Das Normale in Ausnahmesituationen auflösen

09.09.2011
In seinem neuen Buch versammelt Nick Hornby vier Erzählungen. Die Protagonisten sind naive Menschen, die in ziemlich absurde Situationen geraten. Die Storys leben von originellen Einfällen des Popliteraten, in denen auch die bekannten Themen Musik und Fußball auftauchen.
Jugendliche Helden und ihre Obsessionen – sei es Fußball, Popmusik oder Skateboardfahren – sind die Themen von Nick Hornby, seit seinem fulminanten Debüt "Fever Pitch" über einen Fan des FC Arsenal London und sein Leiden am Club. Sein Status als "Popliterat" ergibt sich bei Hornby aus dem Gegenstand: Pop ist Popular Culture. Der kleine Band "Small Country" mit vier "Stories" ist insofern wenig überraschend. Auch der Fußball kommt darin wieder vor.

Die Titelgeschichte spielt in einem fiktiven, winzigkleinen europäischen Land, bei dem man sich nur wundert, dass ein Fußballplatz überhaupt hineinpasst. Es besteht eigentlich nur aus einem Dorf, und auch wenn es weder eine Währung noch eine eigene Polizei unterhält, hat es doch eine Fußballnationalmannschaft.

Mitmachen ist Pflicht, da es im ganzen Land gerade mal elf Männer gibt. Die Mannschaft spielt eigentlich nur gegen San Marino oder den Vatikan und verliert dann jedes Mal mit 0:30, aber das macht nichts. Dabei sein – oder vielmehr: vorhanden sein – ist alles. Das gilt, bis der 15-Jährige, eher unsportliche Erzähler sich weigert, den Platz seines verletzten Vaters einzunehmen. Nur unter Androhung schwerster Zwangsmaßnahmen lässt er sich breitschlagen und entdeckt auf dem Platz, dass sich mit Taktik oder auch nur mit Stellungsspiel etwas ausrichten lässt. Mit seiner Analyse gelingt es, die Niederlage in Grenzen zu halten. Ein 0:12 ist ein Erfolg. Und schon wird er zum Trainer von Small Country erkoren.

Das ist sehr nett und ungeheuer harmlos. Etwas mehr Raffinesse besitzt die Geschichte über die Eltern, die entdecken, dass ihr Sohn die Hauptrolle in einem Pornofilm spielt und dabei zu ihrer Verwirrung feststellen, dass er, was sie nicht wussten, einen sagenhaft großen Penis besitzt. Oder die Geschichte von dem Jungen, der einen alten Videorekorder kauft, mit dem er das aktuelle Fernsehprogramm in die Zukunft vorspulen kann – bis zur Apokalypse.

Ganz neu sind die Texte aus den Jahren 2005 und 2000 nicht. "Nipple Jesus", der Monolog eines Museumsaufsehers, der in einer Ausstellung das Bild eines gekreuzigten Jesus bewachen soll, das aus unzähligen Brustspitzen pointilistisch zusammengesetzt wurde, ist bereits vor Jahren als Hör-CD erschienen und auch schon als Theaterstück zur Aufführung gelangt. Die kleine Reflexion über den Charakter der Kunst als gezielter Provokation, über das Heilige, das sich aus Obszönem zusammensetzt und über einen Mann, dessen Kunstauffassung sich radikal verändert, weil er sich ein wenig in die Künstlerin verliebt, ist aber einigermaßen haltbar.

Hornbys Stories sind unterhaltsam und sympathisch. Sie leben jeweils von einem originellen Einfall und davon, dass der Autor seinen Figuren sehr nahe kommt. Er bevorzugt die Ich-Erzählung und schafft es zuverlässig, authentische Stimmen zum Sprechen zu bringen. Die besorgte Mutter hat er ebenso im Repertoire wie den glatzköpfigen Türsteher oder den melancholischen Halbstarken. Er interessiert sich für das Alltägliche und liebt es, die Normalität in absurden Ausnahmesituationen aufzulösen. Das ist keine große Literatur, aber solide Gebrauchsware. Für eine nicht allzu lange Zugfahrt oder einen verregneten Nachmittag vor der Sportschau ist dagegen überhaupt nichts einzuwenden.

Besprochen von Jörg Magenau

Nick Hornby: "Small Country. Vier Storys"
Aus dem Englischen von Ulrich Blumenbach, Clara Drechsler und Harald Hellmann
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011
160 Seiten, 16,99 Euro
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