"Das gekonnt einfache Abbild einer Nässe"

02.03.2007
Mit "Fragmentierte Gewässer" hat der 1973 geborene Autor Ron Winkler seinen dritten Gedichtband vorgelegt. Mit viel Ironie und sprachlicher Kreativität trägt er mit seinen Naturgedichten zum lyrischen Sprecher einer neuen Generation bei.
Begutachten Dichterkollegen untereinander die Früchte ihrer poetischen Kreativität, werden oft wenig schmeichelnde Worte ausgetauscht. Wie wohltuend ist es da, den Lyriker Ron Winkler als Kritiker zu erleben, der stets neugierig und respektvoll den Rätseln der Textur näher zu kommen versucht, um bei diesem Suchvorgang seine Beobachtungen verstehen zu lernen. Seine Kritik zum Gedichtband "Auszug aus Xanadu" des Schweden Lars Gustafsson führt das exemplarisch vor. Dabei formuliert Winkler Sätze, die sich längst vom Gegenstand der Betrachtung losgelöst haben: "Es sind die Erfindungen der Kunst, die auf die Essenz einer Sache verweisen können, indem sie diese ein wenig ignorieren und anders machen".

Ron Winkler ist Jahrgang 1973. Er studierte Germanistik und Geschichte in Jena, sein erster Lyrikband "vereinzelt Passanten" erschien 2004 bei kookbooks. Ein Jahr darauf wurde ihm der Leonce- und- Lena-Preis der Stadt Darmstadt mit der Begründung verliehen, Winkler würde es verstehen, das Naturgedicht "als Referenz eines modernen Lebensgefühl nutzbar" zu machen. Auch sein neues Buch schlägt bereits im Titel jene Klaviatur an, die zur Klangsystematik seiner Gedichte verführt. Zwischen dem kalkuliert wirkenden Wortpaar "fragmentierte Gewässer" und dem Wort Regen, der "das fragmentierte Gewässer als Erscheinung zwischen den Adjektiven leicht und stürmisch" erzeugt, deutet sich Winklers poetische Energie und poetologische Ausrichtung an. Der Buchtitel und das Gedicht "Der Sachverhalt Regen" lassen eine Referenz an den österreichischen Sprachphilosophen Ludwig Wittgenstein (1889-1951) erkennen, dem der Sachverhalt beim Beschreiben von Wirklichkeit ein zentraler Terminus war. Und so fühlt man sich bei Winklers Gedichten mehrfach an Wittgensteins "Tractatus logico philosophicus" erinnert, denn das Er-schauen von Welt läuft über Bilder, die – ausgehend von wahrgenommenen Sachverhalten – als Sprache manifestiert werden. Dort hakt sich Winkler ein und tänzelt mit unglaublicher Vitalität und kesser Eleganz angenehm unakademisch auf sprachlichphilosophischem Parkett. Bei dieser "Dance fiction" werden Pappeln am Horizont zum "Irokesengestrüpp" oder Wolken als "im Prinzip nichts" deklassiert, um eine Zeile später schon als "das gekonnt einfache Abbild einer Nässe" von signifikanter Bedeutung zu sein.

Neben seinen lustvoll-voyeuristischen Streifzügen durch die leise Geräuschkulisse der "Osmose", ironisch flankiert von einer "Lärmgruppe der Frösche", verschafft die Lektüre immer wieder nasse Füße, die eine verdammt kritische Erdung signalisieren. Ob als "Diagnostischer Seeaufenthalt", wo ein "flüchtiger Blick auf das Wasser genügt" oder als "Telegramm von einer See", in dem das Wasser "eher signifikant" erscheint – im Element Wasser spiegeln sich die Beobachtungen des Lyriker. Wenn dann noch zwei Strandkiefern um "die ästhetische Neigung" ringen, ist jener Moment gekommen, wo die Kritikerin ihr Tun beendet und sich vor der so genannten Natur und ihren Elementen in Sicherheit bringt.

Rezensiert von Carola Wiemers

Ron Winkler: "Fragmentierte Gewässer".
Gedichte, Berlin Verlag 2007
83 Seiten, 18 Euro