Das Rätsel der Welt

30.03.2009
Der renommierte Sachbuchautor Johannes von Buttlar befasst sich in seinem neuen Buch mit der Entwicklung des Universums. Er tritt darin dem etablierten Urknall-Paradigma mit einer provokanten These entgegen. Bei einigen Erklärungen gerät er in die Grauzone zwischen Wissenschaft und Spekulation.
Bewegte Uhren gehen langsamer, schnell fliegende Raumschiffe erscheinen verkürzt, Astronauten an Bord bleiben jünger als die zu Hause gebliebenen Kollegen, Materie krümmt den Raum, was den einen gleichzeitig erscheint, geschieht für die anderen nacheinander, in der Welt der Quanten spielen Raum und Zeit kaum eine Rolle, Wahrscheinlichkeiten siegen über präzise Vorhersagen etc. Die Phänomene der Relativitäts- und Quantentheorien sind immer wieder verblüffend. Für Johannes von Buttlar ist die "Raumzeit" sogar eine Provokation der Schöpfung, wie er im Untertitel darlegt.

In 14 Kapiteln schildert uns der Autor die heutigen Kenntnisse über Aufbau und Entwicklung der Welt, die Triumphe und Schwächen neuer Theorien und die enormen Rätsel, die sich noch immer oder jetzt erst recht vor den Forschern auftürmen. Szenisch führt Buttlar seine Leser mal 15 Millionen Jahre zurück nach Zentralafrika, um im fiktiven Dialog nachzuvollziehen, warum ein "behaartes, äffisches Wesen" vom Baum geklettert ist und sich entschlossen hat, die Welt zu erkunden.

Dann erlebt man in drastischer Schilderung die letzten Stunden Giordano Brunos mit, der für seine Ansicht, dass die Sterne am Himmel ferne Sonnen mit Planeten seien, im Jahr 1600 auf Befehl der Inquisition verbrannt wurde. Schließlich geht es auf Einsteins Socken hin zu Zeitreisen im Jahr 2108 und ebenso schnell zurück in die Gegenwart. Eben noch in der Zeit vor dem Urknall jagt der Leser plötzlich durch die Branenwelt in die Stringtheorie. Der Autor lässt die Entwicklung des Lebens auf der Erde Revue passieren und sinniert über die Hirnmasse des Menschen, ob sie Voraussetzung oder Folge des Forscherdrangs ist.

Egal um welche Fakten und Theorien es auch geht: Buttlar, Jahrgang 1940 und ein versierter Sachbuchautor, erzählt fast alles in Form durchaus packender alltagsnaher Geschichten, in Dialogen realer oder fiktiver Personen. Ebenso wie er zeitlich wild hin- und herspringt, folgen die behandelten Themen keinem logischen Ablauf. Der Autor trägt vor allem viele Anekdoten über die Protagonisten der modernen Wissenschaft zusammen und erzählt von persönlichen Begegnungen. Oft verschüttet das vermeintliche Beiwerk den inhaltlichen Kern. Manchmal hat man den Eindruck, der Autor wolle den Lesern die harten Fakten kaum zumuten und verpacke sie daher möglichst voluminös in witzige Geschichten. Das tut dem Buch nicht gut.

Der vom Verlag im Klappentext großspurig angekündigte bahnbrechende Neuansatz zur Lösung der Kernfrage unseres Seins fällt dann doch deutlich weniger revolutionär aus. Dass die nach heutiger Ansicht das All dominierende Dunkle Energie den Schlüssel zur Beschreibung von Raum und Zeit darstellen soll, ist nicht übermäßig originell. Zudem kann auch Buttlar über ein pulsierendes Universum nur spekulieren – seine Gedanken sind nicht besser belegt als komplexe Theorien.

Fazit: Wer eine seriöse und didaktisch einwandfreie Einführung in die Phänomene Raum, Zeit und Gravitation sucht, der sollte die Finger von diesem Buch lassen. Wer sich aber im Thema bereits auskennt, dem vermittelt Buttlars "Raumzeit" einige ebenso vergnügliche wie provozierende Gedanken – auch wenn man den Schlüssen des Autors kaum folgen wird.

Rezensiert von Dirk Lorenzen

Johannes von Buttlar: "Raumzeit. Provokation der Schöpfung",
Herbig 2009, 304 Seiten, 19,95 €