Das Österreichische im Verborgenen
Man möchte beim Lesen des Inhaltsverzeichnisses erst einmal "typisch" ausrufen: Gerhard Roth sucht für sein Buch jene Orte auf, in denen sich Wien, das Österreichische, mitunter besonders skurril manifestiert: die Kunst- und Wunderkammer der Habsburger, das Museum der Gerichtsmedizin, den Zentralfriedhof.
Fehlen eigentlich nur noch die Kapuzinergruft und der Friedhof der Namenlosen, um wieder einmal das zweite Gesicht Wiens als liebenswürdige Geisterbahn darzustellen.
Doch Roth nähert sich seinem Sujet auf andere Weise: nicht nur, dass noch lange nicht alle Absonderlichkeiten der österreichischen Bundeshauptstadt bekannt gemacht worden sind. Roth besucht die Stätten seines wissenschaftlichen Interesses mit der Sorgfalt des Wissenschaftlers.
Wer einen spannenden Roman erwartet, wird von "Die Stadt" enttäuscht sein. Roth liefert viel eher einen journalistischen Bericht bestimmter Orte in und um Wien auf kenntnisreichem Niveau und detailliert recherchiert ab, zitiert Werke, von deren Existenz man sich nicht träumen lässt und streut dazwischen immer wieder die unglaublichsten Geschichten ein, meist aus dem weit verzweigten Hause Habsburg.
Dabei hält sich der Autor auch nur zum geringen Teil mit Wien auf, er erzählt von den Botanikern auf Forschungsreise in Brasilien, vom Leben des Marquis de Sade zwischen Freiheit und Gefängnis, von der weiten Welt, die im Flüchtlingslager Traiskirchen zusammengedrängt ist.
Mitunter gerät der Text ein wenig zu speziell, dann wenn der Autor fast zwanghaft die Zahlen der einzelnen Exponate bestimmter Abteilungen des Naturhistorischen Museums herunterschnurrt, oder den Inhalt des Dutzends Schränke in der Wunderkammer des Schlosses Ambras aufzählt.
Der Titel "Die Stadt" erscheint als Klammer über die einzelnen Texte zwar ein wenig beliebig, denn insgesamt scheint Roth in diesem Buch diverse Themen früherer Recherchen weiterzuführen oder auszuwerten. Dennoch ist ihm ein lesenswerter Mosaikstein zu dem schillernden Bild Österreichs gelungen, Österreichisches, nach dem man tauchen muss: in die Keller und Archive, in verstaubte Abstellräume und stille Museen.
Dort zeigt sich noch viel von jener Atmosphäre, die in vergangenen Jahrhunderten wurzelt und die Eigenart dieses Landes, dieser Stadt ausmacht. Das hebt Roth behutsam ans Licht und versieht es mit den Anmerkungen seines reichen Wissens. Und immer wieder im meist dokumentarisch gehaltenen Text blitzt der Schriftsteller auf, gelingen ihm treffende Assoziationen, gedankliche Verbindungen, sprachliche Kunststücke, die das Buch vom rein Deskriptiven eines Sachbuches unterscheiden.
Besprochen von Stefan May
Gerhard Roth: Die Stadt – Entdeckungen im Inneren von Wien
S. Fischer , Frankfurt am Main 2009
550 Seiten, 20,95 Euro
Doch Roth nähert sich seinem Sujet auf andere Weise: nicht nur, dass noch lange nicht alle Absonderlichkeiten der österreichischen Bundeshauptstadt bekannt gemacht worden sind. Roth besucht die Stätten seines wissenschaftlichen Interesses mit der Sorgfalt des Wissenschaftlers.
Wer einen spannenden Roman erwartet, wird von "Die Stadt" enttäuscht sein. Roth liefert viel eher einen journalistischen Bericht bestimmter Orte in und um Wien auf kenntnisreichem Niveau und detailliert recherchiert ab, zitiert Werke, von deren Existenz man sich nicht träumen lässt und streut dazwischen immer wieder die unglaublichsten Geschichten ein, meist aus dem weit verzweigten Hause Habsburg.
Dabei hält sich der Autor auch nur zum geringen Teil mit Wien auf, er erzählt von den Botanikern auf Forschungsreise in Brasilien, vom Leben des Marquis de Sade zwischen Freiheit und Gefängnis, von der weiten Welt, die im Flüchtlingslager Traiskirchen zusammengedrängt ist.
Mitunter gerät der Text ein wenig zu speziell, dann wenn der Autor fast zwanghaft die Zahlen der einzelnen Exponate bestimmter Abteilungen des Naturhistorischen Museums herunterschnurrt, oder den Inhalt des Dutzends Schränke in der Wunderkammer des Schlosses Ambras aufzählt.
Der Titel "Die Stadt" erscheint als Klammer über die einzelnen Texte zwar ein wenig beliebig, denn insgesamt scheint Roth in diesem Buch diverse Themen früherer Recherchen weiterzuführen oder auszuwerten. Dennoch ist ihm ein lesenswerter Mosaikstein zu dem schillernden Bild Österreichs gelungen, Österreichisches, nach dem man tauchen muss: in die Keller und Archive, in verstaubte Abstellräume und stille Museen.
Dort zeigt sich noch viel von jener Atmosphäre, die in vergangenen Jahrhunderten wurzelt und die Eigenart dieses Landes, dieser Stadt ausmacht. Das hebt Roth behutsam ans Licht und versieht es mit den Anmerkungen seines reichen Wissens. Und immer wieder im meist dokumentarisch gehaltenen Text blitzt der Schriftsteller auf, gelingen ihm treffende Assoziationen, gedankliche Verbindungen, sprachliche Kunststücke, die das Buch vom rein Deskriptiven eines Sachbuches unterscheiden.
Besprochen von Stefan May
Gerhard Roth: Die Stadt – Entdeckungen im Inneren von Wien
S. Fischer , Frankfurt am Main 2009
550 Seiten, 20,95 Euro