Das Geruchskino

Von Waltraud Tschirner |
Wellnesskino für alle Sinne: Bereits 1913 schwebte bei der Eröffnung eines Berliner Kinos eine Duftwolke über dem Publikum und 1929 rieselte am Broadway in New York Orangenblütenduft auf die Besucher herab. Bis in die Gegenwart gibt es immer neue Versuche, Kino als Ganzkörpererlebnis zu verwirklichen.
"Die Duftorgel spielt ein köstlich erfrischendes Kräutercapriccio- Arpeggiowellchen von Thymian und Lavendel, Rosmarin, Basilikum, Myrte und Schlangenkraut, eine Folge kühner Modulationen durch die Gewürzrucharten bis nach Ambra, dann langsam zurück über Sandelholz, Kampfer, Zedernholz und frischgemähtes Heu (mit gelegentlich, zart angedeuteten Dissonanzen – einer Nasevoll Sauerkraut und einem leisen Rüchlein Rossäpfel) zu den schlichten Duftweisen, mit denen das Stück begonnen hatte."

So etwa stellte sich Aldous Huxley 1932 in seinem Roman "Schöne neue Welt" das Fühlkino vor. Kinobesuch als Ganzkörpererlebnis - Wellnesskino für alle Sinne quasi - bei dem der Geruch eine Hauptrolle spielt.

Was hier literarische Fantasie ist - haben Kinomacher immer wieder versucht in enger Zusammenarbeit mit Technikern – wahrzumachen.

Bereits 1913 schwebte bei der Eröffnung des Berliner "Marmor-Lichtspiel -hauses" – eine Duftwolke über dem Publikum und 1929 rieselte zur "Broadway Melody" in New York Orangenblütenduft auf die Besucher herab.

In den 1930er Jahren erfand Hans E. Laube das "Odorated Talking Pictures" –Verfahren- mit dessen Hilfe bis zu 4000 Düfte simuliert werden konnten. Der Schweizer Spielfilm "My dream" schöpfte aus dem Vollen und Laube konnte sich als Duftregisseur entfalten.

Seine Erfindung wurde später – dank Mike Todd Jr. weiterentwickelt zum Smell O Vision System .Für seinen Film "Scent of Mystery" hatte dem Amerikaner ein Duftprinzip vorgeschwebt, das jeweils mit dem Gegenstand auf der Leinwand korrespondiert: Fischgeruch, Tabak, Badeschaum, Schuhcreme.... Es funktionierte über Plastikröhrchen, die an die Kinosessel angeschlossen wurden. Ein Riesenaufwand, den man sich natürlich nur in wenigen auserwählten Kinos leisten konnte und der letztlich nicht im erwarteten Maße vom Publikum honoriert wurde.

1981 griff John Waters die Idee Geruchskino erneut auf . Er ließ Rubbelkarten verteilen, die beim Aufleuchten einer entsprechenden Nummer auf der Leinwand angekratzt wurden und teilweise recht garstige bis unerträgliche Gerüche freiließen. Danach hatte man erst einmal die Nase voll – bis 1989 in Paris ein weiteres Duftexperiment die Besucher von "Le Grand Bleu" auch olfaktorisch ans Meer versetzte. Nicht schlecht, aber eben auch nicht der Duftweisheit letzter Schluss.

Das Gespräch zum Thema mit dem Geruchscineasten Bernhard Storz können Sie mindestens bis zum 23.7.08 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.