Das Kandidatenduell - historisch betrachtet

"Ein reines Männerding"

06:14 Minuten
Eine Duellszene mit zwei Duellierenden und ihren Sekundanten um 1905.
Es gibt Parallelen zwischen dem historischen Duell und heutigen Machtkämpfen in der Politik. © picture-alliance / Mary Evans Picture Library
Winfried Speitkamp im Gespräch mit Stephan Karkowsky  · 13.04.2021
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Im Machtkampf zwischen CDU-Chef Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder um die Kanzlerkandidatur sieht der Historiker Winfried Speitkamp Parallelen zu früher: Immer wieder in der Geschichte duellierten Männer sich - meist ging es um die Ehre.
Historisch gesehen habe der Machtkampf zwischen dem CDU-Parteivorsitzenden Achim Laschet und CSU-Chef Markus Söder auf den ersten Blick mit dem Duell des 19. Jahrhunderts nichts zu tun, sagt der Kulturhistoriker Winfried Speitkamp. "Da ging es am Anfang um eine Beleidigung oder schlimmstenfalls um einen Ehebruch, und da will man die Ehre wieder herstellen."

Kein geregeltes Verfahren

Aber es gebe eben doch Parallelen. "Interessant ist, dass es kein geregeltes Verfahren gibt und man in der CDU/CSU sagt, das sollen die beiden Männer mal unter sich regeln und mit einer gemeinsamen Lösung kommen." Damit sei das Duell unvermeidlich ins Gleis gesetzt.

Den Regeln, dem Rechtsstaat, dem Gewaltmonopol und damit der Moderne habe man früher mit dem Duell entkommen wollen, sagt Speitkamp. Im 19. Jahrhundert habe man eben nicht vor Gericht gehen wollen, sondern gesagt: "Männer regeln das für sich allein, um ihre Ehre wieder herzustellen."

Historisch gesehen sei klar: "Das war ein reines Männerding." Einige Frauen aus der Frauenbewegung des 19. Jahrhundert hätten bedauert, dass sie sich bei einer Beleidigung nicht selbst wehren konnten, so Speitkamp. "Da mussten die Männer sich für sie duellieren."

"Beide haben noch dieses Ehrproblem"

Mit Blick auf das aktuelle Duell habe er am Montag noch gedacht, Söder komme da halbwegs aufrechten Hauptes wieder heraus. "Jetzt hat er sich aber so weit vorgewagt, dass es schwierig ist, dass sie da beide ohne Gesichtsverlust wieder rauskommen."
Die Entscheidung sei immer noch offen und deshalb bleibe es weiter ein Duell, sagt der Historiker. "Beide haben noch dieses Ehrproblem." Sollte sich die Bundestagsfraktion für Söder entscheiden, sei Laschet dauerhaft beschädigt und das nütze dem gemeinsamen Wahlkampf nicht.
Im klassischen Duell seien die Sekundanten dafür da gewesen, dass das Duell ordentlich abläuft. Sie sollten belegen, dass es den Kampf gegeben habe und er ehrenhaft geführt wurde. "In den meisten Fällen ging er gar nicht tödlich aus", so der Kulturhistoriker. Es wurde auch daneben geschossen und es gab gute Chancen, da lebend rauszukommen. "Trotzdem es war nicht ohne Risiko."

Schwieriger Rückzug

Historisch gesehen, habe Söder schon jetzt keine Chance mehr, sich ehrenhaft zurückzuziehen, so Speitkamp. Wenn man sich zu früheren Zeiten herauswinden wollte, konnte man behaupten, der Gegner sei nicht satisfaktionsfähig. Ganz nach dem Motto: "Ich bin adelig und der Kontrahent ist nur ein Bauer, mit dem will ich mich nicht duellieren – der kriegt eine Ohrfeige, mehr nicht." Oder jemand sei nicht satisfaktionsfähig gewesen, weil er angeblich "geisteskrank" gewesen sei.
Beides sei für Söder im Duell mit Laschet ausgeschlossen. "So kommt er nicht heraus." Der CSU-Chef könne nur sagen, er habe sich intensiv mit seiner Familie und seinen bayerischen Freunden beraten, dass er sich in der Pandemie um München kümmern müsse, lautet ein Ratschlag des Kulturhistorikers. "Andere Chancen sehe ich nicht." Eine Lösung wäre auch, dass die beiden Politiker einen Dritten fänden.
(gem)

Winfried Speitkamp: "Ohrfeige, Duell und Ehrenmord. Eine Geschichte der Ehre"
Reclam Verlag 2010
350 Seiten, 24,95 Euro

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