Das langsame Sterben

Von Uwe Friedrich |
Mit Glinkas "Ruslan und Ludmila" gaben die Berliner Symphoniker ihr letztes Konzert. Auf Grund ihrer billigen Eintrittspreise und der musikpädagogischen Arbeit erreichten die Musiker ein Publikum, das sonst nur selten klassische Musik erlebt. Vorbei auch die Hoffnung auf ein privat finanziertes Symphonieorchester.
Mit Glinkas "Ruslan und Ludmila" schwungvoll ins Aus, das war nun also das letzte Konzert der Berliner Symphoniker. Das Ende der großen Hoffnungen auf ein privat finanziertes Symphonieorchester. Vor wenigen Wochen meinten die Insolvenzverwalter noch, sie könnten das fehlende Geld in kurzer Zeit bei Großsponsoren auftreiben, machten ambitionierte Pläne für ein Musikpädagogisches Zentrum. Und nun der Katzenjammer. Es fehlen 80.000 Euro, um die geplanten Konzerte der laufenden Saison durchzuführen. Für die Zeit danach seien erfolgversprechende Verhandlungen geführt worden, sie sind nun hinfällig, meint Orchestergeschäftsführer Andreas Moritz:

" Also, was das für die anderen Orchester und Theater für ein Signal ist, weiß ich nicht, ich denke mal, kein besonders gutes, denn es bestraft mit Sicherheit eines, nämlich privates Engagement. Und das in einem Land, das mit Recht von allen Seiten danach ruft, die Subventionskultur abzubauen, um die Steuerlast zu senken. Also wir passen mit unserem Versuch, so etwas auf die Beine zu stellen, sehr gut in diese Zeit. Vielleicht passen Politiker nicht so gut in die Zeit, in der sie regieren."

Viele Jahre dauert nun schon das langsame Sterben der Berliner Symphoniker. Dieses kleinste, billigste und effektivste der öffentlich geförderten Berliner Symphonieorchester machte sich vor allem mit pädagogischer Arbeit einen Namen. Viele Berliner Grundschüler haben hier zum ersten Mal ein Instrument in die Hand nehmen und ausprobieren können, mit konkurrenzlos niedrigen Eintrittspreisen wurden jene ins Konzert gelockt, die sich Philharmonikerkarten schon lange nicht leisten können.

Dieses treue Publikum bejubelte am Sonntagnachmittag auch ausdauernd den jungen italienischen Solisten Eduardo Zosi nach Tschaikowskis Violinkonzert und applaudierte nach Dvoraks neunter Symphonie in feierlicher Abschiedsstimmung die Orchestermusiker und den Dirigenten Piotr Borkowski. Um dieses dringend benötigte Angebot auch über die Insolvenz zu retten, hatten sich die Orchestermanager ein kluges Konzept ausgedacht. Der Kernpunkt ist auch für Andreas Moritz: Das Land Berlin sollte keine Pauschalsubventionierung mehr leisten.

Andreas Moritz: " Grundfinanzierung vom Land Berlin in unserem Falle wäre keine Subvention gewesen, sondern wir hätten einen Dienstleistungsvertrag mit dem Land Berlin abschließen wollen, in dem wir unsere musikpädagogische Arbeit mit dem Schulsenator auf eine vertragliche Basis gehoben hätten, also Leistung gegen Zahlung, auch insofern weg von der Subventionskultur, und es wäre auch nur ein sehr geringer Sockelbetrag gewesen. Das wollte man nicht."

Gerade die Berliner Symphoniker haben in den vergangenen Jahren immer das getan, was die Kulturpolitiker gerade für en vogue hielten. Private Trägerschaft, das gibt mehr Freiheiten für die Tarifgestaltung. Diese Freiheiten wurden vor allem für Haustarifverträge genutzt, also für Bezahlung unter dem Flächentarif, für Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld bei gleichzeitiger Mehrarbeit. Das alles hat nichts genutzt, immer wieder standen die Symphoniker auf der Planke. Nicht weil ihre Arbeit nicht sinnvoll wäre, sondern schlicht, weil die Symphoniker am einfachsten abzuwickeln sind. Orchester wie Daniel Barenboims Staatskapelle oder die Philharmoniker könnten die Berliner Politiker selbst dann nicht loswerden, wenn sie es ganz dringend wollten. Das wollen sie aber gar nicht, denn mit denen und ihren Hochglanzevents kann sich jeder Kulturpolitiker prima schmücken. Das weiß auch der langjährige Symphonikerintendant Jochen Thärichen:

"Wir haben eben doch im Laufe der Zeit, und auch da ist unser Regierender Bürgermeister offensichtlich Vorreiter, dort wo ein roter Teppich liegt, wo die Blitzlichter sind, dort ist er und bei solch wichtigen Dingen wie Kärrnerarbeit in den Bezirken. Dass man sagen kann, hier arbeiten die Symphoniker, hier versucht man, Menschen von der Straße zu holen, das wird einfach nicht gewürdigt, und da kann man nur sagen, das wird sich einmal ganz fürchterlich rächen."

Jochen Thärichen hat nun eine neue Initiative "Berolina-Orchester" gestartet, um die Symphoniker ein weiteres Mal zu retten. Diesem Verein gehören die Rechte am Namen der Berliner Symphoniker, das Notenarchiv und vor allem viele der Instrumente. Diese Werte sollen nun aus der Insolvenzmasse gerettet werden. Drei Millionen Euro jährlich braucht ein Orchester wie die Symphoniker. Was die Sponsoren angeht, ist Jochen Thärichen nicht ganz so zuversichtlich wie Geschäftsführer Andreas Moritz.

Jochen Thärichen: "Wenn der Staat nicht die Grundversorgung macht, glaube ich nicht, dass man über Sponsoren, wie jetzt im Moment die wirtschaftliche Lage ist, wird man das nicht einfordern können. Zumal auch hier, wir schauen und schielen immer nach Amerika, weil natürlich auch die Steuerkonzeption eine andere ist hier in Deutschland, und man kann nicht eine Kulturinstitution einfach auf den freien Markt schmeißen und sagen, nun schaut mal, dass ihr überlebt, und da hoffe ich, dass wir noch zu einer Lösung kommen."

Besonders optimistisch schauen Musiker und Manager der Berliner Symphoniker nicht in die Zukunft. Natürlich wäre das Ende der Berliner Symphoniker nicht das Ende der klassischen Musik in Berlin. Aber gerade mit ihren billigen Eintrittspreisen und ihrer musikpädagogischen Arbeit erreichten diese Musiker ein Publikum, das sonst nur selten klassische Musik erlebt. Es ist ein riesiger Verlust für das Musikleben, den die anderen Berliner Orchester allenfalls teilweise werden ersetzen können. Deshalb will auch Andreas Moritz seinen Traum vom Musikpädagogischen Zentrum der Berliner Symphoniker nicht aufgeben.

Andreas Moritz: "Jedes Orchester wird ihnen sagen, dass es ein Unding ist, diese Lücke auch nur annähernd zu füllen. Nein, das bricht ersatzlos weg, wir haben hier einen Verlust an Wertevermittlung an Jugendliche, die sicherlich Schaden entstehen lässt, die wir in Jahren werden bezahlen müssen, allerdings dann nicht mehr mit Geld werden bezahlen können."