Das Mitmach-Netz
Wäre der Begriff Web 2.0 ein Popstar, so könnte man von einer Blitzkarriere sprechen. Ende 2004 erfunden, begann er seinen Siegeszug durch die internationale Fachpresse. Er bedeutet, dass seine Benutzer nicht länger nur Konsumenten, sondern massenweise Autoren ihres Mediums sind.
"Web 2.0: Der Triumph der Amateure"
"Die Zukunft des Internet"
"Phantom oder Phänomen?"
"Ein Paradies für Hacker"
"Andere Arbeiten lassen"
Auch wenn der Begriff Web 2.0 bereits seit geraumer Zeit durch die Schlagzeilen geistert – so richtig fest umreißen lässt er sich nicht. Das liegt vor allem daran, dass er mehrere Entwicklungen auf verschiedenen Ebenen zusammenfasst.
Markus Beckedahl ist Betreiber des Blogs netzpolitik.org und arbeitet bei newthinking, einer Agentur für freie Software. Das Phänomen "Web 2.0" beobachtet er bereits seit Längerem:
"Web 2.0 ist ein Modebegriff, um eigentlich nur zu beschreiben, dass das Internet endlich da ist, wo es uns vor zehn Jahren versprochen wurde."
Zum einen ist da die technische Seite - der Zusatz "2.0" deutet an, dass es sich hier um eine neue, eine verbesserte Version des Internet handelt. Die ständige Vergrößerung von Servern, Speicherplatz und Bandbreite führt dazu, dass der heimische PC immer stärker mit dem Internet verwächst, wie Beckedahls Kollege Andreas Pohl erklärt:
"Die Rechenleistung wird ins Internet verlegt. Es wird viel mehr auf Servern gerechnet. Und Anwendungen, wie sie früher auf dem Computer liefen, wie zum Beispiel ein gängiges Office-Programm, können dann viel eher in einem Web-Interface erledigt werden, womit man dann praktisch kleine Geräte hat und seine Daten im Internet rechnen lässt und sich dann wieder das Ergebnis anzeigen lässt. Das hat halt den Vorteil, dass die Geräte kleiner werden können."
Und die Anwender damit mobiler. Schon heute kann man auf Diensten wie AjaxWrite im Netz Texte schreiben, speichern und bearbeiten, oder mit Del.icio.us seine Bookmarks online verwalten. Dieser technische Fortschritt hat eine veränderte Nutzung des Internet zur Folge, wie der Medien- und Kommunikationstheoretiker Professor Norbert Bolz erklärt:
"Das Web 2.0 ist ganz schlicht dadurch definiert, dass die bisherigen User, die Nutzer, also die Konsumenten des Internet selber zu Produzenten werden, also dass die "contents", wie es ja heute so schön Neudeutsch heißt, von den Nutzern des Netzes selber hergestellt werden. Und das Web 2.0 ist, wenn man so will, eine Art Abkürzung für diese große Wende hin zur Autorschaft – also nicht nur Interaktivität, was es ja schon lange gibt, sondern tatsächlich weltweite massenweise Autorschaft."
Musste man sich früher zum Erstellen einer eigenen Homepage durch dicke Programmierhandbücher quälen, so geht man heute einfach auf die Seite eines Dienstes wie zum Beispiel myspace. Hier kann man kinderleicht seine eigene Seite einrichten, auf die man dann neben Fotos und Texten auch selbst gemachte Filme oder eigene Musikstücke stellen kann.
Die Mitgliederzahlen von myspace und die vielen Amateurfilme auf der Videoplattform youtube beweisen, dass immer mehr Menschen von diesen Diensten Gebrauch machen.
Ein weiteres Beispiel für dieses "Mitmach-Netz" ist Wikipedia, die freie Internet-Enzyklopädie, in der jeder an den Einträgen mitschreiben kann. Diese massenhafte Autorschaft und die große Vernetzung von Daten, die das Web 2.0 braucht, um funktionieren zu können, birgt aber auch Gefahren. Experten warnen schon heute vor Datenschutzproblemen.
"Also man stelle sich zum Beispiel vor, man kauft sich Extremsportbücher bei Amazon, und das Versicherungsunternehmen, bei dem man eine Lebensversicherung abschließen will, kriegt davon Wind."
"Viele Dinge, die man heute publiziert, möchte man vielleicht in fünf oder zehn Jahren nicht mehr im Internet haben, wenn man sich um einen neuen Job bewirbt oder aus der Pubertät raus gekommen ist…. Gleichzeitig haben wir natürlich das Prinzip "Andere arbeiten lassen", A.A.L. oder Aal, was sehr gehypt wird, vor allem von Seiten der Industrie, die es sehr praktisch findet, dass Nutzer kostenlos in ihrer Freizeit Inhalte beifügen… und wir haben eine Situation, wo die so genannten "Aggregatoren" das Geld verdienen, aber nicht die Produzenten."
So zum Beispiel wenn ein Kunde einer großen Internet-Buchhandlung zu einem Produkt eine Rezension schreibt. Der Kunde bekommt nichts, und das Netzkaufhaus freut sich über den kostenlosen Inhalt. Das Web 2.0 scheint zwar demokratischer, ist aber keinesfalls frei von kommerziellen Interessen. Portale wie youtube und myspace sind mittlerweile von großen Medienkonzernen aufgekauft worden, die nun versuchen werden, sie in ihre Geschäfte einzubinden.
"Sie betreiben eine Art Community-Shopping. Das heißt, sie versuchen, sich Plattformen zu kaufen, an denen möglichst viele Nutzer teilnehmen, um sich potentielle Kundenstämme zu kaufen, denen sie dann später Informationen eventuell auch verkaufen können – Spielfilme oder Musik – oder die auch als Orte fungieren, auf denen Werbung geschaltet werden kann."
Das muss aber nicht das Ende des "Mitmach-Netzes" bedeuten, denn diese Plattformen können in anderer und unabhängiger Form jederzeit neu entstehen. Das, was man heute etwas unbeholfen mit "Web 2.0." bezeichnet, erscheint immer mehr als der Anfang von etwas viel größerem.
"Das 20. Jahrhundert war eigentlich ein verschenktes Jahrhundert. Vor dem 20. Jahrhundert hat man gemeinsam Kultur geschaffen, man hat gemeinsam gesungen, man hat gemeinsam musiziert… dann kam das 20. Jahrhundert mit seinen Massenmedien, man saß eigentlich als Konsument vor dem Radio, man saß vor dem Fernseher… und mittlerweile durch das Web 2.0 haben wir eigentlich die Möglichkeit, von dieser 'Lesegesellschaft' des 20. Jahrhunderts zu einer Lese- und Schreibgesellschaft des 21. Jahrhunderts zu kommen und selbst als Produzent von kulturellen Gütern aufzutreten."
"Die Zukunft des Internet"
"Phantom oder Phänomen?"
"Ein Paradies für Hacker"
"Andere Arbeiten lassen"
Auch wenn der Begriff Web 2.0 bereits seit geraumer Zeit durch die Schlagzeilen geistert – so richtig fest umreißen lässt er sich nicht. Das liegt vor allem daran, dass er mehrere Entwicklungen auf verschiedenen Ebenen zusammenfasst.
Markus Beckedahl ist Betreiber des Blogs netzpolitik.org und arbeitet bei newthinking, einer Agentur für freie Software. Das Phänomen "Web 2.0" beobachtet er bereits seit Längerem:
"Web 2.0 ist ein Modebegriff, um eigentlich nur zu beschreiben, dass das Internet endlich da ist, wo es uns vor zehn Jahren versprochen wurde."
Zum einen ist da die technische Seite - der Zusatz "2.0" deutet an, dass es sich hier um eine neue, eine verbesserte Version des Internet handelt. Die ständige Vergrößerung von Servern, Speicherplatz und Bandbreite führt dazu, dass der heimische PC immer stärker mit dem Internet verwächst, wie Beckedahls Kollege Andreas Pohl erklärt:
"Die Rechenleistung wird ins Internet verlegt. Es wird viel mehr auf Servern gerechnet. Und Anwendungen, wie sie früher auf dem Computer liefen, wie zum Beispiel ein gängiges Office-Programm, können dann viel eher in einem Web-Interface erledigt werden, womit man dann praktisch kleine Geräte hat und seine Daten im Internet rechnen lässt und sich dann wieder das Ergebnis anzeigen lässt. Das hat halt den Vorteil, dass die Geräte kleiner werden können."
Und die Anwender damit mobiler. Schon heute kann man auf Diensten wie AjaxWrite im Netz Texte schreiben, speichern und bearbeiten, oder mit Del.icio.us seine Bookmarks online verwalten. Dieser technische Fortschritt hat eine veränderte Nutzung des Internet zur Folge, wie der Medien- und Kommunikationstheoretiker Professor Norbert Bolz erklärt:
"Das Web 2.0 ist ganz schlicht dadurch definiert, dass die bisherigen User, die Nutzer, also die Konsumenten des Internet selber zu Produzenten werden, also dass die "contents", wie es ja heute so schön Neudeutsch heißt, von den Nutzern des Netzes selber hergestellt werden. Und das Web 2.0 ist, wenn man so will, eine Art Abkürzung für diese große Wende hin zur Autorschaft – also nicht nur Interaktivität, was es ja schon lange gibt, sondern tatsächlich weltweite massenweise Autorschaft."
Musste man sich früher zum Erstellen einer eigenen Homepage durch dicke Programmierhandbücher quälen, so geht man heute einfach auf die Seite eines Dienstes wie zum Beispiel myspace. Hier kann man kinderleicht seine eigene Seite einrichten, auf die man dann neben Fotos und Texten auch selbst gemachte Filme oder eigene Musikstücke stellen kann.
Die Mitgliederzahlen von myspace und die vielen Amateurfilme auf der Videoplattform youtube beweisen, dass immer mehr Menschen von diesen Diensten Gebrauch machen.
Ein weiteres Beispiel für dieses "Mitmach-Netz" ist Wikipedia, die freie Internet-Enzyklopädie, in der jeder an den Einträgen mitschreiben kann. Diese massenhafte Autorschaft und die große Vernetzung von Daten, die das Web 2.0 braucht, um funktionieren zu können, birgt aber auch Gefahren. Experten warnen schon heute vor Datenschutzproblemen.
"Also man stelle sich zum Beispiel vor, man kauft sich Extremsportbücher bei Amazon, und das Versicherungsunternehmen, bei dem man eine Lebensversicherung abschließen will, kriegt davon Wind."
"Viele Dinge, die man heute publiziert, möchte man vielleicht in fünf oder zehn Jahren nicht mehr im Internet haben, wenn man sich um einen neuen Job bewirbt oder aus der Pubertät raus gekommen ist…. Gleichzeitig haben wir natürlich das Prinzip "Andere arbeiten lassen", A.A.L. oder Aal, was sehr gehypt wird, vor allem von Seiten der Industrie, die es sehr praktisch findet, dass Nutzer kostenlos in ihrer Freizeit Inhalte beifügen… und wir haben eine Situation, wo die so genannten "Aggregatoren" das Geld verdienen, aber nicht die Produzenten."
So zum Beispiel wenn ein Kunde einer großen Internet-Buchhandlung zu einem Produkt eine Rezension schreibt. Der Kunde bekommt nichts, und das Netzkaufhaus freut sich über den kostenlosen Inhalt. Das Web 2.0 scheint zwar demokratischer, ist aber keinesfalls frei von kommerziellen Interessen. Portale wie youtube und myspace sind mittlerweile von großen Medienkonzernen aufgekauft worden, die nun versuchen werden, sie in ihre Geschäfte einzubinden.
"Sie betreiben eine Art Community-Shopping. Das heißt, sie versuchen, sich Plattformen zu kaufen, an denen möglichst viele Nutzer teilnehmen, um sich potentielle Kundenstämme zu kaufen, denen sie dann später Informationen eventuell auch verkaufen können – Spielfilme oder Musik – oder die auch als Orte fungieren, auf denen Werbung geschaltet werden kann."
Das muss aber nicht das Ende des "Mitmach-Netzes" bedeuten, denn diese Plattformen können in anderer und unabhängiger Form jederzeit neu entstehen. Das, was man heute etwas unbeholfen mit "Web 2.0." bezeichnet, erscheint immer mehr als der Anfang von etwas viel größerem.
"Das 20. Jahrhundert war eigentlich ein verschenktes Jahrhundert. Vor dem 20. Jahrhundert hat man gemeinsam Kultur geschaffen, man hat gemeinsam gesungen, man hat gemeinsam musiziert… dann kam das 20. Jahrhundert mit seinen Massenmedien, man saß eigentlich als Konsument vor dem Radio, man saß vor dem Fernseher… und mittlerweile durch das Web 2.0 haben wir eigentlich die Möglichkeit, von dieser 'Lesegesellschaft' des 20. Jahrhunderts zu einer Lese- und Schreibgesellschaft des 21. Jahrhunderts zu kommen und selbst als Produzent von kulturellen Gütern aufzutreten."