Das Grollen aus dem Gurkenglas
Mit einem DAAD-Stipendium war der amerikanische Medienkünstler Paul De Marinis in Berlin. In diesem "geschenkten Jahr" entwickelte er mysteriöse Installationen rund um das Thema Klang.
Es herrscht ein Durcheinander in der geräumigen, hellen Altbauwohnung im bürgerlichen Künstlerviertel Berlin-Friedenau. Die Fenster sind weit geöffnet wegen der Hitze, halbleere Koffer stehen in halbleeren Zimmern. Eine vierköpfige Familie verlässt nach einem Jahr ihre Wohnung.
"Sie waren das ganze Jahr hier, sie sind gerade abgereist, um sich wieder an unser Haus zu gewöhnen und sich auf die Schule vorzubereiten."
Paul DeMarinis sitzt müde zwischen Spielsachen, die seine Kinder, acht und sieben, zurückgelassen haben und einem Klavier. Für den Medienkünstler brechen die letzten Tage in Berlin an, die letzten Tage eines Ein-Jahres-Stipendiums. Bevor er seiner Familie nach Kalifornien folgt, muss er noch zwei Installationen fertig stellen. Er ist erschöpft, bleibt aber entspannt und freundlich. Kurze braune Haare, schlank, leicht gebräunt wirkt er jünger als seine 62 Jahre, ganz wie der Familienvater von nebenan. Aber er ist nicht nur stolzer Vater, sondern auch Tüftler, einer, der mit Klang und Material experimentiert, seit er denken kann.
"Ich fragte meinen Vater nach einem Laborkasten und er dachte natürlich, ich würde naturwissenschaftliche Experimente damit machen. Aber ich machte ganz andere Sachen. In gewisser Weise kann man sagen, ich arbeite schon mein ganzes Leben an den Dingen, die ich jetzt mache."
Seine Eltern, ein Genetik-Forscher und eine Französisch-Lehrerin, sind nicht gerade begeistert, als ihr Sohn beginnt, Film und elektronische Musik zu studieren. Auf die progressiven 60er, in denen alles möglich schien, folgt in den USA eine Periode, in der zeitgenössische Kunst von vielen Konservativen als unmoralisch angesehen wird.
"Als ich einmal meine Eltern besuchte und Freunde von ihnen da waren – sehr nette Leute – fragten sie mich, was ich mache. Ich sagte ich sei Künstler und hätte genau so gut sagen können, dass ich mit kleinen Kindern schlafe. Es klang für sie wie die verwerflichste Sache der Welt!"
Zahlreiche Stipendien und renommierte Ausstellungen verbessern nicht nur das Ansehen von Paul DeMarinis, sondern auch seine finanzielle Lage. Er bewohnt ein kleines Einfamilienhaus in Palo Alto im Silicon Valley in Kalifornien. Zur Stanford-University, wo er das Fach "elektronische Medien" unterrichtet, fährt er mit dem Fahrrad, ebenso wie zu seinem Studio, in dem er experimentieren und seine Installationen entwerfen kann.
In Berlin reicht ihm ein Zimmer in der Wohnung zum Arbeiten. Es herrscht kreatives Chaos. Überall Kabel, Computerplatinen und Verstärker, ein altes Grammophon-Horn, mitten im Raum ein sperriger Holzkasten, an den Wänden Kinderzeichnungen. Neben dem Laptop steht ein altes Spreewaldgurkenglas, in dem Drähte schwimmen – der Prototyp einer seiner Installationen.
Der Klangkünstler verkabelt die Drähte im Gurkenglas. Ein mysteriöses Grollen ertönt. Konzentriert, fast schon verzückt, lauscht er den Veränderungen des Geräuschs.
Die Installation, zu der dieses Grollen gehört, ist in einem alten Wasserspeicher in Berlin Prenzlauer Berg zu erleben, der mittlerweile als Galerie genutzt wird.
Ein dunkler, runder Backsteinbau, zehn Meter hohe Wände, die Luft ist feucht wie in einer Grotte. Unbekannt, seltsam, nicht zuzuordnen ist das Rumpeln und Zischen. In gläsernen Wasserbecken rosten Kupfer- und Aluminiumdrähte vor sich hin. Dabei entstehen elektronische Signale, die verstärkt und auf Lautsprecher übertragen werden.
"Der Klang gibt einem ein Unter-Wasser Gefühl, der ganze Ort gibt einem ein Unter-Wasser Gefühl. Er war ja 100 Jahre voller Wasser und daher gibt es eine Menge Kondenswasser und Feuchtigkeit. Die große Herausforderung war es, mit den tiefen Klängen an diesem Ort zu arbeiten, denn das hatte ich vorher noch nie gemacht."
Ein ähnliches Geräusch muss das Wrack der 2009 abgestürzten Air France-Maschine 447 im atlantischen Ozean von sich geben, denn es ist ebenfalls aus Aluminium und Kupfer. "The Probable Flight Path of AF447" hat Paul DeMarinis seine Installation daher genannt. Zu Deutsch: "Die mutmaßliche Flugbahn der AirFrance 447".
Wenn der Klangschöpfer nicht gerade herumexperimentiert, durchstöbert er Bibliotheken und stößt so auf alte Erfindungen, die er in seine Installationen einarbeitet. Für diese zeitaufwändigen Recherchen ein Jahr geschenkt zu bekommen, hat ihn gefreut. Auch wenn er ein klein wenig bedauert, dass er das Künstler-Stipendium nicht früher bekam.
"Ich denke, wenn ich das Jahr bekommen hätte, als ich jünger war und nicht in Stanford unterrichtete, dann wäre ich für immer in Berlin geblieben, es ist so ein wunderbarer Ort und viele Künstler kommen hierher und bleiben."
In dem Jahr in Berlin konnte er nicht nur verschiedene Installationen entwickeln, sondern einen Katalog über seine Arbeiten zusammenstellen. "Burried in noise" – "Begraben in Lärm" heißt er. Es mache ihn zufrieden, durch seine Arbeiten zu blättern, sagt Paul DeMarinis lächelnd. Ein paar gute Ideen habe er gehabt. Der Mann ist bescheiden geblieben.
Webseite von Paul DeMarinis
"Sie waren das ganze Jahr hier, sie sind gerade abgereist, um sich wieder an unser Haus zu gewöhnen und sich auf die Schule vorzubereiten."
Paul DeMarinis sitzt müde zwischen Spielsachen, die seine Kinder, acht und sieben, zurückgelassen haben und einem Klavier. Für den Medienkünstler brechen die letzten Tage in Berlin an, die letzten Tage eines Ein-Jahres-Stipendiums. Bevor er seiner Familie nach Kalifornien folgt, muss er noch zwei Installationen fertig stellen. Er ist erschöpft, bleibt aber entspannt und freundlich. Kurze braune Haare, schlank, leicht gebräunt wirkt er jünger als seine 62 Jahre, ganz wie der Familienvater von nebenan. Aber er ist nicht nur stolzer Vater, sondern auch Tüftler, einer, der mit Klang und Material experimentiert, seit er denken kann.
"Ich fragte meinen Vater nach einem Laborkasten und er dachte natürlich, ich würde naturwissenschaftliche Experimente damit machen. Aber ich machte ganz andere Sachen. In gewisser Weise kann man sagen, ich arbeite schon mein ganzes Leben an den Dingen, die ich jetzt mache."
Seine Eltern, ein Genetik-Forscher und eine Französisch-Lehrerin, sind nicht gerade begeistert, als ihr Sohn beginnt, Film und elektronische Musik zu studieren. Auf die progressiven 60er, in denen alles möglich schien, folgt in den USA eine Periode, in der zeitgenössische Kunst von vielen Konservativen als unmoralisch angesehen wird.
"Als ich einmal meine Eltern besuchte und Freunde von ihnen da waren – sehr nette Leute – fragten sie mich, was ich mache. Ich sagte ich sei Künstler und hätte genau so gut sagen können, dass ich mit kleinen Kindern schlafe. Es klang für sie wie die verwerflichste Sache der Welt!"
Zahlreiche Stipendien und renommierte Ausstellungen verbessern nicht nur das Ansehen von Paul DeMarinis, sondern auch seine finanzielle Lage. Er bewohnt ein kleines Einfamilienhaus in Palo Alto im Silicon Valley in Kalifornien. Zur Stanford-University, wo er das Fach "elektronische Medien" unterrichtet, fährt er mit dem Fahrrad, ebenso wie zu seinem Studio, in dem er experimentieren und seine Installationen entwerfen kann.
In Berlin reicht ihm ein Zimmer in der Wohnung zum Arbeiten. Es herrscht kreatives Chaos. Überall Kabel, Computerplatinen und Verstärker, ein altes Grammophon-Horn, mitten im Raum ein sperriger Holzkasten, an den Wänden Kinderzeichnungen. Neben dem Laptop steht ein altes Spreewaldgurkenglas, in dem Drähte schwimmen – der Prototyp einer seiner Installationen.
Der Klangkünstler verkabelt die Drähte im Gurkenglas. Ein mysteriöses Grollen ertönt. Konzentriert, fast schon verzückt, lauscht er den Veränderungen des Geräuschs.
Die Installation, zu der dieses Grollen gehört, ist in einem alten Wasserspeicher in Berlin Prenzlauer Berg zu erleben, der mittlerweile als Galerie genutzt wird.
Ein dunkler, runder Backsteinbau, zehn Meter hohe Wände, die Luft ist feucht wie in einer Grotte. Unbekannt, seltsam, nicht zuzuordnen ist das Rumpeln und Zischen. In gläsernen Wasserbecken rosten Kupfer- und Aluminiumdrähte vor sich hin. Dabei entstehen elektronische Signale, die verstärkt und auf Lautsprecher übertragen werden.
"Der Klang gibt einem ein Unter-Wasser Gefühl, der ganze Ort gibt einem ein Unter-Wasser Gefühl. Er war ja 100 Jahre voller Wasser und daher gibt es eine Menge Kondenswasser und Feuchtigkeit. Die große Herausforderung war es, mit den tiefen Klängen an diesem Ort zu arbeiten, denn das hatte ich vorher noch nie gemacht."
Ein ähnliches Geräusch muss das Wrack der 2009 abgestürzten Air France-Maschine 447 im atlantischen Ozean von sich geben, denn es ist ebenfalls aus Aluminium und Kupfer. "The Probable Flight Path of AF447" hat Paul DeMarinis seine Installation daher genannt. Zu Deutsch: "Die mutmaßliche Flugbahn der AirFrance 447".
Wenn der Klangschöpfer nicht gerade herumexperimentiert, durchstöbert er Bibliotheken und stößt so auf alte Erfindungen, die er in seine Installationen einarbeitet. Für diese zeitaufwändigen Recherchen ein Jahr geschenkt zu bekommen, hat ihn gefreut. Auch wenn er ein klein wenig bedauert, dass er das Künstler-Stipendium nicht früher bekam.
"Ich denke, wenn ich das Jahr bekommen hätte, als ich jünger war und nicht in Stanford unterrichtete, dann wäre ich für immer in Berlin geblieben, es ist so ein wunderbarer Ort und viele Künstler kommen hierher und bleiben."
In dem Jahr in Berlin konnte er nicht nur verschiedene Installationen entwickeln, sondern einen Katalog über seine Arbeiten zusammenstellen. "Burried in noise" – "Begraben in Lärm" heißt er. Es mache ihn zufrieden, durch seine Arbeiten zu blättern, sagt Paul DeMarinis lächelnd. Ein paar gute Ideen habe er gehabt. Der Mann ist bescheiden geblieben.
Webseite von Paul DeMarinis