Das feminine Element
Peter Schäfers Werk befasst sich in sechs Kapiteln mit den weiblichen Gottesbildern des Judentums, dem Christentum hingegen ist nur ein Kapitel gewidmet. Dennoch liefert das Buch genügend Stoff zur Diskussion über die Tatsache, dass beide vermeintlich strengen Monotheismen polytheistische Elemente kaum verbergen können.
Die These, das Judentum habe den Monotheismus erfunden, zählt zu den hoch in Ehren gehaltenen Traditionen der westlichen Kultur.
Anlass genug, den Monotheismus der Juden einmal unter die Lupe zu nehmen, meint Peter Schäfer und stellt fest: Dieser jüdische Glauben an den einen und einzigen Gott schillert bei näherer Betrachtung doch seltsam polytheistisch!
Schäfer erinnert zunächst an die Frühzeit der Israeliten unter König Manasse, Anfang des 7. Jahrhunderts vor Christus. Damals wollten die Juden, trotz ihrer Verehrung für Jahwe, den Höchsten, auf andere Götter und Göttinnen nicht verzichten. Da gab es zum Beispiel Aschera, die Gemahlin des Baal. Sie wurde im Süden von Juda verehrt. Es war der König selbst, Manasse, der Sorge trug, dass dieser Göttin auch im Tempel von Jerusalem gehuldigt wurde.
"Manasse stellte auch das Bild der Aschera in das Haus, von dem der Herr
zu David gesagt hatte: 'In diesem Hause und in Jerusalem will ich meinen Namen wohnen lassen ewiglich.'"
Heißt es im 2. Buch der Könige, Altes Testament.
Erst Josias, seit 647 vor Christus Herrscher über Juda, verbietet die Vielgötterei und etablierte das staatstragende Bild von dem einen und einzigen Gott - Jahwe. Obwohl sich die Gläubigen von ihm kein Bild machen sollen, wird er doch stillschweigend als "Vater", ergo als männlich gedacht.
Aber König Josias Verbote vermögen die Idee vom Göttlichen als auch weiblicher Natur nicht gänzlich auszurotten. Die femininen Gottesbilder leben fort, mitten im "männlichen Monotheismus", und zwar in subversiver Form. Der Autor schärft unseren Blick für das "Zwischen-den–Zeilen" im biblischen Text. In den "Sprüchen des Salomo" zum Beispiel, oder bei "Jesus Sirach", wird, genauso genommen, eine Göttin gepriesen, eine Göttin namens "Weisheit":
"Ich ging aus dem Munde des Höchsten hervor,
und wie Nebel umhüllte ich die Erde.
Ich wohnte in den Höhen des Himmels,
auf einer Wolkensäule stand mein Thron."
Weisheit redet über ihren Ursprung. Jesus Sirach, Kapitel 5.
Im antiken und im mittelalterlichen Judentum hat es nicht an Versuchen gefehlt, das weibliche Element auch offiziell in das Gottesbild zu integrieren. In den Texten der jüdischen Kabbala ist immer wieder die Rede von Gott als einem androgynen Wesen - mit männlichem Logos und weiblicher Weisheit. Im Buch "Bahir", einem Text aus dem Frankreich des 12. Jahrhunderts, heißt es, Gott habe zahlreiche Erscheinungsformen, maskuline und feminine. Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde - also männlich und weiblich.
Werke wie das "Bahir" waren den Hütern der "unverfälschten Thora des Patriarchats" natürlich ein Dorn im Auge.
"Dieses Buch enthält häretische und ketzerische Worte!"
Behauptet Me’ir ben Simon, ein Talmud-Ausleger aus dem 13. Jahrhundert.
Warum sind gerade im hochmittelalterlichen Frankreich so viele kabbalistische Texte erschienen, die sich für die weibliche Seite des jüdischen Gottes interessieren? Dies ist dem christlichen Umfeld geschuldet, meint der Judaistik-Prefessor. Das "Bahir" entsteht zu einer Zeit, als die Marien-Verehrung in Frankreich ihren Höhepunkt erreicht. Peter Schäfer zitiert aus einer Predigt des Bernhard von Clairvaux über Marias Tod und ihre Himmelfahrt:
"Wer wäre imstande, sich auszudenken, wie diese glorreiche Königin der Welt von uns gegangen ist! Mit welch ehrerbietiger Liebe ihr die Schar der himmlischen Heere entgegeneilte, mit welch göttlichen Küssen sie von ihrem Sohn empfangen und über alle Schöpfung erhöht wurde!"
Nicht nur in Frankreich, nein, in ganz Europa werden der Mutter Jesu zunehmend göttliche Weihen zuteil. Hildegard von Bingen geht soweit, Maria als "salvatrix" zu bezeichnen. "Heilerin und Miterlöserin". Der lateinische Titel "salvator" - Heiland und Retter - war bis dahin Christus vorbehalten.
Peter Schäfers Werk befasst sich in sechs Kapiteln mit den weiblichen Gottesbildern des Judentums, dem Christentum hingegen ist nur ein Kapitel gewidmet. Dennoch - genügend Stoff zur Diskussion über die Tatsache, dass beide vermeintlich strengen Monotheismen polytheistische Elemente kaum verbergen können.
Anscheinend, so Schäfer, haben Menschen aller Zeiten das Bedürfnis, an Gott eine weibliche Seite zu entdecken. Eine Sehnsucht, nicht totzukriegen von machtvoll-männlicher Religionspolitik.
Ein streitbares Buch. In einer gut lesbaren Übersetzung aus dem englischen Original.
Rezensiert von Susanne Mack
Peter Schäfer: Weibliche Gottesbilder im Judentum und Christentum
Aus dem Englischen übersetzt von Christian Wiese und Claus-Jürgen Thornton
Verlag der Weltreligionen. Frankfurt/Main und Leipzig 2008.
387 Seiten, 22,80 €
Anlass genug, den Monotheismus der Juden einmal unter die Lupe zu nehmen, meint Peter Schäfer und stellt fest: Dieser jüdische Glauben an den einen und einzigen Gott schillert bei näherer Betrachtung doch seltsam polytheistisch!
Schäfer erinnert zunächst an die Frühzeit der Israeliten unter König Manasse, Anfang des 7. Jahrhunderts vor Christus. Damals wollten die Juden, trotz ihrer Verehrung für Jahwe, den Höchsten, auf andere Götter und Göttinnen nicht verzichten. Da gab es zum Beispiel Aschera, die Gemahlin des Baal. Sie wurde im Süden von Juda verehrt. Es war der König selbst, Manasse, der Sorge trug, dass dieser Göttin auch im Tempel von Jerusalem gehuldigt wurde.
"Manasse stellte auch das Bild der Aschera in das Haus, von dem der Herr
zu David gesagt hatte: 'In diesem Hause und in Jerusalem will ich meinen Namen wohnen lassen ewiglich.'"
Heißt es im 2. Buch der Könige, Altes Testament.
Erst Josias, seit 647 vor Christus Herrscher über Juda, verbietet die Vielgötterei und etablierte das staatstragende Bild von dem einen und einzigen Gott - Jahwe. Obwohl sich die Gläubigen von ihm kein Bild machen sollen, wird er doch stillschweigend als "Vater", ergo als männlich gedacht.
Aber König Josias Verbote vermögen die Idee vom Göttlichen als auch weiblicher Natur nicht gänzlich auszurotten. Die femininen Gottesbilder leben fort, mitten im "männlichen Monotheismus", und zwar in subversiver Form. Der Autor schärft unseren Blick für das "Zwischen-den–Zeilen" im biblischen Text. In den "Sprüchen des Salomo" zum Beispiel, oder bei "Jesus Sirach", wird, genauso genommen, eine Göttin gepriesen, eine Göttin namens "Weisheit":
"Ich ging aus dem Munde des Höchsten hervor,
und wie Nebel umhüllte ich die Erde.
Ich wohnte in den Höhen des Himmels,
auf einer Wolkensäule stand mein Thron."
Weisheit redet über ihren Ursprung. Jesus Sirach, Kapitel 5.
Im antiken und im mittelalterlichen Judentum hat es nicht an Versuchen gefehlt, das weibliche Element auch offiziell in das Gottesbild zu integrieren. In den Texten der jüdischen Kabbala ist immer wieder die Rede von Gott als einem androgynen Wesen - mit männlichem Logos und weiblicher Weisheit. Im Buch "Bahir", einem Text aus dem Frankreich des 12. Jahrhunderts, heißt es, Gott habe zahlreiche Erscheinungsformen, maskuline und feminine. Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde - also männlich und weiblich.
Werke wie das "Bahir" waren den Hütern der "unverfälschten Thora des Patriarchats" natürlich ein Dorn im Auge.
"Dieses Buch enthält häretische und ketzerische Worte!"
Behauptet Me’ir ben Simon, ein Talmud-Ausleger aus dem 13. Jahrhundert.
Warum sind gerade im hochmittelalterlichen Frankreich so viele kabbalistische Texte erschienen, die sich für die weibliche Seite des jüdischen Gottes interessieren? Dies ist dem christlichen Umfeld geschuldet, meint der Judaistik-Prefessor. Das "Bahir" entsteht zu einer Zeit, als die Marien-Verehrung in Frankreich ihren Höhepunkt erreicht. Peter Schäfer zitiert aus einer Predigt des Bernhard von Clairvaux über Marias Tod und ihre Himmelfahrt:
"Wer wäre imstande, sich auszudenken, wie diese glorreiche Königin der Welt von uns gegangen ist! Mit welch ehrerbietiger Liebe ihr die Schar der himmlischen Heere entgegeneilte, mit welch göttlichen Küssen sie von ihrem Sohn empfangen und über alle Schöpfung erhöht wurde!"
Nicht nur in Frankreich, nein, in ganz Europa werden der Mutter Jesu zunehmend göttliche Weihen zuteil. Hildegard von Bingen geht soweit, Maria als "salvatrix" zu bezeichnen. "Heilerin und Miterlöserin". Der lateinische Titel "salvator" - Heiland und Retter - war bis dahin Christus vorbehalten.
Peter Schäfers Werk befasst sich in sechs Kapiteln mit den weiblichen Gottesbildern des Judentums, dem Christentum hingegen ist nur ein Kapitel gewidmet. Dennoch - genügend Stoff zur Diskussion über die Tatsache, dass beide vermeintlich strengen Monotheismen polytheistische Elemente kaum verbergen können.
Anscheinend, so Schäfer, haben Menschen aller Zeiten das Bedürfnis, an Gott eine weibliche Seite zu entdecken. Eine Sehnsucht, nicht totzukriegen von machtvoll-männlicher Religionspolitik.
Ein streitbares Buch. In einer gut lesbaren Übersetzung aus dem englischen Original.
Rezensiert von Susanne Mack
Peter Schäfer: Weibliche Gottesbilder im Judentum und Christentum
Aus dem Englischen übersetzt von Christian Wiese und Claus-Jürgen Thornton
Verlag der Weltreligionen. Frankfurt/Main und Leipzig 2008.
387 Seiten, 22,80 €