"Das politische Lagerfeuer, das immer brennt"

Von Michael Meyer |
Am 7. April 1997 ging PHOENIX auf Sendung. Damals noch bespöttelt und von den privaten Konkurrenten durch eine Klage bedroht, hat sich das Programm zu einem etablierten Sender innerhalb der Programmfamilie von ARD und ZDF entwickelt. Mit Themenabenden und prominenten Moderatoren will der Fernsehsender in Zukunft verstärkt auf sich aufmerksam machen.
Kaum ein Programm darf man als so öffentlich-rechtlich bezeichnen wie den Ereignis- und Dokumentationskanal PHOENIX. Das Programm besteht tagsüber fast ausschließlich aus Live- oder zeitversetzten Übertragungen von Parteitagen, Pressekonferenzen, Unternehmer- und Gewerkschaftstagen und anderen wichtigen Ereignissen. Abends wandelt sich das Programmschema dann: Von Reportagen über Talkshows, Wiederholungen von Diskussionsendungen und den Nachrichten von ARD und ZDF – ergänzt durch Simultanübersetzung durch Gebärdendolmetscher.

Programmgeschäftsführer Klaus Radke vom ZDF räumt ein, dass die Gruppe der Zuschauer eine kleine Minderheit ist – aber: Es sei eine feine Minderheit:

" Die Zuschauerschaft besteht aus Menschen in den Ballungsräumen mit höherer Bildung, sehr qualifiziert ist die Zuschauerschaft bei den Ereignisübertragungen, bei den Dokumentationen haben Sie eine ganz breite Zuschauerschaft und die Gesprächssendungen werden von unterschiedlichsten Menschen gesehen, von sehr vielen Menschen im Osten Deutschlands, die sich offenbar mehr Zeit nehmen möchten, zuzuhören, und die es schätzen, dass man bei PHOENIX ausreden kann. "

Die Talkshows von PHOENIX kommen allerdings zuweilen etwas behäbig daher – ebenso wie die oft quälend langatmigen Ereignisübertragungen. Sie sind nur etwas für echte Nachrichtenfans, die sich "Das ganze Bild" machen wollen, wie ein Slogan des Senders lautet.

Dennoch: Die Quoten steigen, auf zuletzt 0.9 Prozent – und damit ist PHOENIX immerhin Zweiter unter den kleinen Spartenprogrammen, noch vor N24 oder n-tv. Die Live-Übertragung des Visa- Untersuchungsausschusses mit dem Politstar Joschka Fischer bescherte PHOENIX Top-Quoten.

PHOENIX hat in den vergangenen zehn Jahren Politik zugänglicher und transparenter gemacht – kaum ein anderes Programm wird in Umfragen so lobend erwähnt, wenn es um das öffentlich-rechtliche System geht. Mehr noch: PHOENIX wurde sogar als Beispiel genannt, warum es sich lohne, Rundfunkgebühren zu bezahlen.

Seehofer: " PHOENIX ist das politische Lagerfeuer, das immer brennt, an dem ich mich schon oft gewärmt habe, manchmal aber auch verbrannt habe. "

PHOENIX könne zwar Politik nicht interessanter machen, als sie ist, aber: PHOENIX habe in den vergangenen zehn Jahren die Sichtweise auf Politik verändert, meint Klaus Radke:

" Ich könnte mir vorstellen, dass PHOENIX eine gewisse Rolle spielte bei der vorübergehend zu beobachtenden Amerikanisierung des Wahlkampfs in Deutschland, wenn Sie an den Leipziger Parteitag denken, der SPD vor dem Regierungsantritt Schröder. PHOENIX hat aber auch sicher in bestimmten Phasen der politischen Entwicklung wie bei der Spendenaffäre der Union, eine Beschleunigung des Meinungsaustauschs in den Eliten bewirkt. Das haben wir damals feststellen können. Jeder sagte anfangs: Pressekonferenzen – Kann das überhaupt ein spannendes Fernsehprogramm sein? Natürlich konnte man sich diese Frage stellen, aber nichts war Spannender als Pressekonferenzen, wo sich Helmut Kohl zu den Schwarzen Kassen äußerte, und Wolfgang Schäuble sich zu Helmut Kohl äußerte und umgekehrt. Das war schon sehr, sehr spannend. "

Manchmal machte das Programm auch selbst Schlagzeilen, etwa als es vier Minuten vor allen anderen Sendern die Wahl Josef Ratzingers zum neuen Papst vermeldete.

Trotz solcher Erfolge muss ein Nischenprogramm wie PHOENIX sich auch in der digitalen Welt behaupten. Zwar ist die Marke PHOENIX bestens eingeführt und bereits seit 1998 kann man per Live-Stream die Ereignisübertragungen im Internet verfolgen. Bei den wahren Programmschätzen, den aufwändigen Dokumentationen, die PHOENIX von ARD und ZDF übernimmt, hapert es aber derzeit noch an den Mitteln, sie ins Internet zu stellen, meint PHOENIX-Programmgeschäftsführer Christof Minhoff vom WDR:

" Ein Schatz, der sozusagen kostenlos wie bei Robin Hood unter die Leute gebracht wird, kann nicht im Interesse derer sein, die mit viel Geld, viel Aufwand, viel Engagement bestimmte Produkte produzieren, damit sie dann anschließend frei vagabundierend im Internet zur Verfügung stehen. So einfach ist das nicht. Obwohl natürlich der Wille, Programmschätze den Zuschauern zur Verfügung zu stellen, sehr groß ist. Und das geschieht ja auch."

Nur noch nicht in dem Maße, wie sich die PHOENIX-Macher das wünschen würden. Der schmale jährliche Etat von rund 35 Millionen Euro und der Personalbestand von 90 Mitarbeitern in der Bonner Zentrale müsste eigentlich aufgestockt werden, ginge es nach dem Willen der beiden Programmgeschäftsführer.

Christof Minhoff ist überzeugt, dass der Sender auch in zehn Jahren noch bestehen wird – zumindest drohe ihm von der Privatwirtschaft keine Konkurrenz, denn:

" Sie können mit der Art Fernsehen, wie wir es machen, sicher nicht viel Geld verdienen. (..) Mit Bundestag werden Sie kein Geld verdienen, das glaube ich nicht. Aber Sie brauchen das Angebot, (...) damit die Leute sich das ganze Bild machen können, sich selber eine Meinung bilden können. "

Ab Herbst will PHOENIX verstärkt mit Themenabenden und prominenten Moderatoren auf sich aufmerksam machen – welche Namen das sein werden, bleibt bislang noch geheim. Dabei hat PHOENIX schon jetzt die besten Reporter des deutschen Fernsehens: Wer stundenlang Bundestagsdebatten interessant kommentieren kann, ist zweifellos auch für höhere Aufgaben geeignet.