"Das Haus auf Korsika"

Von Hannelore Heider · 11.07.2012
Als sie ein kleines Haus auf Korsika erbt, beschließt die junge Christina, ihr ödes Leben im nasskalten Belgien hinter sich zu lassen und gen Süden zu fahren. Als sie in dem Dörfchen ankommt, findet sie eine Ruine vor. Ein unaufgeregter Film von der Suche nach dem Glück.
Die Großmutter ist gestorben und lässt ihre italienischstämmige Sippe in nasskalten Bergarbeiterstädtchen Charleroi allein. Arbeit gibt es in Belgien nicht, weder für den Familienvater noch Tochter Christina (Christelle Cornil), deren Leben zwischen dem Arbeitsamt, ihrer kranken Großmutter und der gemeinsamen Wohnung mit Freund Marco (Jean-Jaques Rausin) pendelt. Groß ist der Ausschlag nicht, doch jetzt hat sie geerbt - das Haus auf Korsika, von dem Großmutter nie erzählt hatte.

Auf der Landkarte findet sie den Ort, so klein wie ein Fliegenschiss und zum entsetzten ihrer Familie fährt sie für ein paar Tage dahin, um ihr Erbteil zu begutachten. Quer durch Europa mit der Bahn, dann mit der Fähre - und dann scheint es nicht weiter zu gehen, denn das Haus liegt 1107 Meter hoch, es ist Vorfrühling und es hat geschneit. Die Männer in der letzten Kneipe vor Ort lachen ob der Zumutung und doch kommt Christina an, in einer Ruine ohne warmes Wasser, ohne Heizung, aber mit grandiosem Blick ins Tal und nur wenigen Minuten ins Dörfchen, das aus gerade mal drei Häusern besteht mit alten Leuten und einem Bürgermeister, der sich im Winter nie dort oben sehen lässt.

Das ist ein Abenteuer, auch wenn der Film bei allem, was noch passieren wird, niemals dieses Wort verwenden würde. Christina ist aus einem öden Leben in die pure, durch keinerlei Zivilisation gebändigte Natur gekommen. Die grandiose Bergwelt, die Jäger, der Schafhirte Pascal (Francois Vincentelli), die alten Frauen mit ihren Geschichten - leicht hätte daraus ein Märchen werden können mit ein bisschen Liebe und einem treuen Freund, dem Hütehund. Aber diese Filmerzählung bleibt beim ruhigen Realismus des Beginns, auch für die grandiose Bergwelt der wildesten Insel Europas gibt es keine Weichzeichner. Mit Christina merken wir, wie diese ganz auf das Wesentliche der Lebensfunktionen konzentrierte Welt von ihr Besitz ergreift, wie sie sich in die Rolle der Großmutter denkt, die einst den Käse von den Almhütten ins Tal brachte.

Bei ihrer Familie gibt es kein Verständnis für ihren Entschluss, dort zu bleiben und ein ganz anderes Leben zu leben, beim Zuschauer schon. Das Risiko ist groß, der Preis für die Bauarbeiten gigantisch und wie der erste Winter auf dem Berg wird, kann sie nicht einmal erahnen. Auch ist für diesen Sommer der Job von Großmutter schon vergeben, eine Andere holt den Käse von Pascal und so fängt Christina an zu bauen, Schindel für Schindel, Stein für Stein. Der Film braucht weder Romantik auszumalen noch große Worte, um uns Zuschauern das Gefühl von Befriedigung, ja von Glück zu geben, und Christelle Cornil ist einfach wunderbar in ihrer praktischen Zielstrebigkeit, sich ihren Lebenswunsch zu erfüllen.

Frankreich / Belgien 2011; Regie: Pierre Duculot; Darsteller: Christelle Cornil, François Vincentelli, Jean-Jacques Rausin, Pierre Nisse; ab 6 Jahren; 82 Minuten

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