Das Leben, ein Traum
Wo gibt es das noch? Wo stehen noch solche Sätze? "Obwohl wir schon ein paar Jahre zusammen sind, ist mir die Zeit wie abhanden gekommen." Das lässt der niederländische Autor Remco Campert seinen Helden sagen, als er über die Frau spricht, mit der er zusammen lebt.
Olga, die Schauspielerin. Er, Simon, der Schriftsteller. Wie meint er diesen Satz? Dass seine Liebe zu Olga die Zeit unwichtig erscheinen lässt? Oder dass er die Zeit nicht mehr spürt, weil er die Beziehung nicht mehr spürt? Ist das dann schon eine Lebenskrise, oder einfach nur eine Schreibkrise?
Aber wie das so ist in diesem Beruf: Man kann ihn offenbar nicht ausüben, ohne regelmäßig durch Schreibkrisen zu gehen. Das scheint Teil des Geschäfts zu sein. So geht es auch Simon, der durch sein Leben wandelt auf der Suche nach Schreibanlässen, oder überhaupt nach einer Möglichkeit, sich von der erlebten Wirklichkeit für genau den nötigen Moment abzuwenden, den man braucht, um sie zu Literatur zu kondensieren.
Lebst du noch, oder schreibst du schon? Simon lebt erstmal. Er nimmt sich Zeit, ein Papierflugzeug für das kranke Kind von Bekannten zu basteln, sich über "originelle Regisseure" und viel lange Inszenierungen am Theater aufzuregen, den Porträtfotografen, den ihm der Verlag geschickt hat, affig zu finden, um dann am Ende des Tages doch wieder neben Olga zu liegen, und solche Sätze zu sagen wie: "Ganz einfach hier neben mir, das ist es, das Leben."
Simon, der Schriftsteller. Er schreibt zwar nicht, aber dafür träumt er viel. Er versucht seine Träume mit in die Wirklichkeit zu nehmen, um wenigstens ein Minimum an nötiger Fremdheit vom alltäglichen Leben zu spüren, eine Fremdheit von der er glaubt, sie als Künstler haben zu müssen. Aber vielleicht braucht er das Schreiben gar nicht mehr. Vielleicht hat es sich in seinem Schriftstellerleben ausgeschrieben.
Doch dafür macht er überaus poetische Beobachtungen des Alltags - man spürt als Leser die Distanz zu den Dingen und genießt sie.
Man kann Remco Campert für "Wie in einem Traum" nur dankbar sein. Wo beschränken sich Autoren auf ein schmales Bändchen mit ein paar dutzend Seiten, wo trägt der Verlag sein Übriges dazu bei, in dem er auf den Einband ein klassisches Schwarz-Weiß-Foto setzt, auf dem ein Gentleman mit Frack und weißer Fliege, einer korrekt gehaltenen Kaffeetasse (wobei "Kaffee" bitte wie "Café" auszusprechen ist) und einer teuren Uhr gepflegt mit einer Dame Konversation betreibt? Wobei sie ein zeitloses Abendkleid mit einem tiefen, aber nicht zu tiefen Rückenausschnitt trägt. Wo gibt es noch Bücher, die man einfach mit einem Seufzer aus der Hand legen, und ohne trivial zu sein, sagen kann: "Wie schön"?
Remco Campert ist in den Niederlanden eine literarische Größe, mindestens so bedeutend wie Cees Nooteboom - und auch dessen Generation. Er hat eine regelmäßige Kolumne in der auflagenstarken Zeitung "De Volkskrant", und doch muss er in Deutschland noch entdeckt werden. Spät, aber vielleicht nicht zu spät.
Sicher, man könnte einwenden: Schon wieder ein Schriftsteller, der über seinen eigenen Beruf schreibt - was Campert übrigens schon in dem gefeierten Vorgängerbuch "Eine Liebe in Paris" getan hat. Der eigene Beruf, das unmittelbar eigene Erleben. Aber vielleicht ist der Beruf des Schriftstellers so einnehmend, dass man darin unterzugehen droht - und dann ist man wahrscheinlich gezwungen, darüber zu schreiben. Aber was weiß ein Rezensent schon davon.
Remco Campert: Wie in einem Traum
Aus dem Niederländischen von Marianne Holberg
Arche Verlag, 128 Seiten, 16 EUR
Aber wie das so ist in diesem Beruf: Man kann ihn offenbar nicht ausüben, ohne regelmäßig durch Schreibkrisen zu gehen. Das scheint Teil des Geschäfts zu sein. So geht es auch Simon, der durch sein Leben wandelt auf der Suche nach Schreibanlässen, oder überhaupt nach einer Möglichkeit, sich von der erlebten Wirklichkeit für genau den nötigen Moment abzuwenden, den man braucht, um sie zu Literatur zu kondensieren.
Lebst du noch, oder schreibst du schon? Simon lebt erstmal. Er nimmt sich Zeit, ein Papierflugzeug für das kranke Kind von Bekannten zu basteln, sich über "originelle Regisseure" und viel lange Inszenierungen am Theater aufzuregen, den Porträtfotografen, den ihm der Verlag geschickt hat, affig zu finden, um dann am Ende des Tages doch wieder neben Olga zu liegen, und solche Sätze zu sagen wie: "Ganz einfach hier neben mir, das ist es, das Leben."
Simon, der Schriftsteller. Er schreibt zwar nicht, aber dafür träumt er viel. Er versucht seine Träume mit in die Wirklichkeit zu nehmen, um wenigstens ein Minimum an nötiger Fremdheit vom alltäglichen Leben zu spüren, eine Fremdheit von der er glaubt, sie als Künstler haben zu müssen. Aber vielleicht braucht er das Schreiben gar nicht mehr. Vielleicht hat es sich in seinem Schriftstellerleben ausgeschrieben.
Doch dafür macht er überaus poetische Beobachtungen des Alltags - man spürt als Leser die Distanz zu den Dingen und genießt sie.
Man kann Remco Campert für "Wie in einem Traum" nur dankbar sein. Wo beschränken sich Autoren auf ein schmales Bändchen mit ein paar dutzend Seiten, wo trägt der Verlag sein Übriges dazu bei, in dem er auf den Einband ein klassisches Schwarz-Weiß-Foto setzt, auf dem ein Gentleman mit Frack und weißer Fliege, einer korrekt gehaltenen Kaffeetasse (wobei "Kaffee" bitte wie "Café" auszusprechen ist) und einer teuren Uhr gepflegt mit einer Dame Konversation betreibt? Wobei sie ein zeitloses Abendkleid mit einem tiefen, aber nicht zu tiefen Rückenausschnitt trägt. Wo gibt es noch Bücher, die man einfach mit einem Seufzer aus der Hand legen, und ohne trivial zu sein, sagen kann: "Wie schön"?
Remco Campert ist in den Niederlanden eine literarische Größe, mindestens so bedeutend wie Cees Nooteboom - und auch dessen Generation. Er hat eine regelmäßige Kolumne in der auflagenstarken Zeitung "De Volkskrant", und doch muss er in Deutschland noch entdeckt werden. Spät, aber vielleicht nicht zu spät.
Sicher, man könnte einwenden: Schon wieder ein Schriftsteller, der über seinen eigenen Beruf schreibt - was Campert übrigens schon in dem gefeierten Vorgängerbuch "Eine Liebe in Paris" getan hat. Der eigene Beruf, das unmittelbar eigene Erleben. Aber vielleicht ist der Beruf des Schriftstellers so einnehmend, dass man darin unterzugehen droht - und dann ist man wahrscheinlich gezwungen, darüber zu schreiben. Aber was weiß ein Rezensent schon davon.
Remco Campert: Wie in einem Traum
Aus dem Niederländischen von Marianne Holberg
Arche Verlag, 128 Seiten, 16 EUR