, wer wie viel auf welches Pfand bietet. Und der Kunde hat dann zwei Jahre lang Zeit. Und kommt er nach zwei Jahren nicht, so müssen wir das an den Staat abführen nach zwei Jahren.

Von Billerbeck: Von Uhren und Schmuck haben wir schon viel geredet, aber ich habe jetzt gelesen, dass es auch neue Wertgegenstände gibt, die Sie und Ihre Kollegen in Zahlung nehmen: Autos nämlich. Müssen das ganz spezielle Autos sein, also muss es der Ferrari sein, oder nehmen Sie auch einen normalen gebrauchten Golf?

Brauers: Also wir speziell beleihen keine Kraftfahrzeuge, unsere Geschäfte sind in City-Lagen, wir haben einfach nicht die Räumlichkeiten dafür. Aber es gibt durchaus eine ganze Reihe von Kfz-Pfandhäusern in Deutschland, die aber sicherlich nicht nur den Ferrari nehmen, sondern auch den Golf. An sich ist die Voraussetzung wie bei allen anderen Pfändern auch, es muss ein Gegenwert da sein. Also der zehn Jahre alte Wagen, wo der Lack schon verhunzt ist, den wird mit Sicherheit keiner nehmen, aber den gebrauchten Golf, der sagen wir mal drei, vier Jahre alt ist, das ist sicherlich ein Beleihungsgegenstand, da sehe ich kein Problem.

Von Billerbeck: Über das schnelle Geld aus dem Leihhaus sprechen wir mit Jochen Brauers, Pfandleiher und Vizechef des Zentralverbandes des Deutschen Pfandkreditgewerbes. Der Januar 2009, Herr Brauers, das ist der erste Januar seit Beginn der weltweiten Krise. Spürt das die Pfandkreditbranche ganz besonders?

Brauers: Nein, kann man so noch nicht sagen. Wie ich eben schon mal sagte, wir spüren natürlich den hohen Goldpreis, aber zwischen dem Moment, wo die Krise ausbricht, und dem Moment, wo sich das auf eine Vielzahl von Menschen niederschlägt durch irgendwelche Auswirkungen, sei es Kurzarbeit oder dass jemand ganz seine Arbeit verliert oder, oder, – da ist immer ein gewisser Zeitraum, sodass wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen können, dass wir davon wirklich profitieren würden.

Von Billerbeck: Erwarten Sie, dass es da einen Boom gibt, weil, ich weiß nicht, in wirtschaftlich schweren Zeiten, da halten die Leute normalerweise ihr Geld zusammen. Wie schätzen Sie die Entwicklung Ihrer Branche ein?

Brauers: Da haben Sie im Grunde genommen sicherlich nicht Unrecht. Die Leute halten natürlich an ihren Gegenständen etwas mehr fest in Zeiten, wo sie nicht wissen, was morgen ist, sodass man es zurzeit noch relativ schwer abschätzen kann. Wer aber Kreditbedarf hat für kurze Zeit, der ist bei uns sicherlich gut aufgehoben, weil so schnell wie bei uns wird es nirgendwo gehen. Sie kommen zu uns, bringen den Gegenstand, wir taxieren den, und drei, vier, fünf Minuten später können Sie den Laden schon wieder mit Ihrem Darlehen verlassen. Das ist sicherlich attraktiv. Ob das für uns jetzt ein Riesenvorteil ist, wenn wir in Anführungszeichen mal "in eine Rezession gehen", da sind wir noch nicht sicher. Das kann man so noch nicht abschätzen.

Von Billerbeck: Im vorigen Jahr, habe ich gelesen, hat Ihre Branche etwa 380 Millionen Euro Umsatz gemacht, und das waren 5 Prozent mehr. Damit stehen Sie ja weit besser da als die Banken. Was meinen Sie, wird das so bleiben?

Brauers: Es wird sogar noch etwas mehr sein als 5 Prozent, so wie es zumindest aussieht. Wir schätzen, wir haben noch nicht die endgültigen Zahlen, dass wir etwa 500 Millionen an Krediten vergeben haben im Jahr 2008, die endgültigen Zahlen sind noch nicht raus. Der Vorteil bei uns ist natürlich, diese Dinge, die bei den Banken, weniger bei den Sparkassen, aber bei den Banken eine Rolle gespielt haben, weswegen die Probleme aufgetaucht sind, das gibt es bei uns ja gar nicht. Wir refinanzieren uns sicherlich auch über Banken, aber für den Kunden, der uns ein Pfand bringt, ist das im Grunde genommen völlig risikolos. Er haftet ausschließlich damit, bringt er das Geld wieder, bekommt er sein Pfand. Da spielt das, was bei den Banken eine Rolle gespielt hat, überhaupt nicht hinein.

Von Billerbeck: Über das schnelle Geld aus dem Leihhaus sprachen wir mit Jochen Brauers vom Verband des Pfandkreditgewerbes. Ich danke Ihnen!