Das Jüngste Gericht für den Killer mit der Krone
Kein Buckel, kein Hinken, kein Monster – eher schon erinnert Michael Maertens, Star-Gast der neuen Züricher Inszenierung von Shakespeares schwärzestem Königsdrama "Richard III.", an den deutschen Wilhelm Zwo, der etwas ungelenk die verkrüppelte Hand zu verstecken versuchte.
Und dieser Züricher Richard bewegt sich zudem eher ungeschickt wie ein leicht desorientiertes Kind. Durchschnittsklamotten und ausnehmend hässliches Profil per Perücke und Schminke machen diesen Massenmörder zum armen Würstchen von Du und Sie und Ich, schlecht behandelt vom Leben an sich und deshalb fest entschlossen zur Bosheit. Um die durchzuhalten, drückt er sich ab und zu die Musikkopfhörer mit schöner Musik drin aufs Haupt, die auf Penelope Wehrlis pastellgrüner Vorderbühne, ansonsten leer bis auf ein paar unsortierte Bürostühle, die Wände zieren. Wendet sich die Geschichte ins Gruselige, also schon beim ersten Leichenzug, setzt sich dieser Richard wie wir in Positur und schaut zu. Danach beginnt das Würstchen zu handeln.
Barbara Frey, Hausherrin am Züricher Schauspielhaus, hat für diese Inszenierung eine Theorie ausgemacht, die noch vergleichsweise neu ist, dafür aber ganz gut zur offensiv feministischen Politik dieses Theaters passt – die Augsburger Anglistin Christina Wals hat herausgefunden, dass eigentlich nur die immerzu fluchenden Frauen im Stück dem Machtwesen Richard Paroli bieten können: die zunächst direkt vom Leichenzug des eigenen Gatten weg begehrte Lady Anne, die noch herrschende Königin Elisabeth, die von allen betrogene Ex-Königin Margaret und selbst Richards eigene Mutter. Dramaturgisch konzentriert sich die Aufführung markant auf den anhaltenden Furor der Weiber; und auch wenn Julia Kreusch und Silvia Fenz, Ursula Doll und die gewaltige Susanne-Marie Wrage de facto im Ablauf der Handlung nichts ausrichten, so sind sie doch so etwas wie "das jüngste Gericht" für den Killer mit der Krone. Fluchen hilft, auf lange Sicht.
Obwohl die Theorie nicht wirklich zwingend ist, kann die Aufführung sie einigermaßen belegen – dafür nimmt sie in Kauf, dass sie den Rest des Personals, also die Männer, quasi abschafft. Christian Baumbach und Jirka Zett, Ludwig Boettger, Nicolas Rosat und Fritz Fenne sind jeweils mit zwei bis vier kleineren Rollen versorgt; und selbst Akteure mit sehr viel mehr Talent zur Verwandlung wären mit dieser Aufgabe immer mal wieder überlastet. Frey hätte die Jungs gleich in Uniformen stecken können – so verwechselbar sind sie zum einen; und so wenig gelingt es zum anderen, in rasend schnellen Umzügen wechselnde Profile zu erzeugen. Selbst Lukas Holzhausen, als Buckingham als einziger mit nur einer Rolle beschäftigt, wirkt wie angesteckt von dieser Männer-Vernichtung.
So bleibt letztlich fast alles am Virtuosentum des Michael Maertens hängen – und es ist (wie fast immer) ein großes Vergnügen, seinem brillanten Handwerk zuzuhören und zuzusehen. Voller Ironie kann er sogar Buckel und Hinken für ein paar Sekunden herbeizitieren: als Erinnerung an "normale" Richard-Darstellungen. Seine allerdings ist weitaus gefährlicher, das macht die Qualität der Aufführung aus; aber er ist halt der einzige handelnde Mann – das ist ihre Schwäche.
Im letzten, sehr starken Bild, dem berühmten Traum auf dem Schlachtfeld, flüchtet sich das Monster-Würstchen in den letzten in der Reihe der Glasschränke wie aus der Anatomie, die in der Tiefe von Wehrlis Bühne voll toter Geister stehen und auf den letzten warten. Ein Platz war noch frei für ihn: und für den letzten Fluch.
Informationen des Schauspielhauses Zürich zur Inszenierung von "Richard III."
Barbara Frey, Hausherrin am Züricher Schauspielhaus, hat für diese Inszenierung eine Theorie ausgemacht, die noch vergleichsweise neu ist, dafür aber ganz gut zur offensiv feministischen Politik dieses Theaters passt – die Augsburger Anglistin Christina Wals hat herausgefunden, dass eigentlich nur die immerzu fluchenden Frauen im Stück dem Machtwesen Richard Paroli bieten können: die zunächst direkt vom Leichenzug des eigenen Gatten weg begehrte Lady Anne, die noch herrschende Königin Elisabeth, die von allen betrogene Ex-Königin Margaret und selbst Richards eigene Mutter. Dramaturgisch konzentriert sich die Aufführung markant auf den anhaltenden Furor der Weiber; und auch wenn Julia Kreusch und Silvia Fenz, Ursula Doll und die gewaltige Susanne-Marie Wrage de facto im Ablauf der Handlung nichts ausrichten, so sind sie doch so etwas wie "das jüngste Gericht" für den Killer mit der Krone. Fluchen hilft, auf lange Sicht.
Obwohl die Theorie nicht wirklich zwingend ist, kann die Aufführung sie einigermaßen belegen – dafür nimmt sie in Kauf, dass sie den Rest des Personals, also die Männer, quasi abschafft. Christian Baumbach und Jirka Zett, Ludwig Boettger, Nicolas Rosat und Fritz Fenne sind jeweils mit zwei bis vier kleineren Rollen versorgt; und selbst Akteure mit sehr viel mehr Talent zur Verwandlung wären mit dieser Aufgabe immer mal wieder überlastet. Frey hätte die Jungs gleich in Uniformen stecken können – so verwechselbar sind sie zum einen; und so wenig gelingt es zum anderen, in rasend schnellen Umzügen wechselnde Profile zu erzeugen. Selbst Lukas Holzhausen, als Buckingham als einziger mit nur einer Rolle beschäftigt, wirkt wie angesteckt von dieser Männer-Vernichtung.
So bleibt letztlich fast alles am Virtuosentum des Michael Maertens hängen – und es ist (wie fast immer) ein großes Vergnügen, seinem brillanten Handwerk zuzuhören und zuzusehen. Voller Ironie kann er sogar Buckel und Hinken für ein paar Sekunden herbeizitieren: als Erinnerung an "normale" Richard-Darstellungen. Seine allerdings ist weitaus gefährlicher, das macht die Qualität der Aufführung aus; aber er ist halt der einzige handelnde Mann – das ist ihre Schwäche.
Im letzten, sehr starken Bild, dem berühmten Traum auf dem Schlachtfeld, flüchtet sich das Monster-Würstchen in den letzten in der Reihe der Glasschränke wie aus der Anatomie, die in der Tiefe von Wehrlis Bühne voll toter Geister stehen und auf den letzten warten. Ein Platz war noch frei für ihn: und für den letzten Fluch.
Informationen des Schauspielhauses Zürich zur Inszenierung von "Richard III."