Das Leben als Datenbank

Von Catherine Newmark |
Ob Visitenkarten, erhaltene Briefe oder gesehene Filme - mit einer neuen Software von Evernote lassen sich Lebenserinnerungen in einem digitalen Archivierungssystem speichern und ordnen. Alles, was sich mit einer Handy-Kamera ablichten lässt, kann festgehalten werden.
"Erstellen Sie eine Notiz. Oder 50'000". Und: "Lassen Sie sich nichts entgehen!" Mit solchen Sätzen wirbt die Firma Evernote auf ihrer Webseite für ihre Software.

Mit dieser lässt sich – zumindest dem Anspruch nach – das menschliche Leben mehr oder weniger komplett in eine Datenbank verwandeln: mit Evernote kann jedermann jederzeit alles Wichtige in ein zentrales digitales Archivierungssystem hochladen: Visitenkarten, Geschenkideen, Weinetiketten – alles, was sich mit einer Handy-Kamera ablichten lässt, kann vom System gespeichert und geordnet werden. Ebenso Notizen, Termine und Websites, die man besucht hat. So soll eine riesige Datenbank an Erinnerungen entstehen.

Bereits im Besitz einer fast vollständigen Datenbank von Lebenserinnerungen befindet sich Gordon Bell. Der Microsoft-Mitarbeiter hat in den letzten Jahren im experimentellen Forschungsprojekt "MyLifeBits" konsequent versucht, seinen Alltag zu digitalisieren – gelesene Bücher, erhaltene Briefe, gehörte Musik, gesehene Filme, bis hin zu getätigten Telefonaten. Alles wird auf Festplatte gespeichert. Und das Sammeln geht weiter, der ältere Herr läuft nach wie vor mit einer speziell entwickelten Kamera um den Hals herum und nimmt so gut wie alles auf, was er tut.

Schon seit den 50er-Jahren träumen Informatiker von einer sogenannten Memex-Maschine, einem elektronischen "Memory Extender" oder "Gedächtnis-Erweiterer", mit der wir alle unsere Lebensdaten sammeln und ordnen – und dann auch erinnern – können. Plattformen wie Evernote bedienen genau diesen Traum: sie speichern nicht nur die Masse an Daten, sondern verschlagworten sie auch. Der Evernote-Mensch, so die Vision, kann durch seine eigene Biografie surfen; alles ist jederzeit abrufbar. Mehr als zwei Millionen Menschen nutzen die Plattform bereits weltweit.

Aber helfen solche Datensammlungen unserem Erinnerungsvermögen wirklich? Oder leidet unsere Gesellschaft schlicht an einem digitalen Messie-Syndrom?