Das Kind im Mann

Von Kirstin Hendinger |
Als Gerd Kaden selbst Kind war, gab es keine Spielsachen. Er spielte mit Steinen und Ästen, eben dem, was der erzgebirgische Wald hergab. Heute bringt er den Wald in die Kinderzimmer: Der Holzgestalter entwarf einen "Grünen Baum", für den er den Sächsischen Staatspreis für Design erhielt.
Das Kinderlied "Hänschen klein" lässt sich prima auf einer Klangkugelbahn spielen. Die sieht aus wie eine Holztreppe. In die Mitte jeder Stufe ist ein Aluminiumstab locker eingelassen. Über diese Stäbe lässt Gerd Kaden bunte handgroße Kugeln rollen. In der richtigen Reihenfolge bespielt, entlocken sie den Stäben die Melodie. Gerd Kaden ist kein Musiker. Aber als Spielzeugmacher hat er so lange getüftelt, bis aus den acht Metallstäben die C-Dur-Tonleiter erklang.

"Ich hab mir zwar die Formel verschafft, wo man das errechnen kann aus einer Aluminiumstange, wie lang man abschneiden muss, dass der und der Ton rauskommt. Das war aber dann so 'ne komplizierte Sache, da hab ich, einfach nach Gehör, mir 'ne Stange genommen, abgeschnitten und mit dem Klavier verglichen, bis ich den Grundton hatte und danach hat jeder Ton eine Zentimeterangabe, die ich abschneiden muss."

Der 60-Jährige kreiert mit Leib und Seele Spielsachen aus Holz. Da sind die Bauklötze ohne rechten Winkel, aus denen sich ein Kegelturm bauen lässt. Kinder können lustige Holzfiguren mittels Gummischnüren beliebig zusammensetzen. Am liebsten aber sind Gerd Kaden Kugelbahnen in allen Variationen. Denn die Kugel ist sein Spielfavorit. Sie wirbelt um Kurven, mäandert durch Terrassenlandschaften, auf denen Häuser und Bäume stehen, setzt ihren rollenden Weg über Rennstrecken und Klangstäbe fort, landet in Tellern und Löchern.

"Die Kugel ist so ein universelles Element, die mich schon immer in meiner ganzen Schaffenszeit fasziniert hat. Es geht sozusagen von der Erbse los bis zur Weltkugel … und ob das die Seifenblase ist oder die Holzkugel, die in der Hand liegt, die rollt ... Das Rollen ist für mich ja sozusagen der Mittelpunkt des Experimentierens."

Kadens Holzspielsachen sind frei von Klischees und Kitsch. Sie leben von einem natürlich bunten, nicht schrillen Design, scheinen einfach und sind doch knifflig in ihrer Bauweise. Die Körper aus Holz duften würzig, fühlen sich weich an und sind robust genug für Kinderhände. Hinter ihrer Konzeption steckt ein quicklebendiger Geist. Lediglich der weiße Vollbart um den verschmitzten Mund signalisiert Alter und Gemütlichkeit, ansonsten scheinen die kreativen Gedanken im Kopf von Gerd Kaden Samba zu tanzen.

"Im Prinzip bin ich ja als Gestalter das Kind im Manne, das ist ja 'ne klassische Lebensweisheit und die macht das Entstehen der Sachen interessant und fast alle unsere Spielzeuge sind fürs Kind geeignet, aber genau so haben wir Einsatzgebiete in der Ergotherapie oder im Seniorenbereich, wo das grobe Zufassen eine Rolle mit spielt, also das ist die Spannbreite, von der Feinmotorik bis zur Grobmotorik."

Als Gerd Kaden selbst Kind war, gab es keine Spielsachen. Er spielte mit Steinen und Ästen, eben dem, was der erzgebirgische Wald hergab. Dort mittendrin arbeitete sein Vater in einer Holzfabrik.

"Ich bin schon als Kind, wenn die Arbeiterschaft nach Hause gegangen ist, in die Werkstatt und hab' versucht, dies und jenes zusammenzunageln und hab' das Drechseln schon vor der Berufsausbildung beherrscht. Das war eigentlich so ein nahtloser Übergang, Kindheit und Beruf, das ging dann schön aufbauend weiter."

Gerd Kaden studierte Holzgestaltung an der Fakultät für angewandte Kunst im sächsischen Schneeberg, wo er heute selbst Professor für Holzgestaltung und Dekan ist.

"Es ist Herausforderung, weil ich die Kreativität bei den Studenten entlocken muss, steuern muss und natürlich auch wie im Wettbewerb mit meinen eigenen Studenten steh, die ja auch ihre Dinge, ihre schöpferischen Leistungen kreieren und mit meinen eigenen Arbeiten messen, es ist ganz spannend eigentlich."

Nach dem eigenen Studium wurde der Holzgestalter in den Verband Bildender Künstler der DDR aufgenommen. Nur so konnte er freiberuflich arbeiten. Als die ersten Aufträge kamen, diente ihm seine Garage als Werkstatt. Das Auto fuhr er raus, in die Ecke kam eine noch mit Riemen angetriebene Drechselbank. Heute betreibt Gerd Kaden gemeinsam mit Sohn Matthias eine Werkstatt. Als Handwerkerprofi baut Matthias Kaden die Spielsachen, die sein Vater zuvor entworfen hat. Angetrieben von kindlicher Neugierde und vielen Ideen tüftelt der Spielzeugmacher auch oft am Wochenende an der Werkbank.

"Ach, ich kann auch abschalten, aber natürlich verfolgt es einen dann bis ins Bett und da kommt diese und jene Idee wieder und nun ist ja das unsere Werksatt und Wohnung so eine Einheit und so dicht beieinander, dass man da auch Dinge, die einem spät abends noch einfallen, eben doch noch mal schnell probieren kann."

Sein jetziger Spielzeug-Favorit ist der Grüne Baum. Dafür stecken in einer schrägen Kiste hell- und dunkelgrüne Bauklötze. Das sind kleine Zylinder, deren Enden wie eine Salami im 15-Grad-Winkel angeschnitten sind. Einige dieser Zylinder sind verleimt und ähneln Astgabelungen. Alle Teile sollen zu einem möglichst hohen Baum aufeinander gesetzt werden. Aus Bauklötzen in Quaderform einen Turm bauen - das mag einfach sein. Doch dieser grüne Baum hat es in sich. Als der Designer vor kurzem seine Erfindungen im Seiffener Spielzeugmuseum ausstellte, war der Baum die Attraktion. Zahlreiche Gäste versuchten die schrägen Zylinder höher und höher zu stapeln. Der Rekord lag am Ende bei 1,90 Meter.

"Und das ist halt gerade der Witz, das Simple, dass man mit einfachen Grundelementen immer auf der Höhe der Zeit sein kann. Da kommt dann der technologische Fortschritt dazu und dann der Zeitgeist fließt auch automatisch ein und dann immer wieder das Individuelle. Das merk ich ja bei meinen Studenten. Die haben die gleiche Aufgabe und jeder ist so individuell, es entsteht immer Neues, Anderes."