Das Leben eines Dadaisten

Anlässlich seines 50. Todestages wird die Autobiografie des Malers, Grafikers und Karikaturisten George Grosz "Ein kleines Ja und ein großes Nein" neu aufgelegt. Der Mann mit dem spitzen Zeichenstift war einer der führenden Köpfe der Berliner Dadaisten.
George Grosz gilt als der große politische Zeichner und Maler des 20.Jahrhunderts. Seine Bilderzyklen aus den 1920er-Jahren, vor allem "Das Gesicht der herrschenden Klasse" und "Ecce homo" sind sogar Bestandteil des Kunstunterrichts an den Schulen. Grosz wird das Verdienst zugeschrieben, die Karikatur auf das Niveau der Schönen Künste erhoben zu haben.

Er selbst sah das anders, sowohl was die Kunst, als auch was die Politik betraf, jedenfalls im Nachhinein – darüber gibt seine 1946 in den USA erschienene Autobiografie deutlich Auskunft. Als er sie schrieb, lebte er in New York und war längst amerikanischer Staatsbürger. Von politischen Inhalten hatte er sich schon der ersten Zeit der Emigration abgewandt.

Er hieß eigentlich Georg Groß, wurde als Sohn eines Berliner Gastwirts 1893 geboren und wuchs in einer pommerschen Kleinstadt auf. In der neunten Klasse flog er von der Schule und durfte schließlich seinem Herzenswunsch folgen und in Dresden Kunst studieren. Aus diesen frühen Lebensjahren erzählt er in seinem Buch sehr ausführlich und lebendig – nicht, wie ein Schriftsteller erzählen würde, sondern wie jemand, der seine Erinnerungen aufsteigen lässt und schreibend versucht, sie einzuordnen und zu bewerten.

Die rebellische Haltung der jungen Künstler am Vorabend des Ersten Weltkriegs ist ihm einigen Spott wert. Sich selbst präsentiert er zu dieser Zeit als naiven Handwerker, der mit seiner Begabung Geld verdienen will und den neuen Strömungen der Kunst allzu aufgeschlossen ist.

Eines der immer wiederkehrenden Themen des George Grosz war die Selbstreflexion als Künstler. Die Kunst sei gar nichts Hohes, man achte sie nicht, schimpfte und wütete er immer wieder im Lauf seines Künstlerlebens, öffentlich wie privat; der Künstler selbst sei ein Popanz, ein Spielzeug für die Mäzene. So sah er auch – jedenfalls phasenweise - sich selbst. Sogar von der Zeit seiner größten Erfolge, zwischen 1917 und 1933, zwischen seiner Entlassung aus dem Heer als "kriegsuntauglich" und der Änderung seines Namens in "George Grosz" bis zur Emigration, ist mit viel kritischer Distanz die Rede: Die Berliner Dadaisten, denen er als führender Kopf angehörte, schildert er zwar äußerst komisch, betont aber heftig ihren Anteil an der allgemeinen Destruktivität dieser Zeit.

Eindrucksvoll ist seine Schilderung einer Reise in die Sowjetunion 1922, deren Resultat war, dass er die KPD, der er nach dem Krieg beigetreten war, wieder verließ. Von dieser Mitgliedschaft allerdings ist in dem Buch nie die Rede: George Grosz wusste, was er seinem amerikanischen Publikum zumuten konnte und was nicht. Und für dieses Publikum ist das Buch vor allem geschrieben.

Es zeigt, bei allem Bemühen um Unterhaltsamkeit, einen ziemlich misanthropischen, oft bitteren Künstler, der sich in einer Sphäre außerhalb – um nicht zu sagen: überhalb - der verachtenswerten Masse zu verorten versucht. Es zeigt einen ziemlich einsamen Mann, der verzweifelt um Erfolg kämpfte und sich dafür rechtfertigen zu müssen glaubte. Es zeigt einen desillusionierten Menschen, der sich für kein Ideal mehr begeistern lassen will.

Über die Zeit des Zweiten Weltkrieges schreibt er nur noch wenig: ein paar Anekdoten, berühmte Namen, sonst nichts. Vom Tod seiner Mutter im Bombenhagel auf Berlin kein Wort. Es ist, als habe er die Lust verloren, sich mit seinem Leben, das er zu diesem Zeitpunkt als ziemlich gescheitert betrachtete, weiter zu beschäftigen.

Wenn man dieses Buch heute wieder liest, so lange nach seinem ersten Erscheinen in Deutschland (1955) und 50 Jahre nach Grosz' plötzlichem Tod in Berlin, werden vor allem die Jahre der Weimarer Republik lebendig: so unverklärt und menschlich, so unideologisch, wie man es aus der Feder ihres größten Karikaturisten nicht erwartet hätte.

Besprochen von Katharina Döbler

George Grosz, Ein kleines Ja und ein großes Nein - Sein Leben von ihm selbst erzählt
Verlag Schöffling & Co., Frankfurt a.M. 2009.
Mit zahlreichen Farbtafeln und Abbildungen
416 Seiten, 34,90 EUR