Das Krankenhaus als Mikrokosmos
Eine junge Frau kommt in die Klinik, sie teilt das Zimmer mit drei betagten Damen. Anna Elisabeth Mayer erzählt eine ungewöhnliche Krankenhausgeschichte, in der zwar auch gestorben und geweint, die aber keinen Augenblick rührselig oder dramatisch wird.
Die Heldin hat’s am Herzen und muss ins Krankenhaus. Sie kommt in ein Vierbett-, das "Damenzimmer No 5". Hier ist sie mit Anfang 30 nun das Küken, denn die anderen drei Patientinnen sind alte Damen, die ihr Leben beinahe hinter sich haben, die aber in ihrem Lebenswillen, ihrer Energie und ihren Biografien höchst verschieden sind.
Eindrucksvoll ist vor allem der Sophia-Loren-Fan Frau Ott, die in der Biografie des verehrten Leinwandstars wie in einer Bibel immer wieder liest, die daraus zitiert und versucht, ihrem Vorbild ähnlich zu sein. Für sie ist die Liebe noch kein abgeschlossenes Thema, sie flirtet, achtet auf geschminkte Lippen und erzählt gerne von all ihren Männern.
Die anderen beiden alten Damen, eine ums Leben betrogene Ehefrau und die lebensmüde Mutter eines abtrünnigen Sohnes, sind weniger agil, aber alle drei eint die Bewunderung für den attraktiven Stationsarzt.
Die österreichische Autorin spielt virtuos mit den Motiven des Arztromans, der Mann heißt Dr. Winter und wird von ihr mit strahlendem Lächeln, gutem Aussehen und einer eifersüchtigen Stationsschwester ausgestattet. Die Morgenvisite wird da zum theatralischen Auftritt.
Selbstverständlich gehört zum Genre auch die Liebe. Weil aber die alten Damen nicht mehr in den erotischen Ring steigen können, lassen sie die junge Mitpatientin als Stellvertreterin agieren. Eine Wette wird abgeschlossen, und das Spiel um Verführung und Begehren nimmt seinen Lauf. Auch wenn es anders ausgeht als erwartet, am Ende waren die Regeln und die Versuchsanordnung das Entscheidende.
Anna Elisabeth Mayer erzählt eine ungewöhnliche Krankenhausgeschichte, in der zwar auch gestorben und geweint, die aber keinen Augenblick rührselig oder dramatisch wird. Tod und Leben gehören nicht nur zusammen, sie haben auch höchst groteske Züge, und das Lebensende ist nicht weniger komisch als die tragischen Verwicklungen in den mittleren Jahren, die in der Rückschau sowieso eher Stoff fürs Komödienfach bieten.
Auch wenn der Roman leichtgewichtig daher kommt, die Lebens- und Liebesgeschichten, die hier im Zentrum stehen, werden mit großer Zuneigung und Genauigkeit gefasst. Das Krankenhaus als Mikrokosmos der Gesellschaft, auch als Versuchslabor für das Zusammenleben von Alt und Jung. Wie und dass das funktionieren kann, auch davon erzählt dieser Roman, der das Schwere leicht nimmt, und das ist bekanntlich das schwerste überhaupt.
Draußen ist man in jedem Fall gesünder, aber nicht unbedingt besser dran: "Ich drehte mich noch einmal um: Pavillon VII und im Hintergrund verdeckt von Bäumen die Urologie. Mit großen Schritten ging ich weiter. Ich meldete mich in der Aufnahme ab, passierte das Pförtnerhäuschen und wartete auf die Straßenbahn. Sie war voll, und Gesprächsfetzen bedrängten mein Ohr. Ich dachte: Ich bin aus dieser Welt gefallen, und ich sehne mich in meine zurück."
Besprochen von Manuela Reichart
Anna Elisabeth Mayer: Fliegengewicht
Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2010
217 Seiten, 18,95 Euro
Eindrucksvoll ist vor allem der Sophia-Loren-Fan Frau Ott, die in der Biografie des verehrten Leinwandstars wie in einer Bibel immer wieder liest, die daraus zitiert und versucht, ihrem Vorbild ähnlich zu sein. Für sie ist die Liebe noch kein abgeschlossenes Thema, sie flirtet, achtet auf geschminkte Lippen und erzählt gerne von all ihren Männern.
Die anderen beiden alten Damen, eine ums Leben betrogene Ehefrau und die lebensmüde Mutter eines abtrünnigen Sohnes, sind weniger agil, aber alle drei eint die Bewunderung für den attraktiven Stationsarzt.
Die österreichische Autorin spielt virtuos mit den Motiven des Arztromans, der Mann heißt Dr. Winter und wird von ihr mit strahlendem Lächeln, gutem Aussehen und einer eifersüchtigen Stationsschwester ausgestattet. Die Morgenvisite wird da zum theatralischen Auftritt.
Selbstverständlich gehört zum Genre auch die Liebe. Weil aber die alten Damen nicht mehr in den erotischen Ring steigen können, lassen sie die junge Mitpatientin als Stellvertreterin agieren. Eine Wette wird abgeschlossen, und das Spiel um Verführung und Begehren nimmt seinen Lauf. Auch wenn es anders ausgeht als erwartet, am Ende waren die Regeln und die Versuchsanordnung das Entscheidende.
Anna Elisabeth Mayer erzählt eine ungewöhnliche Krankenhausgeschichte, in der zwar auch gestorben und geweint, die aber keinen Augenblick rührselig oder dramatisch wird. Tod und Leben gehören nicht nur zusammen, sie haben auch höchst groteske Züge, und das Lebensende ist nicht weniger komisch als die tragischen Verwicklungen in den mittleren Jahren, die in der Rückschau sowieso eher Stoff fürs Komödienfach bieten.
Auch wenn der Roman leichtgewichtig daher kommt, die Lebens- und Liebesgeschichten, die hier im Zentrum stehen, werden mit großer Zuneigung und Genauigkeit gefasst. Das Krankenhaus als Mikrokosmos der Gesellschaft, auch als Versuchslabor für das Zusammenleben von Alt und Jung. Wie und dass das funktionieren kann, auch davon erzählt dieser Roman, der das Schwere leicht nimmt, und das ist bekanntlich das schwerste überhaupt.
Draußen ist man in jedem Fall gesünder, aber nicht unbedingt besser dran: "Ich drehte mich noch einmal um: Pavillon VII und im Hintergrund verdeckt von Bäumen die Urologie. Mit großen Schritten ging ich weiter. Ich meldete mich in der Aufnahme ab, passierte das Pförtnerhäuschen und wartete auf die Straßenbahn. Sie war voll, und Gesprächsfetzen bedrängten mein Ohr. Ich dachte: Ich bin aus dieser Welt gefallen, und ich sehne mich in meine zurück."
Besprochen von Manuela Reichart
Anna Elisabeth Mayer: Fliegengewicht
Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2010
217 Seiten, 18,95 Euro