Das Museum als Kriegsschauplatz

Das Sachbuch untersucht die Plünderung des Irakischen Nationalmuseums während des Krieges. Autor Michael Bogdanos, der eine Ermittlungsgruppe dazu leitet, macht irakische Museumsbeamte und Soldaten ebenso dafür verantwortlich wie das Versagen der amerikanischen Truppen.
Krieg ist auch eine Frage von Propaganda und Gegenpropaganda. Sicherlich eines der größten Propagandadesaster des derzeitigen Irak-Krieges war die Plünderung des Nationalmuseums in Bagdad. Die Fotos von zerschlagenen Vitrinen und zerstörten Skulpturen, die sich in jedem Lexikon finden, gingen um die Welt, die Nachricht, dass die amerikanischen Besatzungstruppen selbst nach Aufforderung keinen Schutzpanzer vor das Museum gestellt hätten, empörte.

Das Buch von Michael Bogdanos, dem Chef der Ermittlungsgruppe, die die Plünderung des Irakischen Nationalmuseum in Bagdad untersuchte, muss also auch im Zusammenhang dieser Propagandaschlacht gesehen werden. Denn Bogdanos versucht zwar in keiner Form, das Versagen der amerikanischen Truppen nach dem Ende des Krieges in Bagdad zu entschuldigen – ganz im Gegenteil, er findet harte Worte dafür. Aber die Plünderung des Museums selbst, die haben seinen Ermittlungen nach nicht amerikanische Soldaten, sondern Museumsbeamte und irakische Soldaten des Saddam-Regimes zu verantworten, die das Museum erst zu einer Bastion ausbauten und es dann schutzlos mit geöffneten Türen verließen.

Bodganos korrigiert erst einmal: Die Zahl von 170.000 Objekten, die angeblich gestohlen wurden, erschien zwar schon 2002 rational Denkenden als extrem unwahrscheinlich, ebenso der Bericht des UNESCO-Generalsekretärs, dass von den 80 000 Keilschrifttafeln des Museums keine einzige mehr vorhanden sei. Wer hätte in der kurzen Zeit eine derart gewaltige Materialmasse bewegen sollen?

Aber Fotos wie jenes von den 26 Köpfen, die assyrischen Königsstatuen abgeschlagen worden seien, überdeckten lange viele Zweifel. Und nun liest man tatsächlich bei Bogdanos, dass diese 26 Köpfe schon so ausgegraben worden waren. Bei der Plünderung hingegen wurden die Köpfe von fünf hellenistischen Arbeiten abgeschlagen, über die keiner berichtete und von denen kein Foto um die Welt ging.

Es wurde auch keine Keilschrifttafel gestohlen, aber etwa ein Drittel der Siegelzylinder. Statt 170.000 verschwanden 15.000 Objekte – Bogdanos betont, dass jeder Verlust der eines unersetzlichen kulturellen Dokuments sei. Die angeblich zerschlagene Vase von Warka sei bei ihrem Diebstahl genau in jene Stücke zerfallen, aus denen sie auch vor der Restaurierung im Museum bestand.

Das Buch ist spannend, auch wenn die betont militante Rauheit der Sprache überflüssig ist. Doch es öffnet einem die Augen für die Mittel, mit denen alle Seiten ihre Propaganda betreiben. Wie viele Nachrichten haben wir einfach übernommen, ohne auch nur einmal wirklich nachzurecherchieren? Wie groß sind nicht auch die antiamerikanischen Vorurteile gewesen, die selbstverständlich davon ausgingen, dass "die Cowboys" gar nicht wussten, was es dort zu schützen galt?

Schnell teilt man den Ärger von Bogdanos über Universitätsforscher, arrogante UN-Diplomaten und britische Museumskuratoren, die nicht sehen, dass das Nicht-Schießen oft sinnvoller ist als Herumknallen. Viele Kunstwerke wurden gerettet durch die von Bogdanos ausgerufene Amnestie. Das ist zweifellos ein Erfolg gewesen, über den aber kaum einer in der westlichen Welt berichtet hat; schade, dass die Scheichs und Imame, die auch zur Rückgabe aufgefordert haben, nur in den Anmerkungen auftauchen.

Rezensiert von Nikolaus Bernau

Michael Bogdanos
Die Diebe von Bagdad. Raum und Rettung der ältesten Kunstschätze der Welt

DVA München 2006, 409 S. 19,90 Euro.