"Das gibt’s nur einmal …"

Von Michael Lachmann · 19.12.2007
Sie hatte ihre Blüte von 1929 bis 1933. Obwohl schmalzig und säuselnd sind Melodien wie "Liebling, mein Herz lässt Dich grüßen" oder "Das gibt’s nur einmal, das kommt nie wieder" noch heute bekannt. Im Berliner Filmmuseum ist derzeit die Sonderausstellung "Wenn ich sonntags in mein Kino geh" über die deutsche Tonfilmoperette zu sehen.
Seitdem der Tonfilm existiert, hält sich folgende Legende: Der Chef der Ufa wurde bei einem New York-Besuch Ende der 1920er Jahre auf eine Hotelband aufmerksam, die fast ausschließlich deutsche und österreichische Melodien spielte. Wenn Robert Stolz, Richard Heymann und Friedrich Hollaender in Übersee so gut ankommen, wäre das nicht etwas für den Tonfilm, der gerade machbar geworden war, so die Überlegung. Die Babelsberger Studios gingen auf die Herausforderung ein und entwickelten Stoffe und Handlungen, die mit Musik verbunden wurden.

Rainer Rother, künstlerischer Direktor des Museums für Film und Fernsehen Berlin: "Dieses Genre, was wir im Mittelpunkt haben, die Tonfilmoperette ist tatsächlich das erste originäre Genre der neuen Technik des Tonfilms. Western hat es immer gegeben, Abenteuerfilme, Krimis hat es immer gegeben, aber wie das Musical, das etwas später entsteht, ist die Filmoperette etwas, was nur mit dem Tonfilm entstehen konnte. Es ist zugleich eine Zeit, in der die Gesellschaften, die westlichen Gesellschaften in einer ganz großen Krise stecken, die Weltwirtschaftskrise wird im Musical in Amerika reflektiert und so ist es auch in der Tonfilmoperette, dem leichten, dem leichtsinnigsten Genre zum Ende der Weimarer Republik. Auch dort wird die gesellschaftliche Realität vielfältig reflektiert auf eine Art, die dem Unterhaltungsfilm angemessen ist, nämlich mit einem ironischen Unterton."

Das neue Genre stieß selbst bei einigen Filmfachleuten damals nicht nur auf Zustimmung. In einer Ausgabe des "Film-Kurier" aus jener Zeit ist gar Bedenkliches zu lesen: "Jeder populäre Schlagertitel erleidet heute das Schicksal der Verfilmung" wird da beklagt. Dennoch sind in den knapp 5 Jahren 40 bis 50 deutsche Tonfilmoperetten entstanden, von denen viele mit den Sehnsüchten der kleinen Leute kokettierten, mondänes Leben vorgaukelten, tradierte Geschlechterbeziehungen aufs Korn nahmen, auch den Alltag in der Weimarer Republik und immer wieder Träume zauberten und dabei sogar die neuste Audio-Technik mit zum Gegenstand machten wie in "Wer nimmt die Liebe ernst? von 1931, Regie Erich Engel mit Max Hansen und Jenny Jugo.

Das Unterhaltungskino in Deutschland der Endzwanziger Jahre bediente eine soziale Funktion und brachte das pulsierende Leben der Großstädte, wie es die Tonfilmoperetten suggerierten, in die Kinos kleiner Städte. Viele dieser Filme waren nicht nur eine deutsche Erfindung. Die Grenzen verliefen fließend und die deutsche Filmindustrie profitierte vom Nachbarn, so Kurator Peter Jammertal:

"Es gibt zahlreiche Künstler, die aus dem österreichischen Kulturkreis sozusagen in die deutsche Filmindustrie kamen, Anfang der 30er Jahre und da von dieser Operettentradition vieles mitbrachten und aber modern und ironisch sprachen und dafür ist Walter Reisch ein relativ erfolgreiches Beispiel als Drehbuchautor. Sie finden hier ein frühes Drehbuch zu einem Film, der heißt "Zwei Herzen im Dreivierteltakt", allerdings ist dieses Treatment nicht identisch mit dem dann später verwirklichten Drehbuch. Er hat den Titel sozusagen recycelt. Das Drehbuch selber enthält schon wesentliche Elemente der späteren Tonfilmoperette. Es gibt darin Spiel mit Geräuschen, Walzer kontra Jazzmusik, eine selbstbewusste Dame, die im Auto vorfährt usw., also typische Versatzstücke, die Reisch dann bei anderen Filmen benutzen konnte."

Die neue Sonderausstellung im Berliner Film- und Fernsehmuseum bietet dem Besucher eine packende Entdeckungstour durch ein kurzes aber nachhaltiges Kapitel der Filmgeschichte. 40 Prozent aller ausgestellten Originale, also Plakate, Fotos, Briefe, Kostüme u.a. kamen aus Wien und Paris und von privaten Sammlern. 60 Prozent stammen aus dem Archiv des Filmmuseums selbst und seinen mittlerweile umfangreichen Nachlässen, zu denen auch jener von Marlene Dietrich gehört. Zeitlich und thematisch jeweils zugeordnet ein unschätzbarer Fundus für so spezielle Ausstellungen wie diese.

Peter Jammertal: " Als Abschluss dieser frühen Karriere Reischs im deutschen Film sozusagen finden Sie aber auch ein Brief an Marlene Dietrich von 1934, aus der Marlene-Dietrich-Collection, in dem Reisch seine Situation nach der Machtübernahme der Nazis darstellt, er konnte im deutschen Film nicht mehr arbeiten als Jude und er konnte auch im österreichischen Film mit eigenen Credits arbeiten, weil der österreichische Film, die meisten Firmen produzierten hauptsächlich für den deutschen Markt und aus Rücksicht darauf wurden keine jüdischen Künstler beschäftigt und dieses Problem reflektiert Reisch in diesem Brief und fast den Entschluss, dass er kein Drehbuch mehr in deutscher Sprache schreiben möchte."

Walter Reisch schaffte es, Deutschland noch rechtzeitig zu verlassen. Andere wie Kurt Gerron nicht. Er starb im KZ. Reisch konnte in den USA seine Karriere fortsetzen. Wie auch
Werner Richard Heymann. Aus dessen kurzer glücklicher Zeit in Deutschland und seinem Aufenthalt in den USA sind am Ende des Rundgangs Adressbücher ausgestellt, wo der Besucher in einer Kopie selbst nachschlagen kann und sich anhand des Berliner Heftes vor 1933 ein Bild über ein unwahrscheinlich prosperierendes Kulturleben der deutschen Hauptstadt machen kann. Unter M findet man beispielsweise das legendäre und mittlerweile vergessene Premierenkino Marmorhaus. Außerdem viele namhafte Künstlerkollegen. Praktisch ein Who´s who deutscher Filmgeschichte in Oktavheftgröße.

Service:
Die Ausstellung "'Wenn ich sonntags in mein Kino geh' - Ton - Film - Musik 1929-1933" ist bis zum 27. April 2008 zu sehen. Zur Ausstellung ist ein Katalog für 19 € erschienen, inkl. Audio-CD mit Schlagern aus den Filmoperetten. Parallel zur Ausstellung zeigt das Kino Arsenal im Filmmuseum zehn Tonfilmoperetten mit entsprechenden Einführungen.