Das große Leuchten

Von Johannes Halder · 01.10.2013
Wie neue Lichttechnologien unsere Lebensräume prägen und Lichtgestalter zu Visionen inspirieren, zeigt das Vitra Design Museum in der Schau "Lightopia" mit rund 300 Ausstellungsobjekten.
Die Glühbirne, sie ist Geschichte. Aberdutzende der gläsernen Kolben liegen gleich am Anfang der Schau in einer Vitrine, in allen Formen und Größen und gefertigt für die verschiedensten Zwecke. Ein Sammler hat sie gehortet – nicht aus Gründen der Vorratshaltung, sondern als ästhetische Objekte einer Gattung, die vom Gesetzgeber gerade ausgelöscht wird.

Wie Fossile muten sie an, die kuriosen Kolben aus der Frühzeit der elektrischen Beleuchtung, mit ihren Bäuchen aus Glas und den antiquiert anmutenden Sockeln und Wendeln, dass man sie einfach lieb haben muss bei all den runden Formen. Sie spenden nicht nur Licht, sondern auch Wärme, und das ist ihr Problem.

Doch die Glühbirne ist von gestern, da hilft keine Nostalgie. Das Licht der Zukunft flattert hell und schwerelos wie Leuchtpapier in der Luft oder plätschert wie Regentropfen von der Decke – poetisch, warm und sanft und schmeichelnd. Wir stehen, sagt die Kuratorin Jolanthe Kugler, derzeit vor einer regelrechten Revolution, was die gestalterischen Möglichkeiten mit elektrischem Licht betrifft:

"Das Licht wird digitalisiert. Das bedeutet, wir kommen weg von einer mechanisch produzierten Lichtquelle und gehen hin zu einem elektronischen Bauteil. Glühbirnen haben eine bestimmt Form. Wie man sie herstellt, kann auch der Laie relativ schnell nachvollziehen, es sind wenige Materialien, die zusammengesetzt werden, und dann setzt man Strom dran, und dann leuchtet das Ding. Was heute passiert, diese elektronischen Bauteile, die sind gar nicht mehr greifbar für uns. Das sind Platinen, da laufen irgendwelche Leiter rum und dann irgendwann kommt irgendwo Licht raus."

OLED heißt das Zauberwort. Das sind organische Leuchtdioden von der Dicke eines Moleküls, so hauchdünn und flexibel, dass sie sich sogar zu leuchtenden Textilien verweben lassen.

Welches gestalterische Potenzial darin liegt, wenn das Licht zum Pixel wird, das zeigt die Schau wie in einem kleinen Labor. Sie spannt gewissermaßen einen Lichtbogen zwischen diesen beiden Polen, dem alten und dem neuen Licht; sie taucht dabei ein in die Geschichte der elektrischen Beleuchtung und berührt auch das Problem der Lichtverschmutzung, die besonders in den Großstädten die Nacht zum Tag macht und den Biorhythmus durcheinander bringt.

Vor allem aber geht es darum, wie Leuchtendesigner oder Künstler mit dem Licht umgehen. Dass daraus keine Lichtorgie geworden ist, liegt schon daran, dass das Museum eigentlich zu klein ist, um das alles auszuleuchten. Vieles ist nur in Fotos oder Schaubildern präsent. Dafür gibt es ab und zu ein grelles Lichtspektakel wie den Kronleuchter des Italieners Alberto Garutti. Von der Decke hängen drei sanft glühende Aluminiumringe, die mit einer Wetterstation in Italien verbunden sind.

Jolanthe Kugler: "Die drei Ringe sind oben und unten bestückt mit 540 Glühbirnen. Und wenn es dann in Italien blitzt, dann blitzt auch der Kronleuchter einmal grell auf und kehrt wieder zu seinem glühenden Ursprungszustand zurück."

Auch legendäre Klassiker wie der raffiniert rotierende "Licht-Raum-Modulator" von Laszlo Moholy-Nagy sind zu sehen, und – als Highlight sozusagen – rund 50 Beispiele aus der etwa tausend Leuchten und Lampen umfassenden Sammlung des Museums, und zwar so klug inszeniert, dass kein Lampenladen daraus geworden ist.

Wer weiß, sagt Jolanthe Kugler, wie lange es solche Hüllen des Lichts noch geben wird, wenn man demnächst praktisch jeden Gegenstand von selbst zum Leuchten bringen kann:

"Wir wissen es noch nicht, aber dachten, es ist auf jeden Fall wert, einen Blick auf gut hundert Jahren Leuchtendesign zu werfen, um zu sehen, wie die Menschen eigentlich dort auch mit technologischen Entwicklungen umgegangen sind, wie das jeweils in das Design der Leuchte eingeflossen ist und inwiefern Leuchten auch immer exemplarisch für ihre Zeit stehen, weil sie gewisse Ideen, Gedankenströmungen oder auch Materialien und technologische Innovationen verarbeiten."

Neben all den begehbaren Lichträumen, die in der Schau ihren Zauber entfalten und inmitten der Menge innovativer Lichtkunst-Objekte hängt auch die vor drei Jahren von 90 namhaften Künstlern und Architekten unterzeichnete Petition zur Erhaltung der Glühbirne an der Wand. Und ja, es ist schon merkwürdig. Gerade die, die sonst so gerne Avantgarde spielen, beharren auf den klobigen Leuchtkolben, als wären sie ein Kultobjekt.

Doch andererseits: Brauchen wir all das, was uns die neue Technik verspricht? Leuchtende Kleider, glimmende Tapeten und blinkende Vorhänge? Die Handtasche mit Innenbeleuchtung; ein Leuchtkissen im Bett, das uns am Morgen weckt? Die Möglichkeiten scheinen grenzenlos, und offenbar erwartet uns eine strahlende Zukunft:

"Eigentlich müssten alle diese Menschen jetzt zusammenarbeiten, um uns das richtige Licht zu geben. Und das ist ungeheuer spannend, weil die Möglichkeit besteht, dass wir so gutes Licht bekommen wie noch nie vorher."


Die Ausstellung "Lightopia" ist im Vitra Design Museum in Weil am Rhein bis zum 16. März 2014 zu sehen.