Das Schicksal von Murat Kurnaz in kalter Flughafenhalle
Fast fünf Jahre seines Lebens verbringt der Deutschtürke Murat Kurnaz aus Bremen in Haft. Nach dem 11. September reiste er nach Pakistan und wurde dort festgenommen. Beim Kieler Theaternachwuchsfestival war sein Schicksal Thema. In der kalten Abfertigungshalle des Flughafens - ein perfekter Aufführungsort.
Während draußen auf dem verlassenen Flugfeld eine Maschine der Royal Navy landet, fahren drinnen auf dem Fließband für Gepäckstücke die fünf Darsteller des Murat Kurnaz in die Abfertigungshalle. Geduckt, die Hände auf dem Rücken, in Flipflops und orangefarbenen Overalls. In der Mitte des kargen Raums eine Säule, umwickelt von einer amerikanischen Flagge.
"Bist du Taliban, gehörst du zu Al-Qaida, findest du Osama gut, du wolltest nach Afghanistan, was wolltest du in Pakistan,.....nein, nein....
Was hast du gemacht – ich war zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort."
Fast fünf Jahres seines Lebens verbringt der Deutschtürke Murat Kurnaz aus Bremen in Haft, zunächst im afghanischen Kandahar, dann auf Kuba. 2001, zwei Wochen nach dem 11. September, reiste er nach Pakistan, um dort eine Koranschule zu besuchen. Doch kurz bevor er das Land wieder verlassen will, wird er bei einer Sicherheitskontrolle festgenommen.
"”Are you german, are you turkish, why did you come here, what did you do in pakistan, are you married, ...”"
Gegen ein Kopfgeld von 3000 Dollar wird er schließlich von der pakistanischen Polizei an die US- Streitkräfte verkauft und nach Guantanamo gebracht. Ohne Anklage und ohne Verfahren wird Murat Kurnaz 1600 Tage lang inhaftiert, unzählige Male gefoltert und misshandelt.
"Don´t move..out, get out, wir müssen knien und den Kopf auf die Brust setzen, es knirscht. Terrorist, you kill ..ich spreche deutsch, wir werden eine sehr schöne Zeit miteinander haben. Weißt du, warum du hier bist, weißt du, was die Deutschen mit den Juden gemacht haben? Genau das machen wir jetzt mit euch."
Wie ein Menschenzoo beschreibt Murat Kurnaz das Szenario in Guantanamo, Käfig neben Käfig. Für die Medien gäbe es eigens angefertigte Gitterzellen. Es sei verboten mit Fingern im Staub zu malen - es sei nicht erlaubt zu sprechen oder die Wärter anzusehen. Willkürliche Regeln herrschen, die bei Nichtbefolgung mit Gewalt beantwortet würden.
Ein Verhör nach dem anderen folgt, Vernehmungen durch die Amerikaner, durch die Türken und die Deutschen.
"es ist unglaublich heiß hier und ich habe ständig Hunger, die Käfige....wenn sie unsere Fragen wahrheitsgemäß beantworten, dann kann das ihre Freilassung nur beschleunigen. Dann fangen sie mal mit ihrer Lebensgeschichte an."
Die Regisseurin Nina Pichler wechselt zwischen Bericht und szenischer Darstellung. Eine Mischung, die dem undurchsichtigen Fall Kurnaz mehr als gerecht wird. Das Stück ist, wie das Buch, eine Suche nach den Motiven, den Beweggründen des damals 19-jährigen. Ohne zu psychologisieren schildert Nina Pichler die Ereignisse.
"was einfach spannend ist, ist das, was er erzählt, was er berichtet. Ich würde mir nicht anmaßen, in dem Moment, wo er gerade in einer Isolationszelle sitzt, über drei Monate und weder Licht noch Nahrung, noch Luft kriegt, heraus zu finden wie er sich in dem Moment gefühlt hat."
"Mich reizt eher die Art und Weise, wie er das erzählt. Und das war so der Anlass, ich glaubt ihm das, absolut, sonst kann ich das nicht inszenieren, wenn ich da einen Zweifel hätte und was ich toll finde, ist seine absolut wertfreie Erzählung. Er kreidet eigentlich niemanden etwas an, er erzählt einfach nur."
Die Idee Murat Kurnaz gleich fünf Gesichter zu verleihen, objektiviert die Geschehnisse. Fragen dürfen offen bleiben. Antworten gesucht werden.
"Ich wollte vermeiden, dass man sagt, ich hab diese Identifikationsfigur von diesem Kurnaz, was bedeutet, ich hab einen Schauspieler, der allein schon vom Äußeren, diesen Bart trägt, wo man sagt, das ist der Kurnaz, sondern mir ist es wichtiger, dass man einen Schauspieler hat, der so zusagen für Kurnaz diesen Text übernimmt und da das jedem hätte passieren können, und er auch nicht der einzige ist, habe ich mich dann entschieden. Ich hab da fünf starke Schauspieler und durch diese Wechsel kriegt das noch mal ne andere Kraft, weil jeder auf seine Art und Weise das erzählt."
Der zugeteilte Raum, die alte kühle Abfertigungshalle des Kieler Flughafens, könnte für den Fall Kurnaz perfekter nicht sein.
"das Stück fing an am Flughafen und endet am Flughafen und insgesamt ist natürlich der Raum an sich auch toll, weil er so kalt ist und so kahl ist."
Auch wenn Details der Geschichte nicht zu verifizieren ist, so ist die Uraufführung "Fünf Jahre meines Lebens", doch eine beeindruckende, mutige, dichte und sehr gelungene Inszenierung. In eindrucksvoller und unmittelbarer Weise werden die Folgen eines verstrickten Einzelschicksals sichtbar, aber auch die Rolle der deutschen Politik und der Geheimdienste.
Eingehüllt in durchsichtige Plastikgewänder baumeln die nackten Beine von vier Frauen über das Holzgeländer, in der ersten Etage einer Kieler Diskothek. Eine Jurastudentin, fleißig und engagiert, verehrt sie Osama bin Laden, eine konvertierte Christin, eine Schülerin und eine junge Frau aus Bosnien. Alle zwischen ihrem traditionellen Glauben und der Sehnsucht nach Liebe. In Hasstiraden schreien sie ihre Wut in den Raum.
"Allah ist mein Herrscher, der Prophet mein Menschenkönig, im Koran finde ich die Verfassung und im heiligen Krieg die schönen Unterweisungen, damit habe ich mich ausgewiesen für Ost und West. Damit habe ich mich als Stück Dreck erwiesen, für das die Westler mich immer hielten. Ist Gott denn so fern von ihnen?"
Feridun Zaimoglus und Günter Senkels "Schwarze Jungfrauen", verdichten die Interviews von jungen deutschen Muslimas zu radikalen Monologen. Alltagserfahrungen, innere Glaubenskämpfe und Gardarobenfragen fügen sich zu einem vielfach gebrochenen Bild eines muslimischen Lebens zusammen. Zwischen bauchfrei und voll verschleiert, zwischen traditioneller Frauenrolle und westlichem Lebensstil sprechen die Frauen provozierend und direkt über ihre Lebensentwürfe.
"Hey, hey, ich arbeite in einem Handyshop und die Deutschen, wenn sie reinkommen, machen große Augen wegen mir und meinem Kopftuch. Manche steuern direkt mich an und ich leiere runter, was die hören wollen. Musik."
Starker Tobak, mit dem die Zuschauer konfrontiert werden, denn die Ansichten dieser deutschen Muslimas sind teilweise ebenso radikal wie dumm. Gleichzeitig aber offenbart sich in den Monologen ein Selbstbewusstsein, das jedes Klischee von schamhaften Kopftuchträgerinnen Lügen straft und vor allem, das dazu zwingt, sich auseinander zu setzen.
Auch in der Kieler Seefischmarkthalle haben die Nachwuchstalente freie Bahn. Sänger aus der Lübecker Musikhochschule, das Orchester des Ernst-Barlach-Gymnasiums präsentieren die deutsche Erstaufführung einer Kinderoper von Lorenzo Ferrero. Eine schrille, schnelle und fantasievolle Oper, in italienischer Sprache und deutscher Rahmenhandlung. Sie komplettiert das Spektrum der Kieler Werkstattinszenierungen. Regiestudentin Nina Kupczyk.
"Die Chance ist natürlich, erst mal arbeiten zu dürfen mit den tollen Sängern, die gestellt wurden, auch einen Pianisten immer vor Ort zu haben und natürlich auch die Möglichkeit ne Erstaufführung zu machen, das ist schon toll, kann man nicht anders sagen."
"Bist du Taliban, gehörst du zu Al-Qaida, findest du Osama gut, du wolltest nach Afghanistan, was wolltest du in Pakistan,.....nein, nein....
Was hast du gemacht – ich war zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort."
Fast fünf Jahres seines Lebens verbringt der Deutschtürke Murat Kurnaz aus Bremen in Haft, zunächst im afghanischen Kandahar, dann auf Kuba. 2001, zwei Wochen nach dem 11. September, reiste er nach Pakistan, um dort eine Koranschule zu besuchen. Doch kurz bevor er das Land wieder verlassen will, wird er bei einer Sicherheitskontrolle festgenommen.
"”Are you german, are you turkish, why did you come here, what did you do in pakistan, are you married, ...”"
Gegen ein Kopfgeld von 3000 Dollar wird er schließlich von der pakistanischen Polizei an die US- Streitkräfte verkauft und nach Guantanamo gebracht. Ohne Anklage und ohne Verfahren wird Murat Kurnaz 1600 Tage lang inhaftiert, unzählige Male gefoltert und misshandelt.
"Don´t move..out, get out, wir müssen knien und den Kopf auf die Brust setzen, es knirscht. Terrorist, you kill ..ich spreche deutsch, wir werden eine sehr schöne Zeit miteinander haben. Weißt du, warum du hier bist, weißt du, was die Deutschen mit den Juden gemacht haben? Genau das machen wir jetzt mit euch."
Wie ein Menschenzoo beschreibt Murat Kurnaz das Szenario in Guantanamo, Käfig neben Käfig. Für die Medien gäbe es eigens angefertigte Gitterzellen. Es sei verboten mit Fingern im Staub zu malen - es sei nicht erlaubt zu sprechen oder die Wärter anzusehen. Willkürliche Regeln herrschen, die bei Nichtbefolgung mit Gewalt beantwortet würden.
Ein Verhör nach dem anderen folgt, Vernehmungen durch die Amerikaner, durch die Türken und die Deutschen.
"es ist unglaublich heiß hier und ich habe ständig Hunger, die Käfige....wenn sie unsere Fragen wahrheitsgemäß beantworten, dann kann das ihre Freilassung nur beschleunigen. Dann fangen sie mal mit ihrer Lebensgeschichte an."
Die Regisseurin Nina Pichler wechselt zwischen Bericht und szenischer Darstellung. Eine Mischung, die dem undurchsichtigen Fall Kurnaz mehr als gerecht wird. Das Stück ist, wie das Buch, eine Suche nach den Motiven, den Beweggründen des damals 19-jährigen. Ohne zu psychologisieren schildert Nina Pichler die Ereignisse.
"was einfach spannend ist, ist das, was er erzählt, was er berichtet. Ich würde mir nicht anmaßen, in dem Moment, wo er gerade in einer Isolationszelle sitzt, über drei Monate und weder Licht noch Nahrung, noch Luft kriegt, heraus zu finden wie er sich in dem Moment gefühlt hat."
"Mich reizt eher die Art und Weise, wie er das erzählt. Und das war so der Anlass, ich glaubt ihm das, absolut, sonst kann ich das nicht inszenieren, wenn ich da einen Zweifel hätte und was ich toll finde, ist seine absolut wertfreie Erzählung. Er kreidet eigentlich niemanden etwas an, er erzählt einfach nur."
Die Idee Murat Kurnaz gleich fünf Gesichter zu verleihen, objektiviert die Geschehnisse. Fragen dürfen offen bleiben. Antworten gesucht werden.
"Ich wollte vermeiden, dass man sagt, ich hab diese Identifikationsfigur von diesem Kurnaz, was bedeutet, ich hab einen Schauspieler, der allein schon vom Äußeren, diesen Bart trägt, wo man sagt, das ist der Kurnaz, sondern mir ist es wichtiger, dass man einen Schauspieler hat, der so zusagen für Kurnaz diesen Text übernimmt und da das jedem hätte passieren können, und er auch nicht der einzige ist, habe ich mich dann entschieden. Ich hab da fünf starke Schauspieler und durch diese Wechsel kriegt das noch mal ne andere Kraft, weil jeder auf seine Art und Weise das erzählt."
Der zugeteilte Raum, die alte kühle Abfertigungshalle des Kieler Flughafens, könnte für den Fall Kurnaz perfekter nicht sein.
"das Stück fing an am Flughafen und endet am Flughafen und insgesamt ist natürlich der Raum an sich auch toll, weil er so kalt ist und so kahl ist."
Auch wenn Details der Geschichte nicht zu verifizieren ist, so ist die Uraufführung "Fünf Jahre meines Lebens", doch eine beeindruckende, mutige, dichte und sehr gelungene Inszenierung. In eindrucksvoller und unmittelbarer Weise werden die Folgen eines verstrickten Einzelschicksals sichtbar, aber auch die Rolle der deutschen Politik und der Geheimdienste.
Eingehüllt in durchsichtige Plastikgewänder baumeln die nackten Beine von vier Frauen über das Holzgeländer, in der ersten Etage einer Kieler Diskothek. Eine Jurastudentin, fleißig und engagiert, verehrt sie Osama bin Laden, eine konvertierte Christin, eine Schülerin und eine junge Frau aus Bosnien. Alle zwischen ihrem traditionellen Glauben und der Sehnsucht nach Liebe. In Hasstiraden schreien sie ihre Wut in den Raum.
"Allah ist mein Herrscher, der Prophet mein Menschenkönig, im Koran finde ich die Verfassung und im heiligen Krieg die schönen Unterweisungen, damit habe ich mich ausgewiesen für Ost und West. Damit habe ich mich als Stück Dreck erwiesen, für das die Westler mich immer hielten. Ist Gott denn so fern von ihnen?"
Feridun Zaimoglus und Günter Senkels "Schwarze Jungfrauen", verdichten die Interviews von jungen deutschen Muslimas zu radikalen Monologen. Alltagserfahrungen, innere Glaubenskämpfe und Gardarobenfragen fügen sich zu einem vielfach gebrochenen Bild eines muslimischen Lebens zusammen. Zwischen bauchfrei und voll verschleiert, zwischen traditioneller Frauenrolle und westlichem Lebensstil sprechen die Frauen provozierend und direkt über ihre Lebensentwürfe.
"Hey, hey, ich arbeite in einem Handyshop und die Deutschen, wenn sie reinkommen, machen große Augen wegen mir und meinem Kopftuch. Manche steuern direkt mich an und ich leiere runter, was die hören wollen. Musik."
Starker Tobak, mit dem die Zuschauer konfrontiert werden, denn die Ansichten dieser deutschen Muslimas sind teilweise ebenso radikal wie dumm. Gleichzeitig aber offenbart sich in den Monologen ein Selbstbewusstsein, das jedes Klischee von schamhaften Kopftuchträgerinnen Lügen straft und vor allem, das dazu zwingt, sich auseinander zu setzen.
Auch in der Kieler Seefischmarkthalle haben die Nachwuchstalente freie Bahn. Sänger aus der Lübecker Musikhochschule, das Orchester des Ernst-Barlach-Gymnasiums präsentieren die deutsche Erstaufführung einer Kinderoper von Lorenzo Ferrero. Eine schrille, schnelle und fantasievolle Oper, in italienischer Sprache und deutscher Rahmenhandlung. Sie komplettiert das Spektrum der Kieler Werkstattinszenierungen. Regiestudentin Nina Kupczyk.
"Die Chance ist natürlich, erst mal arbeiten zu dürfen mit den tollen Sängern, die gestellt wurden, auch einen Pianisten immer vor Ort zu haben und natürlich auch die Möglichkeit ne Erstaufführung zu machen, das ist schon toll, kann man nicht anders sagen."