Das Mixturtrautonium des Oskar Sala

Von Walter Kittel · 25.01.2010
Das Mixturtrautonium ist ein elektronisches Instrument. Der Musiker und Tüftler Oskar Sala hatte ihm einst das Geschrei in Alfred Hitchcocks Film "Die Vögel" entlockt. Im Berliner Musikinstrumentenmuseum kann man es bewundern.
"Elektronische Musik von heute hat eine lange Vorgeschichte: Synthesizer, elektronische Orgel, das Trautonium (1930) von Friedrich Trautwein oder das nach dem russischen Physiker Lev Termen benannte Theremin (1919). Als Musik- und Geräuschinstrument erlangte das Mixtutrautonium von Oskar Sala kineastische Berühmtheit."

Das Geschrei in Alfred Hitchcocks Film "Die Vögel" zählt zu Oskar Salas Meisterleistungen. Der 1910 geborene Musiker und Tüftler hatte das Kreischen der Vögel seinem "Mixturtrautonium" entlockt. Die Wurzeln dieses einzigartigen, elektronischen Instruments –das auf den ersten Blick einer elektronischen Orgel ähnelt - liegen in den 30er-Jahren, erklärt Silke Berdux von der Musikinstrumentensammlung des Deutschen Museums in München.

"Oskar Sala hat eigentlich alle Stufen des Trautoniums benutzt und entstanden ist das Instrument in der Rundfunkversuchsstelle an der Musikhochschule in Berlin, 1930 durch Friedrich Trautwein. Diese Versuchsstelle sollte alle Aspekte von Musik und Radio untersuchen, also welche Mikrofone braucht man, welche Musik und auch welche Instrumente braucht man. Und man wollte ein Instrument haben, mit dem man direkt in den Rundfunk spielen konnte, nicht über ein Mikrofon."

Schon in den 30er-Jahren hatte Oskar Sala begonnen, das "Trautonium" auch technisch weiterzuentwickeln. Musikalisch standen ihm die Komponisten Paul Hindemith und Harald Genzmer zur Seite. Elektro-akustische Musik war in dieser Zeit noch absolut neu. Oskar Sala und sein Kreis zählten zur Avantgarde, deren Experimente die musikalisch-technische Entwicklung vorantrieben.

"Also das Besondere ist eigentlich die Schaltung zur Erzeugung von 'Subharmonischen'. Das, was in einem natürlichen Klang klingt, sind ja die Obertöne. Was in diesem klingt, sind die Untertöne. Das ist ja eine fiktive Skala zunächst, die man schon Ende des 19. Jahrhunderts angedacht hatte und die er dann mit der Schaltungstechnik umsetzen konnte."

Unzählige Regler und Knöpfe bediente Oskar Sala beim Spielen. Töne erzeugte er auf zwei Seitenmanualen, auf denen in unregelmäßigen Abständen auch einige Tasten angebracht waren. Zur Erzeugung eines Tons werden die Seiten berührt, herabgedrückt oder die Finger schwingen leicht darauf. Die Bewegungen der Finger auf der Seite erzeugen elektrische Widerstände, die in Töne und Geräusche übersetzt werden. Auf Laien wirkt das Gerät zunächst sehr rätselhaft.

Im Berliner Musikinstrumentenmuseum steht ein Mixturtrautonium, das Dank der guten Pflege durch Hans-Jörg Borowicz bis heute funktioniert.

Er und sein Kollege Helmut Zahn waren Professoren an der Berliner Fachhochschule der Bundespost als sie in den 80er-Jahren das Instrument mit Hilfe moderner Elektronik nachbauten.

"Also wenn wir abtreten, dann gibt es keinen mehr, der das kennt. Wir sehen das so, dass das eben ein Meilenstein der elektronischen Musik war und wir haben dafür gesorgt, dass Herr Sala dann noch mal in der Öffentlichkeit mehrmals auftreten konnte. Und das war eben interessant."

Oskar Salas Mixturtrautonium stand fest installiert und nicht transportierbar in seinem Berliner Studio. Doch nun, in den 80er und 90er-Jahren, wurde er mit dem Gerät der Berliner Professoren wieder beweglich.

Die faszinierenden Klänge des Nachbaus und die Musik des Künstlers begeisterten auch den Berliner Musikpädagogen Wolfgang Müller, der eine weitere Version des Instruments entwickelte, auf der er heute spielt.

"Also Oskar Sala hat mir persönlich gesagt, zum Thema "Unterricht": Wer Trautonium spielen will, muss sich eins bauen. Damals fand ich die Sache so ein bisschen arrogant. Ich kann es aber verstehen. Weil er kann ja nicht sein Instrument irgendjemandem geben, um zu üben. Das heißt also: bisher hat kaum irgendjemand diesen letzten Schritt vollbracht, finanziell und auch handwerklich, dieses Manual zu bauen. Es gibt da neue Entwicklungen, dass es neue Controller gibt, aus dem Keyboardbereich, die wunderbar innovativ sind. Es sind aber keine Trautonien. Man muss es immer wieder sagen."

Das sinnliche Erlebnis und die musikalischen Möglichkeiten durch das direkte Spiel der Finger auf der Seite, möchte Wolfgang Müller nicht missen. Er hat sich das Spielen selbst beigebracht, Oskar Sala gab ihm nur wenige Tipps. Der eigensinnige Virtuose, der 2002 im Alter von 92 Jahren starb, wollte keine Schüler haben. Im Archiv des Deutschen Museum liegt heute sein Nachlass. Rund 1000 Stunden Audiomaterial sind erhalten, Geräusche, Klänge und Musik. Derzeit ist man dabei, den gesamten Bestand zu digitalisieren.
Auch Notizhefte sind erhalten, in denen Sala Kompositionen andeutete, etwa zu Hitchcocks "Die Vögel" – doch nachspielen könnte dieses Vogelgeschrei wohl niemand, Noten hinterließ Oskar Sala nicht. Wilhelm Füßl, Archivleiter im Deutschen Museum und seine Kollegin Silke Berdux halten das schwarze, mit "The Birds" überschriebene Notizheft in den Händen. Begriffe und Anweisungen stehen darin, die fast so geheimnisvoll sind wie die Schreie der Vögel.

"Dann "Urflatterer" oder "Bandschleifen", Zusammenspiel von Bändern, Flattern zweiter Art. Flattern zweiter Art länger. Flattern dritter Art erste Fassung. Und man findet in den unmöglichsten Zusammenhängen häufig Zeichnungen von Schaltungen und so was, auch ganze Schaltpläne. Also er hat auf allen Seiten ja mit diesem Instrument gearbeitet."