Das Reich der Mitte rüstet auf

Von Ruth Kirchner |
China wird in diesem Jahr deutlich mehr Geld für die Rüstung ausgeben als noch 2010. Peking beteuert zwar, seine Militär-Politik sei rein defensiver Natur. Doch Chinas Nachbarn und die USA beobachten die Entwicklung mit wachsender Sorge.
Wenn China überhaupt Ausländern Einblicke in die Volksbefreiungsarmee erlaubt, dann sind es harmlose Übungen wie diese – junge Rekruten trainieren für Einsätze in Katastrophengebieten. Was neue Waffenentwicklungen angeht oder strategische Fragen, hält sich Peking dagegen bedeckt. Unbeantwortet ist auch die Frage, wofür China eigentlich die im diesjährigen Verteidigungshaushalt bereit gestellten 65 Milliarden Euro ausgeben will. Der Sprecher des Volkskongresses, Li Zhaoxing, reagierte auf entsprechende Fragen von Journalisten eher ausweichend.

"China hält an seinem friedlichen Entwicklungsweg fest, die Verteidigungspolitik ist defensiv gestaltet. Im internationalen Vergleich sind unsere Verteidigungsausgaben relativ gering. Unsere begrenzten militärischen Mittel werden nur zur Sicherung unserer Unabhängigkeit, der Souveränität und territorialen Integrität ausgegeben. Dies stellt keine Bedrohung für andere dar."

Doch so ganz kann das wohl kaum stimmen. Nach amerikanischen Schätzungen wird nur ein Teil der Rüstungsausgaben im offiziellen Verteidigungshaushalt ausgewiesen, große Summen werden anderswo versteckt. Die tatsächlichen Militärausgaben sind nach Schätzungen der US-Regierung zwei- bis dreimal so hoch wie offiziell angegeben.

Mit dem Geld werden neue Waffensysteme entwickelt, soll die größte Armee der Welt in eine moderne Streitmacht verwandelt werden. Chinas Nachbarn, vor allem Japan und Südkorea, aber auch Länder in Südostasien, beobachten diese Entwicklung mit Sorge. Zumal Chinas Streitkräfte offenbar auf allen Ebenen umgebaut und modernisiert werden. Jonathan Holslag ist China-Experte am Brüsseler Institut für Zeitgenössische Studien.

"Es geht um konventionelle Ausrüstung wie Schiffe, U-Boote und Flugzeuge. Aber wir sehen auch, wie China mehr und mehr asymmetrische Formen der Abschreckung entwickelt, wie etwa Langstreckenraketen, die gegen Flugzeugträger eingesetzt werden können, kleinere Schiffe mit Anti-Schiffs-Raketen, die auch gegen amerikanischer Zerstörer eingesetzt werden könnten. Also ein sehr umfassender Ansatz."

Noch ist Chinas Verteidigungspolitik nach Ansicht von Experten vor allem regional ausgerichtet. Es geht um die abtrünnige Insel Taiwan, die China zumindest laut offizieller Politik zur Not mit Waffengewalt zurückholen will. Es geht um Territorialkonflikte mit Japan im ostchinesischen Meer. Und es geht um das rohstoffreiche südchinesische Meer, wo es eine Menge Streitigkeiten mit den Anrainerstaaten gibt. Darüber hinaus beäugt China argwöhnisch die amerikanische Vormachtstellung im Pazifik. Peking fürchtet ständig, Washington wolle das aufstrebende China klein halten. All das, die regionalen Ambitionen und der unterschwellige Konflikt mit den USA, spiegelt sich auch in der Verteidigungspolitik wider, sagt Jonathan Holslag.

"China sieht sich als Regionalmacht mit globalen Interessen. Und wegen dieser globalen Interessen glaubt man, dass es notwendig ist, auch militärisch Flagge zu zeigen und dass militärische Stärke notwendig sein wird, um die globalen Interessen zu verteidigen."

Chinas Aufstieg zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt schürt daher auch Ängste vor der neuen Militärmacht China. Anders als die USA ist die Volksrepublik zwar militärisch noch lange keine globale Supermacht – aber sie macht zunehmend deutlich, dass man in Zukunft mit ihr rechnen muss.