Das Land, in dem die Zitronen blühen

Mitte des 18. Jahrhunderts reiste Fürst Franz von Anhalt-Dessau mit einer großen Entourage durch Europa. Für Adlige war diese "Kavalierstour ", die ihn auch nach Rom führte, Bildungsprogramm. Antje und Christophe Losfeld haben diese Reiseerfahrungen basierend auf Aufzeichnungen zusammengefasst.
Der Fürst von Anhalt Dessau begab sich am 18. Oktober 1765 auf eine Grand Tour, die ihn durch Italien, Frankreich und England führte. In seiner Begleitung befanden sich neben einem Friseur, einem Koch, Kammerdienern und Musikern auch der Bruder des Fürsten, Prinz Johann Georg, der Kunstgelehrte und Architekt Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff und Georg Heinrich von Berenhorst, der während der Tour eines der Reisejournale führte.

Die Grand Tour oder Kavalierstour gehörte zum Bildungsprogramm junger Adliger. In erster Linie sollten sich die jungen Herren im standesgemäßen Auftreten üben und lernen, wie man sich in höfischen Kreisen bewegt. Mitte des 18. Jahrhunderts begann man sich aber auch für die Länder und ihre Sehenswürdigkeiten zu interessieren, wobei Italien mit seinen Altertumsschätzen von besonderer Bedeutung war.

Berenhorst legte 1775 das in französischer Sprache verfasste Reisejournal seinem Fürsten vor. 1934 gelangte die Handschrift in den Besitz der Landesbücherei Dessau, wo eine maschinenschriftliche Abschrift angefertigt wurde. Auf der Grundlage dieser Abschrift - das Original gehört zu den Kriegsverlusten - wurde das Reisejournal von Antje und Christophe Losfeld ins Deutsche übersetzt, sodass nun der "gesamte Berenhorst" erstmals gedruckt und ausführlich kommentiert in deutscher (Band 1) und in französischer (Band 2) Sprache vorliegt.

Fürst Franz reiste zusammen mit seinem kunstgelehrten Fachmann Erdmannsdorff durch Europa, um Eindrücke für die eigene Landesgestaltung zu sammeln. Im Unterschied zu seinem Großvater, Leopold I., den die Altertümer "unbekümmert" ließen, interessierte sich der Fürst für die antiken Bauten. Es war nicht seine erste Italienreise. Bereits von 1761 bis 1763 weilte er in dem Land, in dem die Zitronen blühen, aber er war nicht bis nach Neapel und Rom gekommen.

Rom bildete deshalb auf der zweiten Grand Tour eines der Hauptziele. Nachdem die Reisenden am 11. November den Brenner passiert hatten, erreichten sie am 24. Dezember 1765 die ewige Stadt. Gut zwei Monate waren sie unterwegs. Während die Dienerschaft die Unterkunft in der Nähe der Piazza di Spagna herrichtete, wollte seine Hoheit nicht bis zum nächsten Morgen warten und begab sich noch am selben Abend bei "Mondschein" zum Kapitol. Selbstverständlich stattete man auch dem Pantheon einen Besuch ab.

Der Fürst sammelte zunächst Eindrücke. Aber weil er später vor Augen haben wollte, was er auf der Grand Tour gesehen hatte, begann er nach seiner Rückkehr – unter tätiger Mitwirkung von Erdmannsdorff – im Wörlitzer Gartenreich Bauwerke zu errichten, die denen nachempfunden waren, die ihn auf seiner Bildungsreise beeindruckt hatten. So verwundert es nicht, dass sich noch heute im Wörlitzer Park ein Pantheon findet.

Ein weiterer Höhepunkt der Grand Tour war die Reise nach Neapel, wo man nicht nur die Stadt und den Golf von Neapel sehen wollte, sondern auch den Vesuv. Am 21. Februar 1766 notiert Berenhorst im Reisejournal: "Um nach Neapel zu fahren, verlässt man Rom durch das San Giovanni Tor."

Vier Tage später kam man in Neapel an und am 28. Februar, von Bauern "bis zur Öffnung des Vulkans geschleppt", wurde der Vesuv bestiegen. Eindrucksvoll beschreibt Berenhorst, was er gesehen hat, aber noch eindrucksvoller ist der sogenannte "Stein", eine Nachbildung des Vesuvs, der heute die Wörlitzer Gartenanlage ziert. Der Kunsthistoriker Eberhard Hirsch hat für die Bezeichnung der Bauwerke, die in Wörlitz zu sehen sind, den Begriff "Stil der Reiseeindrücke" geprägt.

Berenhorsts Reisetagebuch vermittelt einen Eindruck, wie die Grand Tour des Fürsten verlaufen ist. Man bekommt aus erster Hand mitgeteilt, wann sich die Reisenden wo aufhielten und was sie gesehen haben. Eine aufschlussreiche und höchst unterhaltsame Lektüre, die noch ertragreicher ausgefallen wäre, hätte man der Ausgabe Erdmannsdorffs "Kunsthistorisches Journal einer fürstlichen Bildungsreise nach Italien 1765/66" beigefügt. Denn sehr häufig, gerade wenn es um antike Architektur und Kunst geht, verweist Berenhorst auf die Einträge des Fachmanns, die in Erdmannsdorffs Reisetagebuch zu finden sind.

Besprochen von Michael Opitz

Antje Losfeld und Christophe Losfeld: Die Grand Tour des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau und des Prinzen Johann Georg durch Europa. Aufgezeichnet im Reisejournal des Georg Heinrich von Berenhorst 1765 bis 1768
Unter Mitarbeit von Uwe Quilitzsch
Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale), 2012
Band 1 deutsche Übersetzung, 354 Seiten
Band 2 französisches Original, 304 Seiten
49,95 Euro