"Das ist wirklich ein Riesenschritt voran"
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat den Kompromiss zur Gesundheitsreform verteidigt. Er sei "wirklich ein Riesenschritt" voran, sagte die SPD-Politikerin. Das sei auch mehr, als die vorherige Regierung von SPD und Grünen habe erreichen können.
Christopher Ricke: Das Bundesgesundheitsministerium hat in diesen Tagen eine sehr schwierige Aufgabe: Der Kompromiss zur Gesundheitsreform muss als Erfolg verkauft werden. Diese Bemühungen werden aber nicht gerade dadurch unterstützt, wenn die Krankenkassen vorrechnen, dass die erwartete Beitragserhöhung gar nicht ausreichen wird, wenn es heißt, dass die Zuschüsse aus dem Steuersäckel auch nicht reichen und dass sich in ein paar Jahren eine neue Milliardenlücke auftun wird. Dann grummelt es noch. Zum Beispiel in der SPD-Fraktion, da ist man mit dem Ergebnis des Kompromisses nicht überall gleichermaßen zufrieden. Viele sagen: Hier fehlt die sozialdemokratische Handschrift. Das alles macht die Sache sehr schwierig, auch für die Bundesgesundheitsministerin von der SPD. Guten Morgen, Ulla Schmidt.
Ulla Schmidt: Ja guten Morgen, Herr Ricke.
Ricke: Was schmerzt denn mehr: der Unmut in der Fraktion oder die neuen Löcher, die sich da schon wieder auftun?
Schmidt: Also erstens sind keine neuen Löcher zu sehen, sondern es ist wahr, dass wir in dieser Legislaturperiode eine schwierige finanzielle Situation haben, auch vor allen Dingen im kommenden Jahr. Deshalb sagt die Regierung ja auch klar, dass bei den Eckpunkten sich eine Finanzierungslücke ergeben kann, die im Schnitt zu 0,5 Prozent Beitragssatzanhebungen der Kassen führen könnten - was aber nicht gottgegeben ist, denn die Kassen könnten auch die Initiativen und die Instrumente ergreifen, die zu mehr Kostenmanagement auch führen und auch zu Einsparungen führen.
Ricke: Jetzt sagt Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber von der CSU, die Gesundheitsreform sei eine Übergangslösung. Aber vielleicht ist Huber da gar nicht mutig, sondern nur logisch, denn die Gegensätze bei den Positionen von Union und SPD, die sind so groß und angesichts der Tatsache, dass man nicht in zwei Richtungen fahren kann, muss man doch eigentlich warten, bis sich ein politisches Lager durchsetzt. Frau Schmidt, sind Sie so mutig und so logisch wie Huber?
Schmidt: Ja, aber ich weiß nicht, ob der Herr Huber so ein Gesundheitsexperte ist, dass er das immer so auch sehen kann. Ich muss einmal dazu sagen, da wird ja viel darüber geredet und gesprochen. Das, was wir hier auf der Frage der Veränderungen der Strukturen, dass das Geld, jeder Euro im System, eben effektiver und effizienter eingesetzt wird, erreichen, das ist mehr als jemals eine Regierung vorher an Strukturreformen erreichen konnten - und auch mehr als wir in der vorigen Regierung mit SPD und Grünen erreichen konnten, weil wir den Bundesrat dazu brauchten, der zustimmt. Und das ist wirklich ein Riesenschritt voran und jeder Kenner des Gesundheitswesens sagt dies ja auch - nur darüber wird nicht geredet. Das Zweite ist: Bei der Finanzierungsreform haben wir einen Einstieg geschaffen, dass wir sagen: Wir wollen die dritte Säule, eine Steuerfinanzierung, mit aufbauen. Und das ist in dieser Legislaturperiode, sind das insgesamt nur viereinhalb Milliarden Euro, aber das ist viel Geld, um das aus dem laufenden Haushalt zu finanzieren. Aber beschlossen ist, dass insgesamt mindestens 14 Milliarden Euro in das Gesundheitssystem fließen, um damit die bisherige beitragsfreie Mitversicherung von Kindern auch über Steuern ausgleichen zu sollen. Dass es nicht allein von den gesetzlich Versicherten gezahlt wird, sondern alle Bürger und Bürgerinnen dieses Landes sich über Steuern daran beteiligen. Und dann ist das viel Geld. 14 Milliarden sind zehn Prozent dessen, was die gesetzliche Krankenversicherung heute ausgibt.
Ricke: Beschlossen ist aber auch etwas ganz Merkwürdiges: Der Fonds, in den auch die Privatversicherten einmal einzahlen sollten, jetzt sollen sie es in Zukunft nicht tun, aber der Fonds steht im Raum. Ist man denn mutig genug, sich von ihm irgendwann mal zu verabschieden?
Schmidt: Warum denn? Der Fonds ist doch eine ganz neue Form auch das, was heute in sehr vielen bürokratischen Abrechnungen, nämlich bei 251 gesetzlichen Kassen, die alle das Gleiche eigentlich an Leistungen bieten, die heute alle einzelne und unterschiedliche Beitragssätze fordern, die dann aber diesen ausgleichen in verschiedener Form und auch noch die Risiken ausgleichen, dass wir über diesen Fonds eine sehr klare, transparente Abrechnungsbasis auch hinbekommen und dass dieser Fonds auch geeignet ist, dass die 14 Milliarden Steuergelder auch in den Fonds fließen können. Einnahmen werden ausgeglichen, jede Kasse erhält für ihre Versicherte das, was auch an durchschnittlichen Kosten notwendig ist, um ältere Menschen oder jüngere Menschen, um chronisch Kranke oder nicht chronisch Kranke auch finanzieren zu können. Und danach können die Kassen dann wirklich in einen fairen Wettbewerb um gute Versorgungsangebote gehen. Und dieser Fonds ist selbstverständlich ausbaufähig. Aber er ist ein gutes Angebot gegenüber dem, was heute ist - erleichtert für Arbeitgeber und Versicherte auch die bürokratischen Aufwendungen, weil Arbeitgeber eben sehr genau wissen: einheitliche Beiträge; auch für die Versicherten einheitliche Beiträge. Und insofern ist das ein Schritt nach vorne.
Ricke: Es ist aber nur ein Schritt. Es ist noch nicht die grundsätzliche Reform. Und man hat so ein bisschen - oder ich habe zumindest ein bisschen - den Eindruck, dass es sowohl bei Rot als auch bei Schwarz einige gibt, die so ein bisschen nach 2009 schielen, ans Ende der Legislaturperiode, um dann mit anderen Mehrheiten, eine andere Gesundheitsreform zu machen. Vielleicht ...
Schmidt: Ja vielleicht, weil es sich verändert. Sehen Sie einmal, die Gesundheitsreform, das ist eben als andere. Gesetzgebung ist immer eine gemeinsame Sache von Bund und Ländern. Ich kann jetzt sagen, ich hätte auch gerne 50 Prozent der Stimmen gehabt auf der Bundesebene und ich hätte gerne, dass die Mehrheit der Bundesländer auch allein SPD-regiert sind. Dann hätten wir andere Mehrheiten, um auch - vielleicht - 100 Prozent das durchzusetzen, was wir wollen. Aber selbst das würde schwierig, weil erfahrungsgemäß Länder auch in ihren Aufsichtsbereichen, was Krankenhäuser und anderes angeht, andere Interessen haben als der Bund. Man muss immer den Kompromiss nehmen. Aber das, was wir jetzt haben, das haben die Wähler und Wählerinnen so gewählt, und die großen Parteien müssen sich hier zusammenfinden. Aber sie müssen es immer. Und deshalb ist das, was wir hier anlegen, ein Schritt, der weiterentwicklungsfähig ist und auch ausgebaut werden kann auf der Finanzierungsseite, weil man schon entscheiden kann, ob man mehr Steuergelder oder ob man eine stärkere Einbeziehung der Privaten auf Dauer dort will. Aber wir legen grundlegende Reformen an im Bereich der Strukturen, im Bereich des Wettbewerbs bei den privaten Krankenkassen, der erst mal eingeführt wird, aber vor allen Dingen im Hinblick darauf, dass kranke Menschen in diesem Land gut versorgt werden. Und dass wir dafür sorgen, dass mit dem Geld der Versicherten wirklich verantwortungsvoll umgegangen wird.
Ulla Schmidt: Ja guten Morgen, Herr Ricke.
Ricke: Was schmerzt denn mehr: der Unmut in der Fraktion oder die neuen Löcher, die sich da schon wieder auftun?
Schmidt: Also erstens sind keine neuen Löcher zu sehen, sondern es ist wahr, dass wir in dieser Legislaturperiode eine schwierige finanzielle Situation haben, auch vor allen Dingen im kommenden Jahr. Deshalb sagt die Regierung ja auch klar, dass bei den Eckpunkten sich eine Finanzierungslücke ergeben kann, die im Schnitt zu 0,5 Prozent Beitragssatzanhebungen der Kassen führen könnten - was aber nicht gottgegeben ist, denn die Kassen könnten auch die Initiativen und die Instrumente ergreifen, die zu mehr Kostenmanagement auch führen und auch zu Einsparungen führen.
Ricke: Jetzt sagt Bayerns Wirtschaftsminister Erwin Huber von der CSU, die Gesundheitsreform sei eine Übergangslösung. Aber vielleicht ist Huber da gar nicht mutig, sondern nur logisch, denn die Gegensätze bei den Positionen von Union und SPD, die sind so groß und angesichts der Tatsache, dass man nicht in zwei Richtungen fahren kann, muss man doch eigentlich warten, bis sich ein politisches Lager durchsetzt. Frau Schmidt, sind Sie so mutig und so logisch wie Huber?
Schmidt: Ja, aber ich weiß nicht, ob der Herr Huber so ein Gesundheitsexperte ist, dass er das immer so auch sehen kann. Ich muss einmal dazu sagen, da wird ja viel darüber geredet und gesprochen. Das, was wir hier auf der Frage der Veränderungen der Strukturen, dass das Geld, jeder Euro im System, eben effektiver und effizienter eingesetzt wird, erreichen, das ist mehr als jemals eine Regierung vorher an Strukturreformen erreichen konnten - und auch mehr als wir in der vorigen Regierung mit SPD und Grünen erreichen konnten, weil wir den Bundesrat dazu brauchten, der zustimmt. Und das ist wirklich ein Riesenschritt voran und jeder Kenner des Gesundheitswesens sagt dies ja auch - nur darüber wird nicht geredet. Das Zweite ist: Bei der Finanzierungsreform haben wir einen Einstieg geschaffen, dass wir sagen: Wir wollen die dritte Säule, eine Steuerfinanzierung, mit aufbauen. Und das ist in dieser Legislaturperiode, sind das insgesamt nur viereinhalb Milliarden Euro, aber das ist viel Geld, um das aus dem laufenden Haushalt zu finanzieren. Aber beschlossen ist, dass insgesamt mindestens 14 Milliarden Euro in das Gesundheitssystem fließen, um damit die bisherige beitragsfreie Mitversicherung von Kindern auch über Steuern ausgleichen zu sollen. Dass es nicht allein von den gesetzlich Versicherten gezahlt wird, sondern alle Bürger und Bürgerinnen dieses Landes sich über Steuern daran beteiligen. Und dann ist das viel Geld. 14 Milliarden sind zehn Prozent dessen, was die gesetzliche Krankenversicherung heute ausgibt.
Ricke: Beschlossen ist aber auch etwas ganz Merkwürdiges: Der Fonds, in den auch die Privatversicherten einmal einzahlen sollten, jetzt sollen sie es in Zukunft nicht tun, aber der Fonds steht im Raum. Ist man denn mutig genug, sich von ihm irgendwann mal zu verabschieden?
Schmidt: Warum denn? Der Fonds ist doch eine ganz neue Form auch das, was heute in sehr vielen bürokratischen Abrechnungen, nämlich bei 251 gesetzlichen Kassen, die alle das Gleiche eigentlich an Leistungen bieten, die heute alle einzelne und unterschiedliche Beitragssätze fordern, die dann aber diesen ausgleichen in verschiedener Form und auch noch die Risiken ausgleichen, dass wir über diesen Fonds eine sehr klare, transparente Abrechnungsbasis auch hinbekommen und dass dieser Fonds auch geeignet ist, dass die 14 Milliarden Steuergelder auch in den Fonds fließen können. Einnahmen werden ausgeglichen, jede Kasse erhält für ihre Versicherte das, was auch an durchschnittlichen Kosten notwendig ist, um ältere Menschen oder jüngere Menschen, um chronisch Kranke oder nicht chronisch Kranke auch finanzieren zu können. Und danach können die Kassen dann wirklich in einen fairen Wettbewerb um gute Versorgungsangebote gehen. Und dieser Fonds ist selbstverständlich ausbaufähig. Aber er ist ein gutes Angebot gegenüber dem, was heute ist - erleichtert für Arbeitgeber und Versicherte auch die bürokratischen Aufwendungen, weil Arbeitgeber eben sehr genau wissen: einheitliche Beiträge; auch für die Versicherten einheitliche Beiträge. Und insofern ist das ein Schritt nach vorne.
Ricke: Es ist aber nur ein Schritt. Es ist noch nicht die grundsätzliche Reform. Und man hat so ein bisschen - oder ich habe zumindest ein bisschen - den Eindruck, dass es sowohl bei Rot als auch bei Schwarz einige gibt, die so ein bisschen nach 2009 schielen, ans Ende der Legislaturperiode, um dann mit anderen Mehrheiten, eine andere Gesundheitsreform zu machen. Vielleicht ...
Schmidt: Ja vielleicht, weil es sich verändert. Sehen Sie einmal, die Gesundheitsreform, das ist eben als andere. Gesetzgebung ist immer eine gemeinsame Sache von Bund und Ländern. Ich kann jetzt sagen, ich hätte auch gerne 50 Prozent der Stimmen gehabt auf der Bundesebene und ich hätte gerne, dass die Mehrheit der Bundesländer auch allein SPD-regiert sind. Dann hätten wir andere Mehrheiten, um auch - vielleicht - 100 Prozent das durchzusetzen, was wir wollen. Aber selbst das würde schwierig, weil erfahrungsgemäß Länder auch in ihren Aufsichtsbereichen, was Krankenhäuser und anderes angeht, andere Interessen haben als der Bund. Man muss immer den Kompromiss nehmen. Aber das, was wir jetzt haben, das haben die Wähler und Wählerinnen so gewählt, und die großen Parteien müssen sich hier zusammenfinden. Aber sie müssen es immer. Und deshalb ist das, was wir hier anlegen, ein Schritt, der weiterentwicklungsfähig ist und auch ausgebaut werden kann auf der Finanzierungsseite, weil man schon entscheiden kann, ob man mehr Steuergelder oder ob man eine stärkere Einbeziehung der Privaten auf Dauer dort will. Aber wir legen grundlegende Reformen an im Bereich der Strukturen, im Bereich des Wettbewerbs bei den privaten Krankenkassen, der erst mal eingeführt wird, aber vor allen Dingen im Hinblick darauf, dass kranke Menschen in diesem Land gut versorgt werden. Und dass wir dafür sorgen, dass mit dem Geld der Versicherten wirklich verantwortungsvoll umgegangen wird.