Das Lied als Labor

Im deutschen Sprachraum war das Kunstlied nicht nur eine der wichtigsten Formen romantischer Musik, sondern auch ein Scharnier zur Moderne: Wer musikalisch neue Welten betrat, tat gut daran, sich an etwas festzuhalten – etwa an einem zu vertonenden Gedicht. Die Lieder von Alban Berg und Anton Webern zeigen faszinierende Wege in die Musik des 20. Jahrhunderts. Das Liedschaffen ihres Lehrmeisters Arnold Schönberg ist merkwürdigerweise weniger bekannt – Deutschlandradio Kultur möchte daran etwas ändern!
Gemeinsam mit dem Pianisten Urs Liska und einer erstklassigen Sängerriege produzieren wir zur Zeit die erste Gesamtaufnahme aller klavierbegleiteten Lieder von Arnold Schönberg. Das Konzert im Berliner Musikinstrumenten-Museum ist ein erster „Zwischenbericht“ der umfangreichen Aufnahmetätigkeit, deren Ergebnis auf vier CDs veröffentlicht werden wird. Ein derartiges Projekt war überfällig, denn obwohl Schönberg unangefochten zu den Großmeistern der musikalischen Moderne gehört, sind einige seiner Werke nur schwer oder gar nicht auf Aufnahmen erhältlich.

Immerhin war es in den sechziger Jahren niemand anderes als Glenn Gould, der seine Produzenten zu einem Zyklus mit klavierbegleiteten Schönberg-Liedern überredete. Goulds Aufnahme bündelt zwar etliche Lieder, ist aber hoffnungslos veraltet – denn davon abgesehen, dass Gould einige Lieder schlicht ignorierte, sind in der Zwischenzeit viele andere Lieder aus dem Nachlass Schönbergs entdeckt worden. Schwer zu sagen, warum diese Werke weniger bekannt sind – an ihrer Qualität kann es nicht liegen; eher daran, dass die Öffentlichkeit von „Schönberg“ immer etwas anderes erwartet hat als Lieder, die ihre romantischen Wurzeln selten verleugnen.

Aber genau von dort aus hat Schönberg – der nie müde wurde, seine grenzenlose Bewunderung für Brahms zu bekunden – seine Musik entwickelt. Und in schwierigen Übergangssituationen vertraute er seine musikalischen Gedanken der Liedgattung an, womit diese Werke Schönbergs Entwicklung besonders nachvollziehbar dokumentieren. Auf dem Programm steht überdies mit Franz Liszt ein wichtiger Impulsgeber Schönbergs – der seinerseits zum Anreger der Musik Alban Bergs werden sollte.


Musikinstrumenten-Museum Berlin, Curt-Sachs-Saal
Aufzeichnung vom 17.12.2009


Arnold Schönberg
Nachgelassene Lieder

Vier Lieder für eine Singstimme und Klavier op. 2

Alban Berg
Sieben frühe Lieder

ca. 20:45 Uhr Konzertpause mit Nachrichten
„Berauscht vom Klang der ersten Worte…“
Der Liedkomponist Arnold Schönberg
Studiogäste: Thomas Ertelt (Staatliches Institut für Musikforschung Berlin)
Ulrich Krämer (Schönberg-Gesamtausgabe)
Urs Liska
Moderation: Olaf Wilhelmer

Arnold Schönberg
„Der verlorene Haufen“ aus Zwei Balladen für Gesang und Klavier op. 12

Franz Liszt
Tre Sonetti di Petrarca S. 270/2

Arnold Schönberg
Sechs Lieder für eine mittlere Singstimme und Klavier op. 3


Konrad Jarnot, Bariton
Urs Liska, Klavier