Das "Paradies" steht allen offen

Von Gregor Ziolkowski |
Was normalerweise eher in verborgenen Werkstätten stattfindet, ist nun im Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid zu sehen: Dort wird das Gemälde "Das Paradies" des italienischen Malers Jacopo Tintoretto öffentlich restauriert. Eine dokumentierende Ausstellung begleitet den Prozess.
An Besuchern mangelt es nicht in diesen Hochsommertagen im Museum Thyssen-Bornemisza, aber im üblichen Foyer-Gewimmel zwischen Kassen, Shop und Ausstellungszugängen fällt ein Pulk von Leuten auf. Die stehen vor einem eigens eingerichteten kleinen Pavillon, der weitgehend verglast ist, schauen hinein und sehen zwei Frauen bei der Arbeit zu. Es sind die Restauratorinnen, die seit Kurzem dabei sind, eines der Glanzstücke des Museums zu restaurieren: das großformatige Gemälde "Das Paradies" von Tintoretto.

Es ist wie der Blick in die Eingeweide eines Museums, in sein Innenleben, das normalerweise verborgen bleibt. Susana Pérez lässt sich unterbrechen bei ihrer Arbeit und erzählt von den Details, die bei den Vorarbeiten ans Licht kamen.

"Bei den Laboranalysen etwa konnte man sehen, dass die Figuren zunächst nackt gemalt worden sind, erst danach wurden sie mit Kleidern übermalt. Die verwendeten Materialien sind sehr hochwertig. Er hat vier Sorten Blau verwendet, an der Oberfläche das wertvollste, den Lapislazuli, den Lasurstein. Mit dieser Qualität der verwendeten Materialien hängen die kraftvolle und leuchtende Wirkung der Farben und ihr prinzipiell guter Erhaltungszustand zusammen. Er hatte aber auch andere Tricks parat. Zum Beispiel die Verwendung von gemahlenem Glas. Das gibt dem Bild seine Transparenz und Reflexe, die sehr gezielt eingesetzt und entsprechend bewundert wurden."

Von alldem erzählt eine dokumentierende Ausstellung im Untergeschoss des Museums. Laboranalysen, Infrarot- und Röntgenuntersuchungen sowie eine detaillierte Planung gingen der eigentlichen Arbeit voraus. Hier wird gezeigt, wie ein Gemälde geradezu seziert werden kann. Bis zu acht Farbschichten hat der Maler verwendet, die Leinwand schwarz grundiert, mit weißer Farbe die Figuren entworfen und beschriftet, schließlich die eigentliche Farbgebung vorgenommen. Einen akribischen Planer lernt man durch diese Freilegungen kennen, weit entfernt vom Klischee des von seinem Genius inspirierten Künstlers, der mal eben vor die Leinwand tritt und loslegt. Die praktische Restaurierungsarbeit hat mit dieser Leinwand dann viel zu tun.

"Die Leinwand, die als Untergrund dient, entspricht in ihrem Ausmaß den Webstühlen jener Zeit. Sie hat eine entsprechende Breite und reicht etwa von der Bildhälfte bis oben. Und man kann hier eine Naht erkennen. Denn an das obere Hauptstück wurden unten zwei weitere Stücke genäht, um auf das gewünschte Format zu kommen. Und natürlich sind diese Nahtstellen jene, die das Bild am stärksten beanspruchen. Jedes Gewebe lebt in sich, und hier ist der schwächste Punkt eines Gemäldes, hier leidet es am stärksten. Und hier sind auch in der Vergangenheit die meisten Eingriffe vorgenommen worden, hier hat es Übermalungen gegeben."

Säubern, das ist die Hauptaufgabe und zugleich die schwierigste dieser Restaurierung. Was da mit Bambusstäbchen, um deren Spitzen mit Alkohol benetzte Baumwollbäusche gewunden werden, einmal weggerieben wurde, jene winzigen Firnisansammlungen, die mit dem Skalpell weggeschabt wurden, sie sind unwiederbringlich dahin. Man kann sich da keine Fehler leisten, denn jeder Fehler wäre eine Beschädigung des Gemäldes.

"Wir arbeiten nach einem genauen Plan, um das Werk in seiner Gesamtheit zu bearbeiten. Wir gehen nicht von links nach rechts vor oder von oben nach unten. Denn für uns ist das innere Gleichgewicht der Arbeit am wichtigsten. In der Vergangenheit hat es Eingriffe an diesem Werk gegeben, bei denen die lichten Stellen sehr stark gesäubert wurden, nicht aber die Schatten. Auf diese Weise wurden die Kontraste im Bild sehr verstärkt und auch der Eindruck der Erneuerung. Aber natürlich ist das schon eine Interpretation des Werkes! Wir dagegen säubern und haben dabei das Gleichgewicht im Auge, darum auch arbeiten wir an verschiedenen Bildszenen gleichzeitig, weil manche Stellen nicht den gleichen Aufwand brauchen wie andere. Dieser Firnisüberzug ist an manchen Stellen in schlechterem Zustand als an anderen. Und wir wollen erreichen, dass überall der gleiche Reinigungszustand herrscht."

Von den Laboruntersuchungen und -analysen bis zum Abschluss der praktischen Ausführung wird diese Restaurierungsarbeit an Tintorettos Madrider "Paradies" - ein weiteres gibt es im Pariser Louvre – insgesamt ein ganzes Jahr in Anspruch nehmen. Sieht man den – im übrigen sehr ansehnlichen – beiden Frauen bei ihrer Arbeit eine Weile zu, erkennt man plötzlich das Herzstück dieser Idee. Es ist nicht so sehr das Öffentlichmachen eines Vorgangs, der sonst in eher verborgenen Werkstätten stattfindet. Es ist mehr das Ausstellen einer Idee davon, wie viel Sorgfalt, wie viel Mühe, wie viel Zuwendung die Kunst braucht.
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