Das hätte die CSU gern
Die CSU will bei den Kommunalwahlen in Bayern am 2. März ihre Bürgermeister-Sessel und Landrats-Posten verteidigen und neue hinzugewinnen. Die CSU strebt die Eroberung der Rathausmehrheiten in München, Nürnberg und Augsburg an. Ein gutes Ergebnis im März soll auch Rückenwind für die Landtagswahl am 28. September bringen.
"CSU-Erfolge sind gemeinsame Erfolge" steht auf dem neuen Wahlkampfplakat. Darauf sind unter dem Motto "Gemeinsam für Bayern" Ministerpräsident Günther Beckstein und Parteichef Erwin Huber zu sehen. Die gute Verwurzelung der CSU in allen Regionen Bayerns soll der Partei die nötigen Erfolge bringen. Auch ist sie davon überzeugt, dass keine andere Partei näher an den Problemen der Menschen ist und sie für eine Vernetzung von Kommunal-, Landes-, Bundes- und Europapolitik steht.
"Dann muss ich Ihnen auch mal die Hand geben. Auch wenn ich von Köln bin."
"Eine Kölnerin!"
"Mein Vater kam aus Düsseldorf. Ich bin bei meiner Tante hier zu Besuch."
"Aha. Und wie gefällt es Ihnen? Mit Köln können wir schon mithalten, oder?"
"Ich muss ehrlich sagen, ich fühle mich in München sehr wohl."
"Na, wunderbar. Richtig gut. Das freut mich zu hören ... "
Ein sonniger, aber bitter kalter Vormittag. Irgendwo in Schwabing. Der Mann, Brillenträger mit dunklem Schnauzbart wird überall erkannt: Oberbürgermeister Christian Ude. Die rote Berühmtheit im schwarzen Freistaat. In Punkto Beliebtheit schlägt der 60-Jährige selbst den bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein um Längen.
"Schön, dass man Sie nicht mal bloß im Fernsehen sieht, sondern persönlich."
"Genau. Dann bitte nicht die Wahl vergessen. 2. März."
"Nein, nein, nichts wird vergessen."
Gelächter.
"Haben Sie schon dies wahnsinnig-praktische Geschenk, das die SPD verteilt, gesehen?"
"Ach, das sind Wärmekissen."
"Ja und das ist phantastisch ... "
Straßenwahlkampf, wenige Tage vor der Kommunalwahl. Nötig hätte er es nicht, in der Kälte zu frieren. Im 15. Jahr steht Christian Ude an der Spitze der Landeshauptstadt. Ändern wird sich daran nichts! In München gehört es zum guten Ton, ihn als brillant, großartig und witzig zu bezeichnen, als einen Glückfall eben. Es heißt, Ude kann morgens ein Kloster und abends ein Bordell eröffnen: egal, er hält immer die beste Rede. Der Präsident des Deutschen Stadttags ist zuhause unangefochtener Sonnenkönig.
Christian Ude: "Natürlich sind das maßlose Übertreibungen. Sonnenkönig halte ich für eine satirische Überzeichnung. Womit ich gerade noch leben kann, ist Bürgerkönig."
Zwei Mal schon wurde der Sozialdemokrat im Amt bestätigt - jeweils mit weit über 60 Prozent der Stimmen. Wahlergebnisse also, wie man sie aus Bayern sonst nur von der CSU kennt. Die dominiert mit satter Zwei-Drittel-Mehrheit den Freistaat. Ihre Wähler aber sitzen draußen auf dem flachen Land. In den bayerischen Großstädten herrscht immer schon ein liberaleres Klima.
"Ich mag ihn.
Der Ude ist ok.
Er tut uns gut und er ist toll.
Er ist sehr menschlich.
Er hilft, dass München schön und lebenswert ist.
Er kommt wahnsinnig sympathisch rüber und das ist für mich ein großer Pluspunkt.
Er verkauft sich gut, mit einfachen Worten.
Meine Stimme hat er sicher.
München muss unbedingt rot bleiben, das mache ich daran fest, dass Ude dafür sorgt, dass München jung bleibt. Und es ist keine Alternative von der CSU da."
Josef Schmid: "Josef Schmid mein Name. Ich bewerbe mich um das Amt des Oberbürgermeisters. Und würde mich freuen, wenn ich Ihr Vertrauen gewinnen könnte."
Der Herausforderer von der CSU ist jung. 38 Jahre alt. Josef Schmid sein Name. In der Partei liebevoll Seppi genannt. Ein Jurist. Fraktionschef im Stadtrat. Gegen Christian Ude aber chancenlos. Doch darum allein geht es nicht. Die Münchner CSU hat turbulente Zeiten hinter sich: Interne Machtkämpfe, Stimmenkauf, Bespitzelung - als Monika Hohlmeier, die Tochter von Franz Josef Strauß, sie noch führte. Seit ihrem Rücktritt herrscht in der Partei wieder Geschlossenheit. Der bodenständige OB-Kandidat mit Bilderbuchfamilie soll diese Harmonie nach außen signalisieren.
Josef Schmid: "Wir haben mit schlimmen Dingen aus der Vergangenheit, nämlich eigenen Streitereien, Skandalen und Affären aufgehört und aufgeräumt. Und deshalb sagen wir ganz klar, wir haben ein Ziel: im Stadtrat die Mehrheit zu erreichen, so dass ohne uns und gegen uns nicht regiert werden kann und wir werden das Ziel notfalls nachhaltig und längerfristig verfolgen."
Nicht jetzt, aber 2014 rechnet sich die CSU Chancen auf den OB-Posten aus - dann nämlich darf Christian Ude aus Altersgründen nicht mehr kandidieren. Dieses Mal wäre es bereits eine Sensation, sollte ihr es gelingen, Rot-Grün zu stürzen; das Bündnis aus SPD und Grünen, das seit mittlerweile 18 Jahren im Münchner Rathaus regiert.
Dafür greift die CSU tief in die konservative Wahlkampfkiste: Nach den Überfällen in der Münchner U-Bahn klebte sie reißerische Plakate zum Thema Jugendkriminalität. Darauf ein Bild, wie ein Mann brutal auf ein am Boden liegendes Opfer einschlägt. Und der Text: "Keine Nachsicht mit Gewalttätern, damit Sie nicht der Nächste sind". Die Empörung war groß. Franz Maget, der Münchner SPD-Chef, unterstellte ausländerfeindliche Töne.
Franz Maget: "Wenn auf diesem Plakat NPD stehen würde statt CSU, hätte ich mich nicht gewundert. Es hat Grenzen überschritten, die man nicht überschreiten darf. Denn hier wird erstens das Ansehen Münchens geschädigt; es wird so getan, als sei München ein Hort der Kriminalität, dabei ist unsere Stadt Gott sei Dank die sicherste Großstadt in Deutschland. Und zweitens: den Menschen wird Angst gemacht. Eine solche Geschmacklosigkeit muss dringend abgehängt werden."
Das Plakat hing zwei Wochen bis zur Hessen-Wahl. Doch auch Roland Koch konnte bekanntlich mit seiner Hetze gegen junge ausländische Kriminelle nicht punkten. In München ist das Thema besonders heikel, bei der Kommunalwahl treten nämlich zwei rechtsextreme Gruppierungen an, mit stadtbekannten Neonazis auf den Listen. Ihren Einzug ins Rathaus gilt es unbedingt zu verhindern. Anderenfalls würden weltweit negative Schlagzeilen drohen, denn hier begann Adolf Hitler einst seine zweifelhafte politische Karriere. Josef Schmid aber sieht seine CSU zu Unrecht an den Pranger gestellt. Im Gespräch mit einem ausländischen Mitbürger sieht er sich bestätigt.
"Die Kriminalität, das ist so traurig."
"Ja, das ist wichtig, dass wir da hinschauen und nicht immer die Augen zumachen."
"Die haben hier nichts zu suchen in Deutschland, das ist korrekt."
"Das freut mich, dass sie das sagen, denn uns wurde da teilweise vorgeworfen, wir wären ausländerfeindlich."
"Das stimmt überhaupt nicht: Gewalttäter sind Gewalttäter, egal ob es Deutsche sind oder Ausländer sind. Ja, da muss man was tun. Wenn da ein Grieche, Türke oder wer auch immer, da was verübt, gehören die raus. Genau Richtig. Oder in eine geschlossene Anstalt."
Der Wahlkampf in München bietet einige kontroverse Themen: Es wird um den Bau einer Moschee und - nicht weniger emotional - um den Transrapid gezankt. Rot-Grün ist für das muslimische Gotteshaus, die CSU dagegen. Die wiederum kämpft mit der FDP verbissen für die Magnetbahn zum Flughafen; ein mindestens 1,85 Milliarden Euro teures Projekt, das der Oberbürgermeister verhindern will. Selbst auf der Straße wird gestritten.
Christian Ude: "Jetzt machen Sie einen populistischen Wahlkampf gegen den Transrapid."
"Was heißt denn Populismus?"
"Das heißt: Sie geben zu, die Bevölkerung lehnt den ab. Wie hat die Bahn begonnen? Die hat begonnen Nürnberg-Fürth. Und da waren genauso viele Gegner da wie heute bei Ihnen."
"Ach ich bitte Sie. Heute schimpft man gegen den Transrapid und die Bahn hat sich durchgesetzt ..."
Nicht nur beim Transrapid weiß Ude die große Mehrheit seiner Bürger hinter sich. Der rote Regent muss am Sonntag kommender Woche nichts fürchten. Im bayerischen Landtag feierte seine SPD letztes Jahr ihr 50. Oppositions-Jubiläum. In München zieht er seine schwächelende Partei mit. Seit 24 Jahren ist die Stadtspitze in sozialdemokratischer Hand. Unter Christian Ude bleibt es so. Doch was ist, wenn er altersbedingt in spätestens sechs Jahren aufhören muss? Und sich - wie eigentlich schon dieses Jahr geplant - auf der griechischen Insel Mykonos zur Ruhe setzen wird. Ein Kronprinz ist weit und breit noch nicht in Sicht.
"Darf ich Ihnen was mitgeben? Nein? Danke ... "
In Nürnberg will der Wahlkampf einfach nicht in Fahrt kommen. In der zweitgrößten Stadt Bayerns fehlt es an polarisierenden Themen
Neun Kandidaten treten bei der Oberbürgermeisterwahl in der Frankenmetropole an. Doch Hoffnung auf den Sieg können sich nur zwei machen: Ulrich Maly, 47, amtierender OB von der SPD. Und Klemens Gsell, ein Jahr jünger, 3. Bürgermeister von der CSU.
"Der Junge, für die Eltern ein bisschen Information zur Kommunalwahl?"
"Darf ich eines haben?"
Klemens Gsell steht vor einem Supermarkt in der Südstadt. Ein Stadtteil mit hohem Ausländeranteil und hoher Arbeitslosigkeit. Bundesweit in den Schlagzeilen war die Schließung des AEG-Werks vor gut zwei Jahren. Rund 1.700 Mitarbeiter standen damals auf der Straße. Darüber kommt der Herausforderer von der CSU mit einem Bürger ins Gespräch:
Bürger: "Von den kleinen Betrieben, es gibt ja viele kleine Betriebe, erfährt man gar nichts, die sind stillschweigend zugemacht worden."
Gsell: "Wobei wir aber Gott sei Dank in Nürnberg eine ganze Reihe von Firmen haben, die in den letzten Jahren wieder aufgemacht haben, wo dann auch was gegangenen ist."
Bürger: "Aber die hätte man halt ein bisschen unterstützen müssen ..."
Gsell glaubt fest daran, dass er den roten Maly zumindest in die Stichwahl zwingen kann. Die Prognosen allerdings sprechen nicht dafür. Einer aktuellen Umfrage zufolge könnte der OB sogar auf knapp 80 Prozent der Stimmen kommen. Besonders herb für die CSU: Sie droht ihre Stellung als momentan stärkste Kraft im Stadtrat zu verlieren. Die Genossen wissen, wem sie ihre guten Werte zu verdanken haben.
"Es hängt auch an der Person, dass des rüberkommt und mit Maly sind wir felsenfest überzeugt, dass wir eine Mehrheit bekommen. Weil er sehr kompetent wirkt, ohne eine überhebliche Art zu haben, dass er sehr verbindlich auftreten kann und trotzdem sein Fachwissen immer durchscheint."
2002 eroberte Maly als krasser Außenseiter das traditionell rote Rathaus zurück. Ein CSU-Mann an der Spitze der Arbeiterstadt blieb ein kurzes Intermezzo. Trotz seiner 47 wirkt der studierte Volkswirt jugendlich. Und die Charmeoffensive beherrscht er perfekt.
Ulrich Maly: "Also, ich soll a bisschen was erzählen, Neujahrsempfang ist ein kommunikativer Akt, und ich hab sie gestört, ich danke, dass sie sich noch mal hingesetzt haben."
Der Rathauschef kokettiert gern mit seinem Publikum. Im Dialog mit den Menschen möchte er regieren. Mehr als nur flüchtig Hände schütteln; den Leuten wirklich zuhören, lautet sein Rezept eines erfolgreichen Kommunalpolitikers. Und hört man sich in Nürnberg um, hat er Erfolg damit.
Ulrich Maly: "Wir haben versucht, die Sache mit Dialog die letzten sechs Jahre durchzuziehen. Denkt an den Projektbeirat Frankenschnellweg oder viele andere Dinge. Wenn irgendwo Probleme da waren, dass man gesagt hat, man geht hin, man diskutiert mit den Leuten, auch bei schwierigen Fragen."
Das aber ist der CSU zu kommunikativ. In der Stadt werden Entscheidungen viel zu schleppend umgesetzt, kritisiert Herausforderer Gsell. Er will sich als Macher profilieren. Mit markigen Worten nimmt er seinen Gegner aufs Korn.
"Franz Josef Strauß hat auf dem Hauptmarkt gesagt: Everybody's Darling is everybody's Depp. Ich will jetzt nicht sagen, dass irgendwer in dieser Stadt ein Depp ist. Aber: wenn ich nicht bereit bin, auch mal eine Entscheidung durchzuführen, sondern darauf baue, dass möglichst alle in Harmoniesoße mit mir einverstanden sind, werde ich unter dem Strich keine Veränderung herbeiführen."
Nun ist Nürnberg aber nicht irgendeine Stadt im Freistaat. Sondern Heimat eines bayerischen Ministerpräsidenten: Günther Beckstein wohnt im Stadtteil Langwasser. Der CSU-Regierungschef mischt vor Ort im Wahlkampf fleißig mit. Auch wenn der Franke gesteht, dass er sich mit Maly sehr gut versteht:
"Ich bestreite nicht, dass er Nürnberg in würdiger Weise vertritt, er hält lustige, gescheite Reden. Wo ich aber Defizite sehe, ist die Stadt nach vorne zu bringen. Man kann nicht nur moderieren."
Doch ein Christsozialer hat es schwer im roten Nürnberg. Keiner weiß das besser als Beckstein. Vor knapp 21 Jahren kandidierte er für das Amt des Oberbürgermeisters. Und er verlor - in der Stichwahl gegen einen Genossen.
"Ich hab mich damals furchtbar geärgert über die Niederlage. Und heute kann ich sagen, ich bin natürlich froh, dass ich einen anderen Lebensweg nehmen konnte, der mich an die Spitze des Freistaates Bayern gebracht hat. Der ja für meine Heimatstadt Nürnberg eine sehr, sehr große Bedeutung hat. Ich kann ja aus dieser Position für Nürnberg auch wirklich viel tun."
Beckstein wird nicht müde, die Wähler zuhause daran zu erinnern. Aus gutem Grund: Eine zu deutliche Niederlage für seine heimische CSU wäre blamabel. Sind die Kommunalwahlen am 2. März doch auch ein erster Stimmungstest für ihn, den neuen Ministerpräsidenten.
Auch Maly - im Wahlkampfsong namentlich besungen - hat prominente Unterstützung. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier etwa. Maly ist Mitglied im SPD-Bundesvorstand. Mit seiner erfolglosen Landespartei mag er sich weniger identifizieren. In Berlin aber, heißt es, könnte er locker ein Ministeramt schultern. Angebote soll es schon gegeben haben, doch er will aus Nürnberg nicht weg.
Der Wahlkämpfende Genosse verteilt wärmende Schals. Wie clever.
Bürger: "Ich denke, der Schal soll ein bisschen Wärme vermitteln, soll das Miteinander vermitteln. Das heißt, man umgibt sich mit etwas Gutem."
Bürgerin: "Eine originelle Art und Weise, die Nähe zum Bürger zu zeigen."
Eine Aktion mit gutem Grund: Die Linkspartei ist überraschend stark. Einer aktuellen Umfrage nach käme sie mindestens auf vier Prozent. Doch Anlass, aus purem Protest die ungeliebten Linken zu wählen, will Maly den Bürgern nicht geben. Der Sozi besetzt deren Themen lieber selbst. Etwa wenn er gegen den Verkauf kommunalen Eigentums wettert.
"Den Laden zusammenhalten heißt für uns, dass wir nicht den Sirenenklängen erliegen werden, die da heißen: ach, verkauft doch das ganze Zeugs, dann habt ihr eure Schulden weg. Dann steht ihr gut da und es macht doch nichts. Doch es macht was: es macht einen Unterschied, ob man einen eigenen Energieversorger hat oder ob man verkauft. Ob man eine eigene Straßenbahn fährt, weil man dann auch entscheiden kann, wann sie fährt, wie sie fährt und wo sie hinfährt. Ob es einen Nightliner gibt, der unsere Jugendlichen abends abholt, damit sie nicht Auto fahren müssen. Oder ob es den nicht gibt."
Sein CSU-Herausforderer tut sich schwer, gegen den roten Regenten zu punkten. Weil die wirklich kontroversen Themen fehlen, greifen die Wahlkämpfer sogar auf Flocke - das Nürnberger Eisbärbaby - zurück. Was für Klemens Gsell ärgerlich ist, denn eigentlich ist er, der Umweltbürgermeister, für die kleine Flocke zuständig.
"Wer macht Wahlkampf mit dem Eisbär? Wer lässt sich jeden Tag mit Flocke-Nachrichten in der Öffentlichkeit sehen? Wer hat ganz groß vor aller Welt, obwohl er nicht der Fachreferent ist, die Flocke verkündet? Der Oberbürgermeister!"
"Wir verteilen Schwämme. Die sollen für eine saubere Politik stehen und natürlich auch was nützliches sein. Eine saubere Politik heißt, dass sie sachorientiert ist, das immer im Sinne der Sache und der Stadt entschieden wird. Und dass persönliche Dinge hinten angestellt werden und ganz einfach ehrlich miteinander umgegangen wird."
Ein Schwamm für saubere Politik - das Präsent der Regensburger CSU an die Wähler lässt tief blicken. Seit zwölf Jahren regiert Hans Schaidinger die Weltkulturerbestadt. Am 2. März muss der erfolgsverwöhnte Rathauschef eine schallende Ohrfeige fürchten: Denn seiner CSU droht der Machtverlust. Die Quittung für eine innerparteiliche Schlammschlacht.
Hans Schaidinger: "Wir sollten nicht mehr zurückblicken, sondern vorwärts. Der Herr Fürst gehört der Partei nicht mehr an."
Die Regensburger CSU hat ein Chaosjahr hinter sich. Thomas Fürst, ein junger Stadtrat, versuchte gegen Schaidinger und die Seinen zu putschen. Die Junge Union und erzkonservative Kirchenkreise, die in der gottesfürchtigen Bischofsstadt einflussreich sind, wusste Fürst hinter sich. Es gelang ihm, die alte Führungsriege der Partei zu sprengen und seine Leute an die Spitze des CSU-Kreisverbandes zu setzen. Das Schaidinger-Lager wehrte sich mit einem brisanten Dossier über Fürst und dessen Freunde, in dem Zeugen von rechtsradikalen Entgleisungen, üblen rassistischen Beleidigungen und ausländerfeindlichen Parolen berichteten. Petra Betz, Bürgermeisterin der CSU, reagierte schockiert.
"Ich muss ganz ehrlich sagen, dass wir es nicht dulden werden, einen braunen Sumpf in unserer Partei zu haben. Das sind wir Regensburg und den Menschen in unserer Stadt schuldig."
Einer juristischen Überprüfung jedoch hielten die Vorwürfe nicht stand. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen ein; nicht weil es an Beweisen mangelte, sondern wegen Verjährung. Der Machtkampf ging munter weiter, die beiden Lager bekämpften sich bis aufs Blut. Erst als sich der zuständige Oberpfälzer CSU-Bezirksverband endlich durchringen konnte, den Fall vor das parteiinterne Schiedsgericht zu bringen, trat Thomas Fürst aus der CSU aus. Doch der Machtkampf bleibt wohl nicht folgenlos: Die Partei muss um ihre absolute Mehrheit im Rathaus bangen.
Frau: "Ich kann mir vorstellen, dass die Wähler das abstrafen werden. Dass das nicht mehr so eindeutig werden wird wie beim letzten Mal."
Mann: "Da gibt es Parteiverdrossenheit. Da gehe ich einfach nicht zur Wahl."
Mann: "Entscheidend für die Wähler ist, wie sie miteinander umgehen. Und monatelang miteinander umgangenen sind in negativer Hinsicht - das hinterlässt eine Wirkung."
Der politische Gegner wittert Morgenluft. Plötzlich scheint in der oberpfälzischen Stadt alles möglich: Der bisher unangefochtene Platzhirsch angreifbar. Vor sechs Jahren wurde Schaidinger noch mit einem Traumergebnis von über 61 Prozent gekürt. Joachim Wolbergs, Herausforderer der SPD, glaubt an eine Wechselstimmung. Er kreidet dem Oberbürgermeister einen, für CSU-Politiker typischen autokratischen Führungsstil an.
Joachim Wolsberg: "Es ist kein schönes Klima mehr in dieser Stadt. Und das hat auch damit zu tun, wie der Umgang in den letzten Jahren miteinander war. Es ging ja immer nach dem Prinzip des Amtierenden: Ich kenne mich aus, ich weiß alles und zwar wirklich alles, ich weiß es auch besser als der Beckstein, als die Frau Merkel und der UNO-Generalsekretär. Das ist ein politischer Stil, den finde ich so lächerlich und erbärmlich. Und der hat das Geschehen in dieser Stadt geprägt. Und deshalb gibt es so eine Mentalität hier: die Stadt gehört den Herrschenden und da müssen wir ganz schnell wieder raus."
Ob die SPD Profit aus dem CSU-Schlammassel schlagen kann, bleibt jedoch fraglich. Denn ihr Wählerpotential reicht bislang nicht über 26 Prozent hinaus. Und intern zerstritten sind die Sozialdemokraten auch. Wenn einer in Regensburg Chancen hat, ist es eher der OB-Kandidat der Freien Wähler, denn Ludwig Artinger gilt als unbelastet. Und dann gibt es ja noch die Ex-CSUler um Thomas Fürst. Er sorgte für Konkurrenz: Federführend, aber im Hintergrund leistete Fürst Aufbauarbeit für eine neue Wählerliste. Ihr Name CSB - Christlich Soziale Bürger. Die, laut Gründungsmitglied Gero Kollmer, auch für Schaidingers Ablösung kämpfen.
"Es ist sicherlich Zielrichtung dieser Liste, enttäuschte CSU-Wähler, die sich sagen, aus bestimmten Gründen können wir die CSU nicht wählen, an sich zu binden, und die Leute doch zu bewegen, zur Wahl zu gehen."
Politprominenz aus München gibt sich die Klinke in die Hand - Ministerpräsident, Parteichef und Generalsekretärin leisten Wahlkampfhilfe. Die CSU-Spitze ist in Sorge, Regensburg an die Konkurrenz zu verlieren. Was blamabel wäre. CSU-Chef Erwin Huber eilte herbei, um Vergangenes vergessen zu machen, sprach aber vor peinlich leeren Rängen.
Erwin Huber: "Wir werden als CSU insgesamt natürlich der CSU Regensburg intensiv und gut zur Seite stehen. Und haben Vertrauen, dass die Vergangenheit vorbei ist und der Blick gemeinsam nach vorne geht."
Doch dem CSU-Oberbürgermeister schwant Böses. Warum sonst erläutert Schaidinger beim Straßenwahlkampf schon mal die Vorzüge einer Großen Koalition.
"Ich würde mit der SPD verhandeln und würde sagen, wir suchen ein breites, verlässliches Bündnis, wenn wir keine eigene Mehrheit kriegen. Natürlich ist es schwer, deshalb kämpfen wir für eine eigene Mehrheit."
Mann: "Ihr müsst einfach mal Frieden einkehren lassen."
Es könnte aber noch schlimmer kommen: Schaidinger droht die Stichwahl. Und in diesem Fall - so heißt es selbst aus der CSU - ist alles möglich: auch die Abwahl des Oberbürgermeisters.
"Dann muss ich Ihnen auch mal die Hand geben. Auch wenn ich von Köln bin."
"Eine Kölnerin!"
"Mein Vater kam aus Düsseldorf. Ich bin bei meiner Tante hier zu Besuch."
"Aha. Und wie gefällt es Ihnen? Mit Köln können wir schon mithalten, oder?"
"Ich muss ehrlich sagen, ich fühle mich in München sehr wohl."
"Na, wunderbar. Richtig gut. Das freut mich zu hören ... "
Ein sonniger, aber bitter kalter Vormittag. Irgendwo in Schwabing. Der Mann, Brillenträger mit dunklem Schnauzbart wird überall erkannt: Oberbürgermeister Christian Ude. Die rote Berühmtheit im schwarzen Freistaat. In Punkto Beliebtheit schlägt der 60-Jährige selbst den bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein um Längen.
"Schön, dass man Sie nicht mal bloß im Fernsehen sieht, sondern persönlich."
"Genau. Dann bitte nicht die Wahl vergessen. 2. März."
"Nein, nein, nichts wird vergessen."
Gelächter.
"Haben Sie schon dies wahnsinnig-praktische Geschenk, das die SPD verteilt, gesehen?"
"Ach, das sind Wärmekissen."
"Ja und das ist phantastisch ... "
Straßenwahlkampf, wenige Tage vor der Kommunalwahl. Nötig hätte er es nicht, in der Kälte zu frieren. Im 15. Jahr steht Christian Ude an der Spitze der Landeshauptstadt. Ändern wird sich daran nichts! In München gehört es zum guten Ton, ihn als brillant, großartig und witzig zu bezeichnen, als einen Glückfall eben. Es heißt, Ude kann morgens ein Kloster und abends ein Bordell eröffnen: egal, er hält immer die beste Rede. Der Präsident des Deutschen Stadttags ist zuhause unangefochtener Sonnenkönig.
Christian Ude: "Natürlich sind das maßlose Übertreibungen. Sonnenkönig halte ich für eine satirische Überzeichnung. Womit ich gerade noch leben kann, ist Bürgerkönig."
Zwei Mal schon wurde der Sozialdemokrat im Amt bestätigt - jeweils mit weit über 60 Prozent der Stimmen. Wahlergebnisse also, wie man sie aus Bayern sonst nur von der CSU kennt. Die dominiert mit satter Zwei-Drittel-Mehrheit den Freistaat. Ihre Wähler aber sitzen draußen auf dem flachen Land. In den bayerischen Großstädten herrscht immer schon ein liberaleres Klima.
"Ich mag ihn.
Der Ude ist ok.
Er tut uns gut und er ist toll.
Er ist sehr menschlich.
Er hilft, dass München schön und lebenswert ist.
Er kommt wahnsinnig sympathisch rüber und das ist für mich ein großer Pluspunkt.
Er verkauft sich gut, mit einfachen Worten.
Meine Stimme hat er sicher.
München muss unbedingt rot bleiben, das mache ich daran fest, dass Ude dafür sorgt, dass München jung bleibt. Und es ist keine Alternative von der CSU da."
Josef Schmid: "Josef Schmid mein Name. Ich bewerbe mich um das Amt des Oberbürgermeisters. Und würde mich freuen, wenn ich Ihr Vertrauen gewinnen könnte."
Der Herausforderer von der CSU ist jung. 38 Jahre alt. Josef Schmid sein Name. In der Partei liebevoll Seppi genannt. Ein Jurist. Fraktionschef im Stadtrat. Gegen Christian Ude aber chancenlos. Doch darum allein geht es nicht. Die Münchner CSU hat turbulente Zeiten hinter sich: Interne Machtkämpfe, Stimmenkauf, Bespitzelung - als Monika Hohlmeier, die Tochter von Franz Josef Strauß, sie noch führte. Seit ihrem Rücktritt herrscht in der Partei wieder Geschlossenheit. Der bodenständige OB-Kandidat mit Bilderbuchfamilie soll diese Harmonie nach außen signalisieren.
Josef Schmid: "Wir haben mit schlimmen Dingen aus der Vergangenheit, nämlich eigenen Streitereien, Skandalen und Affären aufgehört und aufgeräumt. Und deshalb sagen wir ganz klar, wir haben ein Ziel: im Stadtrat die Mehrheit zu erreichen, so dass ohne uns und gegen uns nicht regiert werden kann und wir werden das Ziel notfalls nachhaltig und längerfristig verfolgen."
Nicht jetzt, aber 2014 rechnet sich die CSU Chancen auf den OB-Posten aus - dann nämlich darf Christian Ude aus Altersgründen nicht mehr kandidieren. Dieses Mal wäre es bereits eine Sensation, sollte ihr es gelingen, Rot-Grün zu stürzen; das Bündnis aus SPD und Grünen, das seit mittlerweile 18 Jahren im Münchner Rathaus regiert.
Dafür greift die CSU tief in die konservative Wahlkampfkiste: Nach den Überfällen in der Münchner U-Bahn klebte sie reißerische Plakate zum Thema Jugendkriminalität. Darauf ein Bild, wie ein Mann brutal auf ein am Boden liegendes Opfer einschlägt. Und der Text: "Keine Nachsicht mit Gewalttätern, damit Sie nicht der Nächste sind". Die Empörung war groß. Franz Maget, der Münchner SPD-Chef, unterstellte ausländerfeindliche Töne.
Franz Maget: "Wenn auf diesem Plakat NPD stehen würde statt CSU, hätte ich mich nicht gewundert. Es hat Grenzen überschritten, die man nicht überschreiten darf. Denn hier wird erstens das Ansehen Münchens geschädigt; es wird so getan, als sei München ein Hort der Kriminalität, dabei ist unsere Stadt Gott sei Dank die sicherste Großstadt in Deutschland. Und zweitens: den Menschen wird Angst gemacht. Eine solche Geschmacklosigkeit muss dringend abgehängt werden."
Das Plakat hing zwei Wochen bis zur Hessen-Wahl. Doch auch Roland Koch konnte bekanntlich mit seiner Hetze gegen junge ausländische Kriminelle nicht punkten. In München ist das Thema besonders heikel, bei der Kommunalwahl treten nämlich zwei rechtsextreme Gruppierungen an, mit stadtbekannten Neonazis auf den Listen. Ihren Einzug ins Rathaus gilt es unbedingt zu verhindern. Anderenfalls würden weltweit negative Schlagzeilen drohen, denn hier begann Adolf Hitler einst seine zweifelhafte politische Karriere. Josef Schmid aber sieht seine CSU zu Unrecht an den Pranger gestellt. Im Gespräch mit einem ausländischen Mitbürger sieht er sich bestätigt.
"Die Kriminalität, das ist so traurig."
"Ja, das ist wichtig, dass wir da hinschauen und nicht immer die Augen zumachen."
"Die haben hier nichts zu suchen in Deutschland, das ist korrekt."
"Das freut mich, dass sie das sagen, denn uns wurde da teilweise vorgeworfen, wir wären ausländerfeindlich."
"Das stimmt überhaupt nicht: Gewalttäter sind Gewalttäter, egal ob es Deutsche sind oder Ausländer sind. Ja, da muss man was tun. Wenn da ein Grieche, Türke oder wer auch immer, da was verübt, gehören die raus. Genau Richtig. Oder in eine geschlossene Anstalt."
Der Wahlkampf in München bietet einige kontroverse Themen: Es wird um den Bau einer Moschee und - nicht weniger emotional - um den Transrapid gezankt. Rot-Grün ist für das muslimische Gotteshaus, die CSU dagegen. Die wiederum kämpft mit der FDP verbissen für die Magnetbahn zum Flughafen; ein mindestens 1,85 Milliarden Euro teures Projekt, das der Oberbürgermeister verhindern will. Selbst auf der Straße wird gestritten.
Christian Ude: "Jetzt machen Sie einen populistischen Wahlkampf gegen den Transrapid."
"Was heißt denn Populismus?"
"Das heißt: Sie geben zu, die Bevölkerung lehnt den ab. Wie hat die Bahn begonnen? Die hat begonnen Nürnberg-Fürth. Und da waren genauso viele Gegner da wie heute bei Ihnen."
"Ach ich bitte Sie. Heute schimpft man gegen den Transrapid und die Bahn hat sich durchgesetzt ..."
Nicht nur beim Transrapid weiß Ude die große Mehrheit seiner Bürger hinter sich. Der rote Regent muss am Sonntag kommender Woche nichts fürchten. Im bayerischen Landtag feierte seine SPD letztes Jahr ihr 50. Oppositions-Jubiläum. In München zieht er seine schwächelende Partei mit. Seit 24 Jahren ist die Stadtspitze in sozialdemokratischer Hand. Unter Christian Ude bleibt es so. Doch was ist, wenn er altersbedingt in spätestens sechs Jahren aufhören muss? Und sich - wie eigentlich schon dieses Jahr geplant - auf der griechischen Insel Mykonos zur Ruhe setzen wird. Ein Kronprinz ist weit und breit noch nicht in Sicht.
"Darf ich Ihnen was mitgeben? Nein? Danke ... "
In Nürnberg will der Wahlkampf einfach nicht in Fahrt kommen. In der zweitgrößten Stadt Bayerns fehlt es an polarisierenden Themen
Neun Kandidaten treten bei der Oberbürgermeisterwahl in der Frankenmetropole an. Doch Hoffnung auf den Sieg können sich nur zwei machen: Ulrich Maly, 47, amtierender OB von der SPD. Und Klemens Gsell, ein Jahr jünger, 3. Bürgermeister von der CSU.
"Der Junge, für die Eltern ein bisschen Information zur Kommunalwahl?"
"Darf ich eines haben?"
Klemens Gsell steht vor einem Supermarkt in der Südstadt. Ein Stadtteil mit hohem Ausländeranteil und hoher Arbeitslosigkeit. Bundesweit in den Schlagzeilen war die Schließung des AEG-Werks vor gut zwei Jahren. Rund 1.700 Mitarbeiter standen damals auf der Straße. Darüber kommt der Herausforderer von der CSU mit einem Bürger ins Gespräch:
Bürger: "Von den kleinen Betrieben, es gibt ja viele kleine Betriebe, erfährt man gar nichts, die sind stillschweigend zugemacht worden."
Gsell: "Wobei wir aber Gott sei Dank in Nürnberg eine ganze Reihe von Firmen haben, die in den letzten Jahren wieder aufgemacht haben, wo dann auch was gegangenen ist."
Bürger: "Aber die hätte man halt ein bisschen unterstützen müssen ..."
Gsell glaubt fest daran, dass er den roten Maly zumindest in die Stichwahl zwingen kann. Die Prognosen allerdings sprechen nicht dafür. Einer aktuellen Umfrage zufolge könnte der OB sogar auf knapp 80 Prozent der Stimmen kommen. Besonders herb für die CSU: Sie droht ihre Stellung als momentan stärkste Kraft im Stadtrat zu verlieren. Die Genossen wissen, wem sie ihre guten Werte zu verdanken haben.
"Es hängt auch an der Person, dass des rüberkommt und mit Maly sind wir felsenfest überzeugt, dass wir eine Mehrheit bekommen. Weil er sehr kompetent wirkt, ohne eine überhebliche Art zu haben, dass er sehr verbindlich auftreten kann und trotzdem sein Fachwissen immer durchscheint."
2002 eroberte Maly als krasser Außenseiter das traditionell rote Rathaus zurück. Ein CSU-Mann an der Spitze der Arbeiterstadt blieb ein kurzes Intermezzo. Trotz seiner 47 wirkt der studierte Volkswirt jugendlich. Und die Charmeoffensive beherrscht er perfekt.
Ulrich Maly: "Also, ich soll a bisschen was erzählen, Neujahrsempfang ist ein kommunikativer Akt, und ich hab sie gestört, ich danke, dass sie sich noch mal hingesetzt haben."
Der Rathauschef kokettiert gern mit seinem Publikum. Im Dialog mit den Menschen möchte er regieren. Mehr als nur flüchtig Hände schütteln; den Leuten wirklich zuhören, lautet sein Rezept eines erfolgreichen Kommunalpolitikers. Und hört man sich in Nürnberg um, hat er Erfolg damit.
Ulrich Maly: "Wir haben versucht, die Sache mit Dialog die letzten sechs Jahre durchzuziehen. Denkt an den Projektbeirat Frankenschnellweg oder viele andere Dinge. Wenn irgendwo Probleme da waren, dass man gesagt hat, man geht hin, man diskutiert mit den Leuten, auch bei schwierigen Fragen."
Das aber ist der CSU zu kommunikativ. In der Stadt werden Entscheidungen viel zu schleppend umgesetzt, kritisiert Herausforderer Gsell. Er will sich als Macher profilieren. Mit markigen Worten nimmt er seinen Gegner aufs Korn.
"Franz Josef Strauß hat auf dem Hauptmarkt gesagt: Everybody's Darling is everybody's Depp. Ich will jetzt nicht sagen, dass irgendwer in dieser Stadt ein Depp ist. Aber: wenn ich nicht bereit bin, auch mal eine Entscheidung durchzuführen, sondern darauf baue, dass möglichst alle in Harmoniesoße mit mir einverstanden sind, werde ich unter dem Strich keine Veränderung herbeiführen."
Nun ist Nürnberg aber nicht irgendeine Stadt im Freistaat. Sondern Heimat eines bayerischen Ministerpräsidenten: Günther Beckstein wohnt im Stadtteil Langwasser. Der CSU-Regierungschef mischt vor Ort im Wahlkampf fleißig mit. Auch wenn der Franke gesteht, dass er sich mit Maly sehr gut versteht:
"Ich bestreite nicht, dass er Nürnberg in würdiger Weise vertritt, er hält lustige, gescheite Reden. Wo ich aber Defizite sehe, ist die Stadt nach vorne zu bringen. Man kann nicht nur moderieren."
Doch ein Christsozialer hat es schwer im roten Nürnberg. Keiner weiß das besser als Beckstein. Vor knapp 21 Jahren kandidierte er für das Amt des Oberbürgermeisters. Und er verlor - in der Stichwahl gegen einen Genossen.
"Ich hab mich damals furchtbar geärgert über die Niederlage. Und heute kann ich sagen, ich bin natürlich froh, dass ich einen anderen Lebensweg nehmen konnte, der mich an die Spitze des Freistaates Bayern gebracht hat. Der ja für meine Heimatstadt Nürnberg eine sehr, sehr große Bedeutung hat. Ich kann ja aus dieser Position für Nürnberg auch wirklich viel tun."
Beckstein wird nicht müde, die Wähler zuhause daran zu erinnern. Aus gutem Grund: Eine zu deutliche Niederlage für seine heimische CSU wäre blamabel. Sind die Kommunalwahlen am 2. März doch auch ein erster Stimmungstest für ihn, den neuen Ministerpräsidenten.
Auch Maly - im Wahlkampfsong namentlich besungen - hat prominente Unterstützung. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier etwa. Maly ist Mitglied im SPD-Bundesvorstand. Mit seiner erfolglosen Landespartei mag er sich weniger identifizieren. In Berlin aber, heißt es, könnte er locker ein Ministeramt schultern. Angebote soll es schon gegeben haben, doch er will aus Nürnberg nicht weg.
Der Wahlkämpfende Genosse verteilt wärmende Schals. Wie clever.
Bürger: "Ich denke, der Schal soll ein bisschen Wärme vermitteln, soll das Miteinander vermitteln. Das heißt, man umgibt sich mit etwas Gutem."
Bürgerin: "Eine originelle Art und Weise, die Nähe zum Bürger zu zeigen."
Eine Aktion mit gutem Grund: Die Linkspartei ist überraschend stark. Einer aktuellen Umfrage nach käme sie mindestens auf vier Prozent. Doch Anlass, aus purem Protest die ungeliebten Linken zu wählen, will Maly den Bürgern nicht geben. Der Sozi besetzt deren Themen lieber selbst. Etwa wenn er gegen den Verkauf kommunalen Eigentums wettert.
"Den Laden zusammenhalten heißt für uns, dass wir nicht den Sirenenklängen erliegen werden, die da heißen: ach, verkauft doch das ganze Zeugs, dann habt ihr eure Schulden weg. Dann steht ihr gut da und es macht doch nichts. Doch es macht was: es macht einen Unterschied, ob man einen eigenen Energieversorger hat oder ob man verkauft. Ob man eine eigene Straßenbahn fährt, weil man dann auch entscheiden kann, wann sie fährt, wie sie fährt und wo sie hinfährt. Ob es einen Nightliner gibt, der unsere Jugendlichen abends abholt, damit sie nicht Auto fahren müssen. Oder ob es den nicht gibt."
Sein CSU-Herausforderer tut sich schwer, gegen den roten Regenten zu punkten. Weil die wirklich kontroversen Themen fehlen, greifen die Wahlkämpfer sogar auf Flocke - das Nürnberger Eisbärbaby - zurück. Was für Klemens Gsell ärgerlich ist, denn eigentlich ist er, der Umweltbürgermeister, für die kleine Flocke zuständig.
"Wer macht Wahlkampf mit dem Eisbär? Wer lässt sich jeden Tag mit Flocke-Nachrichten in der Öffentlichkeit sehen? Wer hat ganz groß vor aller Welt, obwohl er nicht der Fachreferent ist, die Flocke verkündet? Der Oberbürgermeister!"
"Wir verteilen Schwämme. Die sollen für eine saubere Politik stehen und natürlich auch was nützliches sein. Eine saubere Politik heißt, dass sie sachorientiert ist, das immer im Sinne der Sache und der Stadt entschieden wird. Und dass persönliche Dinge hinten angestellt werden und ganz einfach ehrlich miteinander umgegangen wird."
Ein Schwamm für saubere Politik - das Präsent der Regensburger CSU an die Wähler lässt tief blicken. Seit zwölf Jahren regiert Hans Schaidinger die Weltkulturerbestadt. Am 2. März muss der erfolgsverwöhnte Rathauschef eine schallende Ohrfeige fürchten: Denn seiner CSU droht der Machtverlust. Die Quittung für eine innerparteiliche Schlammschlacht.
Hans Schaidinger: "Wir sollten nicht mehr zurückblicken, sondern vorwärts. Der Herr Fürst gehört der Partei nicht mehr an."
Die Regensburger CSU hat ein Chaosjahr hinter sich. Thomas Fürst, ein junger Stadtrat, versuchte gegen Schaidinger und die Seinen zu putschen. Die Junge Union und erzkonservative Kirchenkreise, die in der gottesfürchtigen Bischofsstadt einflussreich sind, wusste Fürst hinter sich. Es gelang ihm, die alte Führungsriege der Partei zu sprengen und seine Leute an die Spitze des CSU-Kreisverbandes zu setzen. Das Schaidinger-Lager wehrte sich mit einem brisanten Dossier über Fürst und dessen Freunde, in dem Zeugen von rechtsradikalen Entgleisungen, üblen rassistischen Beleidigungen und ausländerfeindlichen Parolen berichteten. Petra Betz, Bürgermeisterin der CSU, reagierte schockiert.
"Ich muss ganz ehrlich sagen, dass wir es nicht dulden werden, einen braunen Sumpf in unserer Partei zu haben. Das sind wir Regensburg und den Menschen in unserer Stadt schuldig."
Einer juristischen Überprüfung jedoch hielten die Vorwürfe nicht stand. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen ein; nicht weil es an Beweisen mangelte, sondern wegen Verjährung. Der Machtkampf ging munter weiter, die beiden Lager bekämpften sich bis aufs Blut. Erst als sich der zuständige Oberpfälzer CSU-Bezirksverband endlich durchringen konnte, den Fall vor das parteiinterne Schiedsgericht zu bringen, trat Thomas Fürst aus der CSU aus. Doch der Machtkampf bleibt wohl nicht folgenlos: Die Partei muss um ihre absolute Mehrheit im Rathaus bangen.
Frau: "Ich kann mir vorstellen, dass die Wähler das abstrafen werden. Dass das nicht mehr so eindeutig werden wird wie beim letzten Mal."
Mann: "Da gibt es Parteiverdrossenheit. Da gehe ich einfach nicht zur Wahl."
Mann: "Entscheidend für die Wähler ist, wie sie miteinander umgehen. Und monatelang miteinander umgangenen sind in negativer Hinsicht - das hinterlässt eine Wirkung."
Der politische Gegner wittert Morgenluft. Plötzlich scheint in der oberpfälzischen Stadt alles möglich: Der bisher unangefochtene Platzhirsch angreifbar. Vor sechs Jahren wurde Schaidinger noch mit einem Traumergebnis von über 61 Prozent gekürt. Joachim Wolbergs, Herausforderer der SPD, glaubt an eine Wechselstimmung. Er kreidet dem Oberbürgermeister einen, für CSU-Politiker typischen autokratischen Führungsstil an.
Joachim Wolsberg: "Es ist kein schönes Klima mehr in dieser Stadt. Und das hat auch damit zu tun, wie der Umgang in den letzten Jahren miteinander war. Es ging ja immer nach dem Prinzip des Amtierenden: Ich kenne mich aus, ich weiß alles und zwar wirklich alles, ich weiß es auch besser als der Beckstein, als die Frau Merkel und der UNO-Generalsekretär. Das ist ein politischer Stil, den finde ich so lächerlich und erbärmlich. Und der hat das Geschehen in dieser Stadt geprägt. Und deshalb gibt es so eine Mentalität hier: die Stadt gehört den Herrschenden und da müssen wir ganz schnell wieder raus."
Ob die SPD Profit aus dem CSU-Schlammassel schlagen kann, bleibt jedoch fraglich. Denn ihr Wählerpotential reicht bislang nicht über 26 Prozent hinaus. Und intern zerstritten sind die Sozialdemokraten auch. Wenn einer in Regensburg Chancen hat, ist es eher der OB-Kandidat der Freien Wähler, denn Ludwig Artinger gilt als unbelastet. Und dann gibt es ja noch die Ex-CSUler um Thomas Fürst. Er sorgte für Konkurrenz: Federführend, aber im Hintergrund leistete Fürst Aufbauarbeit für eine neue Wählerliste. Ihr Name CSB - Christlich Soziale Bürger. Die, laut Gründungsmitglied Gero Kollmer, auch für Schaidingers Ablösung kämpfen.
"Es ist sicherlich Zielrichtung dieser Liste, enttäuschte CSU-Wähler, die sich sagen, aus bestimmten Gründen können wir die CSU nicht wählen, an sich zu binden, und die Leute doch zu bewegen, zur Wahl zu gehen."
Politprominenz aus München gibt sich die Klinke in die Hand - Ministerpräsident, Parteichef und Generalsekretärin leisten Wahlkampfhilfe. Die CSU-Spitze ist in Sorge, Regensburg an die Konkurrenz zu verlieren. Was blamabel wäre. CSU-Chef Erwin Huber eilte herbei, um Vergangenes vergessen zu machen, sprach aber vor peinlich leeren Rängen.
Erwin Huber: "Wir werden als CSU insgesamt natürlich der CSU Regensburg intensiv und gut zur Seite stehen. Und haben Vertrauen, dass die Vergangenheit vorbei ist und der Blick gemeinsam nach vorne geht."
Doch dem CSU-Oberbürgermeister schwant Böses. Warum sonst erläutert Schaidinger beim Straßenwahlkampf schon mal die Vorzüge einer Großen Koalition.
"Ich würde mit der SPD verhandeln und würde sagen, wir suchen ein breites, verlässliches Bündnis, wenn wir keine eigene Mehrheit kriegen. Natürlich ist es schwer, deshalb kämpfen wir für eine eigene Mehrheit."
Mann: "Ihr müsst einfach mal Frieden einkehren lassen."
Es könnte aber noch schlimmer kommen: Schaidinger droht die Stichwahl. Und in diesem Fall - so heißt es selbst aus der CSU - ist alles möglich: auch die Abwahl des Oberbürgermeisters.