Das Manifest der grünen Männer

Von Gerhard Amendt · 25.05.2010
Die grünen Männer aus NRW verkünden in ihrem Manifest, dass sie nicht länger mehr Machos sein wollen, als die sie sich offenbar schuldgeplagt fühlen. Das hört sich rebellisch an, stellt sich aber als halbherzig heraus. Sie fordern Veränderungen, die Männern das Leben leichter machen, das ist eher neu, fast schon überraschend, allerdings wagen sie nicht auszusprechen, dass das weitreichende Folgen für Frauen nach sich ziehen wird.
Von denen nicht wenige den eigenen Weg der Veränderung als Königsweg bereits verewigt haben. Aber im privaten wie im öffentlichen Leben erfasst der Wandel immer beide Geschlechter. Das zu sagen, davor scheuen die grünen Männer gehörig zurück. Denn Kritik an Frauen setzt Mut voraus – zumindest in diesen Zeiten und mit Gewissheit bei den Grünen. Zumal Männer nicht dazu erzogen werden, Kritik an Frauen zu üben.

So belassen sie es lieber im Ungefähren, wonach immer mehr Männer das Korsett des zuverlässigen Versorgers mit den Frauen verbindlich teilen wollen, noch mehr dass sie die Diskriminierung von Scheidungsvätern beendet und dem männlichen Wesen an den Schulen wieder Anerkennung verschafft sehen wollen. Das Ende der alltäglichen Abschätzigkeit gegenüber Männern – eben die Mysandrie – das fordern sie natürlich nicht. Frauen könnten sich ja verletzt fühlen.

So lugt Ängstlichkeit im Manifest der grünen Männer an entscheidenden Stellen hervor. Sie verkneifen sich allzu offene Worte gegenüber Frauenpolitik. Nur, so lange sie demutsvoll das Etikett des Machos wie ein Alltagskleid tragen und der Schluck aus der feministischen Ideologiepulle ihnen die männlichen Tugenden des Widerstandes, der Selbstreflexion und Beharrlichkeit raubt, so lange wird aus den neuen Perspektiven nichts werden und zumindest für junge Männer, wenn nicht sogar junge Frauen, wird die Partei dadurch nicht interessanter. Denn nichts von der kämpferischen Geschichte der Grünen schimmert in diesem Manifest noch durch. Sie kämpften – buchstäblich - gegen Atomkraftwerke, gegen Naturzerstörung, gegen gesellschaftlichen Größenwahn, aber wenn Frauen sagen, ein Mann ist ein Macho, dann schweigen sie artig wie kleine Jungen, die der Mama nicht zu widersprechen wagen.

Das Manifest will neue Perspektiven im Arrangement der Geschlechter eröffnen - aber die Autoren scheinen sich eher abgewertet und hilflos vorzukommen. Denn sie wagen nicht Ich zu sagen; noch weniger wir Männer, sondern nur: was will die Frau, und: Wist ihr Recht von dem, was ich will? Wenn sie sich »Machos« - dem Ideologiefrieden der Partei zuliebe nennen – ganz wie ein missbrauchtes Kind, das sich mit seinem Angreifer identifiziert -, dann haben sie sich nicht nur selber aufgegeben. Nein, viel schlimmer, sie haben damit zugleich die Geschichte ihrer Väter, Großväter und Urgroßväter bis ins tausendste Glied entwertet.

Denn sie unterwerfen ihre eigenen Beziehungen zu diesen Männern radikalfeministischen Patriarchatsklischees. Damit sich zu identifizieren, macht sie vaterlos und deshalb geschichtslos. Aber nicht nur das. Sie haben ihre stolzen Mütter, Großmütter, auch die bis ins tausendste Glied zu unterwürfigen Wesen degradiert, so als hätten diese sich nie mit ihren Männern und den Vätern ihrer Kinder auseinandergesetzt, sondern sprachlos sich diesen nur unterworfen.

Ob man mit Karl Marx oder mit Sigmund Freud die anstehenden Veränderungen im Wesen von Männlichkeit und Weiblichkeit begreifen will: Die grünen Männer müssen, wenn es die Frauen schon nicht tun, zur gemeinsamen Geschichte von Männern und Frauen stehen. Denn wer die Geschichte verleugnet, der hat keine Zukunft. Andernfalls bleibt es bei den welken Klischees von den ach so bösen Männer im ach so ewigen Patriarchat und deren Gegenstück von den ach so guten Frauen!


Gerhard Amendt, Jahrgang 1939, ist Soziologe und emeritierter Professor am Institut für Generationen und Geschlechterforschung, das er an der Universität Bremen gegründet hat. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die Vätererforschung. Amendt hat die Gründung des Bremer Frauenhauses ermöglicht und die erste Abtreibungsklinik in Bremen initiiert. Zu seinen Büchern zählen unter anderem » Wie Mütter ihre Söhne sehen«, »Vatersehnsucht« und zuletzt «Scheidungsväter«. Er widmet sich inzwischen besonders der Väterforschung und kritisiert die feministische Geschlechterdebatte, weil sie Männer und Frauen gegeneinander ausspielt, anstatt ihre Konflikte einer gemeinsamen Lösung zuzuführen.