Das menschliche Scheitern an einer scheinbar übermächtigen Technologie

Das Spannungsverhältnis zwischen Technik und Mensch ist für Miriam Meckel kein neues Thema. Schon mehrfach landete die Universitätsprofessorin Publikumserfolge.
In "Das Glück der Unerreichbarkeit" warnte sie davor, dass die übermäßige Nutzung von Medien und die ständige Erreichbarkeit via Internet und Telefon zur Überlastung führen können, in "Brief an mein Leben" erzählte sie sehr persönlich von ihrem Burnout-Syndrom.

In ihrem aktuellen Buch "Next" – das im Gewand einer Science-Fiction-Erzählung auftritt – baut sie diese individuelle Perspektive jetzt zu einem gesellschaftlichen Zukunftsentwurf aus. Wieder geht es um das menschliche Scheitern an der scheinbar übermächtigen Technologie: "Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns" lautet der apokalyptisch angehauchte Untertitel dieses Buches.

In Miriam Meckels fiktiver Zukunft sind Computerprogramme an die Stelle der Menschen getreten. Alles Materielle ist verschwunden, mit Ausnahme von Serverfarmen, auf denen menschlich wirkende Algorithmen Leben simulieren und digitale Bilder produzieren. Die Menschheit, das ist nur noch ein Netzwerk aus einzelnen Algorithmen, frei von Körperlichkeit, Zeit und Raum. Wie das genau passiert ist, erklärt Meckel nicht. Nur soviel: Irgendwie ist der Mensch in den Programmen aufgegangen.

Dieser Prozess wird aus zwei Erzählperspektiven geschildert. Zunächst lässt die Autorin einen Algorithmus rückblickend erzählen, wie die Menschen die digitale Technologien immer mehr auf sich zugeschnitten haben, bis sie schließlich nicht mehr unterscheiden wollten und konnten zwischen sich selbst und ihren Online-Profilen. An diesem Punkt dann haben die Programme zugeschlagen: Sie rechneten kurzerhand die Komplexität des Menschen durch und verwandelten diesen anschließend in ein Computerprogramm.

So weit, so banal. Was aus den materiellen Körpern geworden ist, bleibt im Dunkeln. Auch Alternativen zum exzessiven Medienkonsum werden so gut wie nicht diskutiert. Der Mensch ist träge und blind, so die schlichte Botschaft. Das ändert sich auch nicht im zweiten Teil des Buches, in dem Miriam Meckel dasselbe Thema aus der Perspektive des mutmaßlich letzten, einst körperlich und nun digital existierenden Menschen erzählt. Fazit hier: Die "Welt der deterministischen Allgegenwärtigkeit", in der alles zu Ende gerechnet ist, in der nur noch Impulse und Gleichzeitigkeit regieren, ist die Hölle und das Ende der Evolution.

All das liest sich wenig packend. Beide Ich-Erzähler monologisieren mit sich selbst im Duktus von computer-generierter Sprache ohne jeden Spannungsbogen. Zäh arbeiten sie mit ständig erhobenem Zeigefinger die Gefahren ab, die aus ihrer (fiktiven) Sicht zur Entmenschlichung des Menschen geführt haben. Zwar ist die Kritik an dem verbreitet sorglosen Umgang mit den digitalen Medien nicht unberechtigt, aber inzwischen auch nicht mehr neu.

Spannender wäre hingegen eine konstruktive Auseinandersetzung mit digitalen Technologien gewesen. Das hieße aber auch, differenziert über Technik nachzudenken, von der der Mensch immer auch profitiert. Das aber wird in diesem technikpessimistischen Buch fast komplett ausgeblendet.

Besprochen von Vera Linß

Miriam Meckel: Next. Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns
Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2011
320 Seiten, 19,95 Euro