Das Geschäft mit der Ware Frau

Rezensiert von Karla Sponar · 15.11.2005
Menschenhandel ist ein lohnendes Geschäft: Rund sechs Milliarden Euro Umsatz kommen im deutschen Prostitutionsmilieu zusammen. Viele der Frauen stammen aus Osteuropa und werden mit Gewalt und Drohungen zum "Anschaffen" gezwungen. Gegen diese Form des Sklavenhandels kämpft Lea Ackermann mit ihrer Organisation "Solwodi" an.
Die Prostituiertenvereinigung Hydra schätzt, dass es in Deutschland rund 12 Millionen Freier gibt. Demnach besucht jeder dritte Mann in unserem Land Prostituierte. Von den geschätzten 200.000 Zwangsprostituierten, die jährlich nach Europa geschleust werden – in der Regel mit falschen Versprechungen angelockt oder auch gekidnappt - landen 30.000 in deutschen Clubs oder in getarnten Wohnungsbordellen.

Wenn es zu Prozessen gegen die Schuldigen und ihrer Helfershelfer kommt, enden sie für die meisten Täter im Happy End oder mit auffällig milden Strafen. Täter werden geachtet, nicht geächtet. Für sie lohnt das Geschäft mit der Ware Frau: Rund sechs Milliarden Euro Umsatz kommen im deutschen Prostitutionsmilieu zusammen. Es ist das risikoärmste Geschäft innerhalb der organisierten Kriminalität, schlussfolgern Lea Ackermann und ihre Mitarbeiterinnen.

Die unkonventionelle Nonne weiß nach 20 Jahren Erfahrung in ihrer Nichtregierungsorganisation "Solwodi" - für Frauen in Not: Das Denken in Kategorien von globalen Märkten stuft Menschen herab auf das Niveau von Konsumobjekten für den modernen Sklavenhandel. Ein Pferd, so werden Opfer zitiert, sei bisweilen teuerer zu erstehen als eine Frau.

Der Sklaven-Markt blüht seit der EU-Osterweiterung besser denn je – 80 Prozent der Opfer stammen inzwischen aus Osteuropa. Kontrollen der deutschen Polizei sind erschwert, seit Prostitution 2001 legalisiert wurde.

Außerdem ist Menschenhandel ein Kontrolldelikt. Razzien, die Beweisführung vor Gericht und die Betreuung der Opfer sind jedoch kostspielig und personalintensiv. Täter, Helfer und Freier sind vernetzt bis in höchste Regierungsstellen. All das erschwert Ermittlungen.

Die Autorinnen schildern die Zusammenhänge: Falsche Freunde, Verwandte und engste Vertraute vermitteln die Opfer an Menschenhändler. Diese nutzen die Notsituation der Frauen in ihren Heimatländern aus. Ohne Sprachkenntnisse, Geld und Pass – er wird ihnen gleich nach der Ankunft in Deutschland abgenommen – sind sie hilflos. Sie werden mit brutaler Gewalt, mit Drogen und Drohungen auch gegen die Familie gefügig gemacht und gezwungen, sich ausbeuten zu lassen.

Manche Zahlen aus dem "Lagebericht Menschenhandel" des Bundeskriminalamtes korrigieren die Autorinnen, etwa, wenn es heißt, gut jede dritte Frau sei mit der Prostitution einverstanden. Was die Statistiken nicht sagen: Die Täter versprechen zwar hohe Verdienste, zahlen sie in der Regel aber nicht aus. Stattdessen zwingen sie ihre "Beute" dazu, Gewalt, perverse Praktiken, ein Leben in eingesperrten Bordellräumen meist unter Freiheits- und oft genug unter Essensentzug durchzustehen.

Besonders wertvoll sind erstmals detaillierte Informationen über Opfer, Täter sowie über die Freier – die Kunden: Sie wollen unerkannt bleiben, machen sich über die Zwangslage der Frauen auch dann keine Gedanken, wenn die Frauen sie mit frischen Narben am Körper und in vergitterten Zimmern empfangen. Dennoch beobachtet Solwodi, dass erstaunlich viele Freier doch noch helfen wollen, ohne zu wissen wie.

Für alle, denen es ähnlich geht, ist Ackermanns Buch über das Geschäft auf dem modernen Sklavenmarkt ein längst fälliger Leitfaden. Es ermutigt zu lesen, wie Solwodi aus dem Nichts entstand und inzwischen mit zehn Beratungsstellen in Deutschland die größte Organisation im Kampf gegen die moderne Sklaverei geworden ist. Dahinter steht eine Bankerin, Schuldirektorin, Managerin, die 1998 zur "Frau Europas" ernannt wurde: Lea Ackermann.

In ihrer biographischen Lebensreportage beschreibt sie lebhaft, warum sie nach einer durchtanzten Nacht auf Stöckelschuhen in den Missionsorden der "Weißen Schwestern" eintrat und eine Mutter Courage für die Entrechteten wurde.


Lea Ackermann, Inge Bell, Barbara Koelges: Verkauft, versklavt, zum Sex gezwungen
Das große Geschäft mit der Ware Frau
Kösel 2005, 176 S.

Lea Ackerman, Cornelia Filter: Um Gottes willen, Lea! Mein Einsatz für Frauen in Not
Herder 2005, 223 S., EUR 19,90