Das Herz schlägt für die Kunst
Seit dem Mittelalter sind dreiteilige Altar- und Andachtsbilder, sogenannte "Triptychen", von zentraler Bedeutung. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erfährt dieses meist monumentale Bildformat eine erstaunliche Wiederbelebung als profanes Meisterwerk. Mit der großen Sonderausstellung "Drei. Das Triptychon in der Moderne" widmet das Kunstmuseum Stuttgart diesem Bildtypus erstmalig eine umfassende Werkschau.
Gold – alles glänzt und gleißt als wäre es aus purem Gold. Zwei Meter fünfzig breit ist das plastische Altarbild gleich am Anfang der Schau, und trotzdem nichts für fromme Leute. Denn auf der Mitteltafel der drei spitzen Flügel spreizt eine riesige Fledermaus die Schwingen, der Satan in Person. Und neben jeder Menge von Madonnen und Kruzifixen finden sich auch Revolver und Ratten, Knoblauch und Fragmente von Spielzeugpuppen auf das maliziös verkitschte Werk montiert.
1962 hat die Künstlerin Niki de St. Phalle diesen Anti-Altar geschaffen, dessen Botschaft das Böse bannen sollte. Als "Altäre ohne Gott" hat man das Triptychon in der Moderne bezeichnet, und das Beispiel ist symptomatisch für die Art, wie etliche der hier gezeigten Künstler mit dem traditionsbeladenen Bildtypus und seiner Aura umgehen.
Das Tritpychon, meint Museumschefin Marion Ackermann, sei ein Format, das wegen seiner Herkunft und Größe geradezu prädestiniert sei für die großen Themen des Lebens.
"Wir haben beobachtet, dass die Künstler oft durch persönliche Erschütterungen oder historische Ereignisse, nehmen wir mal den Anschlag auf das World Trade Center, dass dadurch eine ganze Reihe von Triptychen bei Künstlern immer ausgelöst worden ist. Aber daneben ist es natürlich auch das abstrakte Triptychon und zum anderen auch ganz besonders das Natur-Triptychon, was eine große Rolle spielt."
Rechts ein Flugzeug, links ein Flugzeug und in der Mitte die Zwillingstürme als schwarze Schatten – so hat der Amerikaner Robert Longo das Drama des 11. September zu einem düsteren Dreiteiler verarbeitet. Seinen Landsmann Bill Viola hat der Tod seiner Mutter zu einer dreigeteilten Video-Projektion inspiriert, die den Geburts- und Sterbeprozess bewegend vor Augen führt und schon zum Inbegriff des zeitgemäßen Triptychons geworden ist, ohne die sakrale Tradition der Gattung zu verleugnen, die nach Rubens und Rembrandt praktisch ausgestorben war.
"250 Jahre lang gab es keine Triptychen mehr, bis dann zum Ende des 19. Jahrhunderts das Format wiederentdeckt wird."
Den Anfang macht die Schau denn auch mit Fritz von Uhde, der 1888 das biblische Personal der Heiligen Nacht auf die Verhältnisse des verarmten Bauernstandes seiner Zeit übertrug – ein soziales Rührstück mit religiösem Touch, das beim Publikum auf ziemliches Entsetzen stieß.
Höhepunkt der Stuttgarter Schau ist zweifellos der zentrale Saal mit dem hauseigenen Großstadt-Triptychon von Otto Dix, ein Spiegel der maroden Gesellschaft zwischen den beiden Weltkriegen, 1927/28 gemalt und flankiert von zwei grandiosen Beckmann-Triptychen – "Die Argonauten" und "Beginning", beide aus den USA geliehen – drei absolute Meisterwerke also in einem Raum, die man gewissermaßen zu einem Riesen-Triptychon von visionärer Wucht arrangiert hat.
Triptychen, das zeigt sich hier, sind autoritäre Einzelgänger. Sie brauchen meist viel Platz für den Betrachter, der sich vor ihnen sammelt und – meint Marion Ackermann, sich von ihnen überwältigen lässt.
"Es gibt wirklich so etwas wie eine Art pathetische Aufladung und eine Intensivierung und durch das meist sehr große Format wird der Betrachter quasi überwältigt und selber in die subordinierte Position gebracht."
Der Augenschein bestätigt diese These nicht in jedem Fall. Gut, es gibt Großmeister wie Sigmar Polke, die mit dem Anspruch genialer Götter ihre Formate in die Räume donnern – 4 x 3 Meter misst jedes seiner drei alchimistisch anmutenden Gemälde, die sich mit Hilfe chemischer Substanzen ständig selber weitermalen. Doch einschüchtern lässt man sich von derlei Gigantismus nicht.
Immerhin 60 Dreiteiler hat man im Museum auf fünf Etagen verteilt, wunderbare Werke von Francis Bacon und Gerhard Richter, engagierte Kommentare von Käthe Kollwitz und Willi Sitte, die von Kriegen und sozialen Katastrophen künden, Malereien zwischen pathetischem Mahnmal und politischem Manifest, aber auch puristische Meditationstafeln als ästhetische Idee.
Und auch Lustiges gibt es zu sehen, zum Beispiel vom amerikanischen Altmeister Richard Artschwager.
"Es ist ein Klappaltar, und Sie können aber wie bei einer Peep-Show hineinblicken, und im Inneren haben Sie eine dieser typischen gezeichneten schwarzweißen Gruppensex-Szenen. Und so spielt er natürlich auch mit dem Aufklappen und Offenbaren auf eine ironische Weise …"
Ganz unten im Keller aber ist kein Platz für Witz und Ironie. Dort geht es um Leben und Tod. Der Stuttgarter Künstler Pablo Wendel hat das Herz eines frisch geschlachteten Schweins im Labor an Infusionsschläuche angeschlossen, die das Organ mit Adrenalin versorgen.
Das arme Schwein ist tot, doch der separierte Muskel pumpt und pocht und reduziert das sinnlos verlängerte Leben auf einen bloßen technischen Reflex. Der Künstler zelebriert das emotional aufgeladene Drama als dreifach gespiegelte Videoprojektion in einer kapellenartigen Dunkelkammer. Das Tier ist tot, sein Herz schlägt für die Kunst – ein bisschen Andacht und Besinnung tut da wohl ganz gut.
Service: "Drei. Das Triptychon in der Moderne" ist im Kunstmuseum Stuttgart bis zum 14. Juni 2009 zu sehen.
1962 hat die Künstlerin Niki de St. Phalle diesen Anti-Altar geschaffen, dessen Botschaft das Böse bannen sollte. Als "Altäre ohne Gott" hat man das Triptychon in der Moderne bezeichnet, und das Beispiel ist symptomatisch für die Art, wie etliche der hier gezeigten Künstler mit dem traditionsbeladenen Bildtypus und seiner Aura umgehen.
Das Tritpychon, meint Museumschefin Marion Ackermann, sei ein Format, das wegen seiner Herkunft und Größe geradezu prädestiniert sei für die großen Themen des Lebens.
"Wir haben beobachtet, dass die Künstler oft durch persönliche Erschütterungen oder historische Ereignisse, nehmen wir mal den Anschlag auf das World Trade Center, dass dadurch eine ganze Reihe von Triptychen bei Künstlern immer ausgelöst worden ist. Aber daneben ist es natürlich auch das abstrakte Triptychon und zum anderen auch ganz besonders das Natur-Triptychon, was eine große Rolle spielt."
Rechts ein Flugzeug, links ein Flugzeug und in der Mitte die Zwillingstürme als schwarze Schatten – so hat der Amerikaner Robert Longo das Drama des 11. September zu einem düsteren Dreiteiler verarbeitet. Seinen Landsmann Bill Viola hat der Tod seiner Mutter zu einer dreigeteilten Video-Projektion inspiriert, die den Geburts- und Sterbeprozess bewegend vor Augen führt und schon zum Inbegriff des zeitgemäßen Triptychons geworden ist, ohne die sakrale Tradition der Gattung zu verleugnen, die nach Rubens und Rembrandt praktisch ausgestorben war.
"250 Jahre lang gab es keine Triptychen mehr, bis dann zum Ende des 19. Jahrhunderts das Format wiederentdeckt wird."
Den Anfang macht die Schau denn auch mit Fritz von Uhde, der 1888 das biblische Personal der Heiligen Nacht auf die Verhältnisse des verarmten Bauernstandes seiner Zeit übertrug – ein soziales Rührstück mit religiösem Touch, das beim Publikum auf ziemliches Entsetzen stieß.
Höhepunkt der Stuttgarter Schau ist zweifellos der zentrale Saal mit dem hauseigenen Großstadt-Triptychon von Otto Dix, ein Spiegel der maroden Gesellschaft zwischen den beiden Weltkriegen, 1927/28 gemalt und flankiert von zwei grandiosen Beckmann-Triptychen – "Die Argonauten" und "Beginning", beide aus den USA geliehen – drei absolute Meisterwerke also in einem Raum, die man gewissermaßen zu einem Riesen-Triptychon von visionärer Wucht arrangiert hat.
Triptychen, das zeigt sich hier, sind autoritäre Einzelgänger. Sie brauchen meist viel Platz für den Betrachter, der sich vor ihnen sammelt und – meint Marion Ackermann, sich von ihnen überwältigen lässt.
"Es gibt wirklich so etwas wie eine Art pathetische Aufladung und eine Intensivierung und durch das meist sehr große Format wird der Betrachter quasi überwältigt und selber in die subordinierte Position gebracht."
Der Augenschein bestätigt diese These nicht in jedem Fall. Gut, es gibt Großmeister wie Sigmar Polke, die mit dem Anspruch genialer Götter ihre Formate in die Räume donnern – 4 x 3 Meter misst jedes seiner drei alchimistisch anmutenden Gemälde, die sich mit Hilfe chemischer Substanzen ständig selber weitermalen. Doch einschüchtern lässt man sich von derlei Gigantismus nicht.
Immerhin 60 Dreiteiler hat man im Museum auf fünf Etagen verteilt, wunderbare Werke von Francis Bacon und Gerhard Richter, engagierte Kommentare von Käthe Kollwitz und Willi Sitte, die von Kriegen und sozialen Katastrophen künden, Malereien zwischen pathetischem Mahnmal und politischem Manifest, aber auch puristische Meditationstafeln als ästhetische Idee.
Und auch Lustiges gibt es zu sehen, zum Beispiel vom amerikanischen Altmeister Richard Artschwager.
"Es ist ein Klappaltar, und Sie können aber wie bei einer Peep-Show hineinblicken, und im Inneren haben Sie eine dieser typischen gezeichneten schwarzweißen Gruppensex-Szenen. Und so spielt er natürlich auch mit dem Aufklappen und Offenbaren auf eine ironische Weise …"
Ganz unten im Keller aber ist kein Platz für Witz und Ironie. Dort geht es um Leben und Tod. Der Stuttgarter Künstler Pablo Wendel hat das Herz eines frisch geschlachteten Schweins im Labor an Infusionsschläuche angeschlossen, die das Organ mit Adrenalin versorgen.
Das arme Schwein ist tot, doch der separierte Muskel pumpt und pocht und reduziert das sinnlos verlängerte Leben auf einen bloßen technischen Reflex. Der Künstler zelebriert das emotional aufgeladene Drama als dreifach gespiegelte Videoprojektion in einer kapellenartigen Dunkelkammer. Das Tier ist tot, sein Herz schlägt für die Kunst – ein bisschen Andacht und Besinnung tut da wohl ganz gut.
Service: "Drei. Das Triptychon in der Moderne" ist im Kunstmuseum Stuttgart bis zum 14. Juni 2009 zu sehen.