Das politische Erbe von Bill Clinton

Clintons nationalistische Sackgasse

US-Präsident Bill Clinton bei einer Radioansprache am 18. Dezember 1993 im Weißen Haus
US-Präsident Bill Clinton bei einer Radioansprache am 18. Dezember 1993 im Weißen Haus © dpa / White House
Von Max Paul Friedman · 03.11.2017
Vor 25 Jahren wurde Bill Clinton zum 42. Präsidenten der USA gewählt. Mit ihm begann der Spurwechsel des Landes in den Nationalismus, meint der Historiker Max Paul Friedman − und das räche sich nun unter Donald Trump.
Frieden, Wohlstand und Skandale: so sehen viele Amerikaner heute die Ära von Bill Clinton. Als er das Amt verließ, machte man zwar schmutzige Witze über ihn, trotzdem genoss er die höchste Zustimmung, die ein scheidender amerikanischer Präsident je erfahren hat. Dabei hat mit Clinton das begonnen, was sich heute unter Donald Trump rächt: Sein "Dritter Weg" hat uns in eine nationalistische Sackgasse geführt.
Clintons Wahl 1992 war unwahrscheinlich. Der Gouverneur von Arkansas war in den USA, wenn überhaupt, nur für seinen Auftritt auf dem Parteitag der Demokratischen Partei bekannt. Clintons Rede war damals so lang und langweilig, dass er einzig dafür bejubelt wurde, in seiner Rede endlich zum Ende zu kommen. Seinen Sieg verdankte er einer neuen-alten Strategie: Die Republikaner Nixon und Reagan hatten das Weiße Haus mit der sogenannten "Southern Strategy" erobert — durch politische Appelle an rassistische Ressentiments im Gefolge der Bürgerrechtsbewegung.
Bill Clinton, der Südstaatler, der in Oxford studiert hatte, nahm den Rechten den Wind aus den Segeln, indem er diese Strategie übernahm: Er versprach Recht und Ordnung, und kritisierte arme Amerikaner als faul und für staatliche Unterstützung unwürdig. Er legte sich mit afroamerikanischen Sängern und Politikern an. Mitten im Wahlkampf genehmigte er die Hinrichtung eines afroamerikanischen Gefangenen, der geistig behindert war.

Profite werden nicht mehr 50-50 geteilt

Clinton machte es schwierig, ihn rechts zu überholen, und damit atmete er der Demokratischen Partei nach zwei Jahrzehnten republikanischer Herrschaft, unterbrochen nur von Jimmy Carters vier kurzen Jahren, wieder Leben ein. Aber Clintons Konzept des "New Democrats,", hatte seinen Preis, genau wie der Dritte Weg von Tony Blair und die Neue Mitte von Gerhard Schröder. Im ökonomischen Bereich förderte er den Abbau des Sozialstaates. Im Namen der Globalisierung bevorteilte er Anlagebankiers gegenüber Gewerkschaften. Er führte den Trend weiter, der unter Ronald Reagan begann: Profite werden nicht mehr fifty-fifty zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt, sondern gehen nun fast zu 90 Prozent an Eigentümer und Investoren. Damit hat der Otto-Normal-Amerikaner nicht nur seinen existenzsichernden Lohn verloren, sondern auch seine politische Repräsentation.
Diese Repräsentationslücke begünstigt heute eklatant rechtspopulistische Positionen. Während der Großen Depression hat sich die weiße Arbeiterschaft an Franklin Roosevelts Demokratische Partei gewandt, und fand dort Sozialhilfe, Beschäftigung, Hoffnung. In der Zeit der Lohnstagnation finden sie nun zwei wirtschaftsliberale Parteien und wenden sich deswegen an einen Betrüger, der behauptet, an all ihren Problemen seien Schwarze, Latinos und das Ausland Schuld.

Profitiert hat die urbane Mittel- und Oberschicht

Clinton wollte kein selbstgerechtes, nationalistisches Amerika. Im Gegenteil, er wünschte sich eine fortschrittliche, kosmopolitische Gesellschaft mit guten Beziehungen zum Ausland. Von dieser Vision und der rasanten Entwicklung der Informationstechnologien, die das Wirtschaftswachstum sichert, profitiert vor allem die urbane Mittel- und Oberschicht. Der Dritte Weg hat ihnen einen mondänen Lebensstil erlaubt, aber das ist kein überzeugendes Argument für die traditionellen Wähler der Demokraten, die nach wie vor von einem knappen Stundenlohn leben müssen.
Nach der Trump-Ära müssen sich die Demokraten deshalb fragen, was sie von Clintons Erbe erhalten wollen und ob sie wieder lernen können, auf Menschen einzugehen, die für ihren Lebensunterhalt hart arbeiten.

Max Paul Friedman ist Geschichtsprofessor an der American University in Washington. Sein Buch "Rethinking Anti-Americanism. The History of an Exceptional Concept in American Foreign Relations" erschien 2012 bei Cambridge University Press.

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