Das kleine Schaufenster in die Welt
Windmühlen, Segelschiffe und Schäferstündchen: Das kleine Schaufenster in die Welt ist nicht größer als 13 mal 13 Zentimeter, denn die Motive sind auf Fliesen gebannt. Mit die "Welt im Quadrat" zeigt das Aachener Couven-Museum zwei Privatsammlungen mit ungefähr 300 niederländischen Fliesen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert.
Eine junge Schäferin mit offenem lockigen Haar sitzt anmutig auf einer Anhöhe unter einem üppigen Baum, in den Händen hält sie ein Buch. Vor ihr steht ein Hirte, auf einen langen Stab gestützt. Die Herde lässt den beiden Zeit füreinander, sie weidet brav und ruhig auf einer Wiese, hinter der sich ein Dörfchen erstreckt.
Ein ganzer kleiner Roman könne das sein, der nicht einmal eine Hand breit Raum beansprucht, sich auf die 13 Quadratzentimeter beschränkt, die seit Jahrhunderten das Normmaß der Kacheln war. Ende des 17. Jahrhunderts wurde die kleine Szene auf eine niederländische Fliese gebannt.
Den Hirtenszenen, unter denen es nicht nur so poetisch-bukolische, sondern auch ganz alltäglich-realistische gibt, ist ein eignes Kapitel der Ausstellung im Couven-Museum gewidmet. Pflanzen, Tiere, Landschaften und Seestücke, Sprichwörter, biblische oder mythologische Szenen: Die kleinen quadratischen Abbilder kannten keine thematischen Einschränkungen, erläutert Kuratorin Belinda Petri:
" Die bekannte Welt im 16./17. Jahrhundert, aber auch alles Aktuelle wurde direkt umgesetzt. Es gibt viele Bezüge - auch zum Tagesgeschehen. "
Es war ein großer kulturgeschichtlicher Brückenschlag, dem wir die Bekanntschaft mit den Fliesen verdanken. Wer schon bei dem Begriff zuerst an das blau-weiße Holland-Souvenir mit Tulpen oder Windmühlen denkt, der vergisst, dass es eigentlich um eine arabische Erfindung geht, die im lange Zeit maurisch dominierten Spanien heimisch war und von dort – in den Jahrhunderten spanischer Herrschaft über die Niederlande – nach Nordeuropa kam.
Übrigens zu einem in erster Linie praktischen Zweck: Was im Süden dazu diente, die Innenräume vor Hitze zu schützen, erwies sich hier als nützlich, um die Wände vor Feuchtigkeit zu schützen oder Wärme zu speichern. Nicht nur im Kachelofen
Petri: " Aber auch tatsächlich als Innenraumgestaltung, das war wirklich eine Innenraumgestaltung mit Fliesen vom Boden bis zur Decke."
Auch das vermeintlich so typisch holländische blau-weiße Dekor weist die Fliese als ein interkulturelles Produkt aus: Es war ein Versuch, das unermesslich kostbare chinesische Porzellan, das weiße Gold, das nur Fürsten sich leisten konnten, in bürgerliche Wohnstuben zu holen.
Petri: " Das war natürlich irrsinnig teuer, man hat versucht, es mit heimischer Keramik zu imitieren, wo man mit der weißen Farbe das Porzellan nachahmt und mit der blauen Farbe asiatische Dekore aufgreift."
Der Versuch war überaus erfolgreich, Fliesen waren dank einer Manufaktur-Herstellung, die sich höchst effektiv entwickelte, im 17. und 18. Jahrhundert in den Niederlanden weit verbreitet. Ein Luxusgut, mit dem das aufstrebende Bürgertum sich die Welt in die Wohnstube holte und seinem Selbstbewusstsein Ausdruck verlieh. Die Darstellungen aus Handel und Gewerbe, die heimischen Landschaften, die modisch gekleideten Damen und Herren, die liebevoll und detailfreudig wiedergegebenen Kinderspiele zeigen die Wertschätzung, die man den alltäglichen Dingen beilegte. Und spiegeln auch den Aufbruchs- und Entdeckergeist dieses "Goldenen Zeitalters" der Niederlande.
Petri: " Es ist eine Dekoration, die nicht nur gefällig ist, sondern durchaus auch Bilder von außen mit hereinbringt, seien es die Ornamente, die von anderen Kulturen beeinflusst sind, oder die große weite Welt in Form dieser Handelsschiffe oder auch exotischer Tiere."
In der Ausstellung im Couven-Museum, deren Vitrinen in die Dauerpräsentation der Interieurs aus dem 16. bis 18. Jahrhundert integriert sind, kann man in vielen Seitenblicken entdecken, in welchem Umfeld die Fliesen damals standen, mit welchen anderen Kunst- und Gebrauchsgegenständen sie korrespondierten, so dass ein lebendiges Bild der Zeit entsteht.
Und ein bisschen kann man sich verlieben in die "Welt im Quadrat". Und verstehen, dass Fliesen zurzeit Konjunktur haben auf dem Kunstmarkt. Als Sammelobjekte werden sie gerade so richtig entdeckt, denn noch sind sie erschwinglich.
Für rare Stücke ist die Preisskala natürlich nach oben unbegrenzt, aber auch mit zehn Euro kann man schon ein Schnäppchen machen auf Antikmärkten, meint Belinda Petri – und sich vielleicht anstecken lassen von der Begeisterung der beiden Sammler, deren Schätze jetzt im Couven-Museum zu sehen sind:
" Es ist wie jedes Sammelthema unglaublich ansteckend. Ich hab mich auch schon dabei ertappt, dass ich mir zwei gekauft hab auf dem Flohmarkt. Es ist so ein nettes Format – man fängt solche Sammlungen an, weil man der Schönheit der Gestaltung erliegt und denkt: Ach ja, zwei, drei Fliesen werd ich schon noch untergebracht bekommen, und wie die beiden Sammler jetzt zeigen, können irgendwann 500 daraus werden oder bei anderen Leuten noch viel mehr."
Ausschlaggebend ist sicher die Faszination, dass jedes alte Stück ein Unikat ist, von Hand geformt mit einem Model für die Tonfliese, von Hand bemalt mit einem Pinsel, der so dünn war, dass man die einzelnen Borsten zählen kann – auch wie Fliesen gefertigt wurden, kann man in der Aachener Ausstellung sehen.
Petri: " Es ist nie eine gleich der anderen - sicher gibt es die Tulpe in 1000-facher Ausfertigung, aber letztlich ist jede anders, und ich glaube, wenn man da einmal in Berührung gekommen ist, dann kann man sich diesem Sammelvirus kaum widersetzen."
Service:
"13 x 13 – Die Welt im Quadrat" - Niederländische Fliesen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert ist im Couven-Museum in Aachen vom 4. Dezember 2005 bis 12. April 2006 zu sehen.
Ein ganzer kleiner Roman könne das sein, der nicht einmal eine Hand breit Raum beansprucht, sich auf die 13 Quadratzentimeter beschränkt, die seit Jahrhunderten das Normmaß der Kacheln war. Ende des 17. Jahrhunderts wurde die kleine Szene auf eine niederländische Fliese gebannt.
Den Hirtenszenen, unter denen es nicht nur so poetisch-bukolische, sondern auch ganz alltäglich-realistische gibt, ist ein eignes Kapitel der Ausstellung im Couven-Museum gewidmet. Pflanzen, Tiere, Landschaften und Seestücke, Sprichwörter, biblische oder mythologische Szenen: Die kleinen quadratischen Abbilder kannten keine thematischen Einschränkungen, erläutert Kuratorin Belinda Petri:
" Die bekannte Welt im 16./17. Jahrhundert, aber auch alles Aktuelle wurde direkt umgesetzt. Es gibt viele Bezüge - auch zum Tagesgeschehen. "
Es war ein großer kulturgeschichtlicher Brückenschlag, dem wir die Bekanntschaft mit den Fliesen verdanken. Wer schon bei dem Begriff zuerst an das blau-weiße Holland-Souvenir mit Tulpen oder Windmühlen denkt, der vergisst, dass es eigentlich um eine arabische Erfindung geht, die im lange Zeit maurisch dominierten Spanien heimisch war und von dort – in den Jahrhunderten spanischer Herrschaft über die Niederlande – nach Nordeuropa kam.
Übrigens zu einem in erster Linie praktischen Zweck: Was im Süden dazu diente, die Innenräume vor Hitze zu schützen, erwies sich hier als nützlich, um die Wände vor Feuchtigkeit zu schützen oder Wärme zu speichern. Nicht nur im Kachelofen
Petri: " Aber auch tatsächlich als Innenraumgestaltung, das war wirklich eine Innenraumgestaltung mit Fliesen vom Boden bis zur Decke."
Auch das vermeintlich so typisch holländische blau-weiße Dekor weist die Fliese als ein interkulturelles Produkt aus: Es war ein Versuch, das unermesslich kostbare chinesische Porzellan, das weiße Gold, das nur Fürsten sich leisten konnten, in bürgerliche Wohnstuben zu holen.
Petri: " Das war natürlich irrsinnig teuer, man hat versucht, es mit heimischer Keramik zu imitieren, wo man mit der weißen Farbe das Porzellan nachahmt und mit der blauen Farbe asiatische Dekore aufgreift."
Der Versuch war überaus erfolgreich, Fliesen waren dank einer Manufaktur-Herstellung, die sich höchst effektiv entwickelte, im 17. und 18. Jahrhundert in den Niederlanden weit verbreitet. Ein Luxusgut, mit dem das aufstrebende Bürgertum sich die Welt in die Wohnstube holte und seinem Selbstbewusstsein Ausdruck verlieh. Die Darstellungen aus Handel und Gewerbe, die heimischen Landschaften, die modisch gekleideten Damen und Herren, die liebevoll und detailfreudig wiedergegebenen Kinderspiele zeigen die Wertschätzung, die man den alltäglichen Dingen beilegte. Und spiegeln auch den Aufbruchs- und Entdeckergeist dieses "Goldenen Zeitalters" der Niederlande.
Petri: " Es ist eine Dekoration, die nicht nur gefällig ist, sondern durchaus auch Bilder von außen mit hereinbringt, seien es die Ornamente, die von anderen Kulturen beeinflusst sind, oder die große weite Welt in Form dieser Handelsschiffe oder auch exotischer Tiere."
In der Ausstellung im Couven-Museum, deren Vitrinen in die Dauerpräsentation der Interieurs aus dem 16. bis 18. Jahrhundert integriert sind, kann man in vielen Seitenblicken entdecken, in welchem Umfeld die Fliesen damals standen, mit welchen anderen Kunst- und Gebrauchsgegenständen sie korrespondierten, so dass ein lebendiges Bild der Zeit entsteht.
Und ein bisschen kann man sich verlieben in die "Welt im Quadrat". Und verstehen, dass Fliesen zurzeit Konjunktur haben auf dem Kunstmarkt. Als Sammelobjekte werden sie gerade so richtig entdeckt, denn noch sind sie erschwinglich.
Für rare Stücke ist die Preisskala natürlich nach oben unbegrenzt, aber auch mit zehn Euro kann man schon ein Schnäppchen machen auf Antikmärkten, meint Belinda Petri – und sich vielleicht anstecken lassen von der Begeisterung der beiden Sammler, deren Schätze jetzt im Couven-Museum zu sehen sind:
" Es ist wie jedes Sammelthema unglaublich ansteckend. Ich hab mich auch schon dabei ertappt, dass ich mir zwei gekauft hab auf dem Flohmarkt. Es ist so ein nettes Format – man fängt solche Sammlungen an, weil man der Schönheit der Gestaltung erliegt und denkt: Ach ja, zwei, drei Fliesen werd ich schon noch untergebracht bekommen, und wie die beiden Sammler jetzt zeigen, können irgendwann 500 daraus werden oder bei anderen Leuten noch viel mehr."
Ausschlaggebend ist sicher die Faszination, dass jedes alte Stück ein Unikat ist, von Hand geformt mit einem Model für die Tonfliese, von Hand bemalt mit einem Pinsel, der so dünn war, dass man die einzelnen Borsten zählen kann – auch wie Fliesen gefertigt wurden, kann man in der Aachener Ausstellung sehen.
Petri: " Es ist nie eine gleich der anderen - sicher gibt es die Tulpe in 1000-facher Ausfertigung, aber letztlich ist jede anders, und ich glaube, wenn man da einmal in Berührung gekommen ist, dann kann man sich diesem Sammelvirus kaum widersetzen."
Service:
"13 x 13 – Die Welt im Quadrat" - Niederländische Fliesen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert ist im Couven-Museum in Aachen vom 4. Dezember 2005 bis 12. April 2006 zu sehen.